Die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wonach die umstrittene Kohlendioxid-Speichertechnik CCS künftig auch in Deutschland zum Einsatz kommen könnte, hat bei Umweltschützern Protest ausgelöst. Der Verband BUND warnt davor, Industrie-CO2 in großem Stil unterirdisch deponieren zu wollen, "anstatt die Emissionen im Industriesektor zu reduzieren".
Im Einzelnen kritisiert der größte deutsche Umweltverband die geplanten Milliardensubventionen für CCS über sogenannte Klimaschutzverträge sowie den Vorstoß von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die Speicherung von CO2 im Boden im industriellen Maßstab kurzfristig zuzulassen.
In einem Bericht der Bundesregierung zum derzeit gültigen CCS-Gesetz heißt es, man prüfe die "Ermöglichung der CO2-Speicherung in Deutschland inklusive unter dem Meeresboden". Damit öffnet die Ampel auch die Option für ein CO2-Endlager in Norddeutschland, wo die geologischen Voraussetzungen dafür günstig sein sollen.
Nachdem unlängst ein Entwurf des Berichts bekannt geworden war, wurde vor allem ein Transport des Treibhausgases nach Norwegen oder in die Niederlande diskutiert, wo das Gas in leergeförderte Erdgaslager gepumpt werden soll.
Der Ampel-Bericht betont die Notwendigkeit der CCS-Technik für Industrieprozesse wie etwa die Zementherstellung, um vollständige Klimaneutralität zu erreichen, die in Deutschland für 2045 geplant ist. Ohne CCS könnten die verschärften Klimaziele nicht erreicht werden.
"Während die vorherige Zielsetzung von 80 bis 95 Prozent Emissionsminderung auch Entwicklungspfade ohne den Einsatz von CCS zuließe, ist das Erfordernis von CCS mit der Zielsetzung von Netto-Null-Emissionen in den aktuellen Studien gemeinsamer Konsens", heißt es in dem Report.
Quasi-Verbot in Deutschland seit zehn Jahren
CCS steht für "Carbon Capture and Storage", also CO2-Abscheidung und -Lagerung. In Deutschland hatten Bedenken wegen möglicher Leckagen, künstlicher Erdbeben und Risiken für das Grundwasser nach Bürgerprotesten vor allem in Norddeutschland zu einem Quasi-Verbot der Technologie durch das 2012 von der schwarz-gelben Bundesregierung verabschiedete CCS‑Gesetz geführt.
Der Weltklimarat IPCC hält CCS in einigen Varianten freilich für nötig, um das 1,5‑Grad-Limit der Erderwärmung einhalten zu können.
Neben Habeck dingt auch Stark-Watzinger auf eine schnelle CCS-Zulassung in Deutschland. "Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Entnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre setzen", sagte die Forschungsministerin der Nachrichtenagentur DPA.
Die CO2-Speicherung im industriellen Maßstab müsse kurzfristig zugelassen werden, fügte sie hinzu und sprach sich für eine entsprechende Gesetzesänderung aus. Um CO2 aus Industrieprozessen endlagern zu können, müsste ein Netz von Abscheidungsanlagen, Pipelines, Zwischenspeichern, Umladestationen und Häfen für das Klimagas gebaut werden.
Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt nannte es "brandgefährlich für den Klimaschutz, dass die Evaluierung des CCS-Gesetzes so stark von Industrieinteressen überlagert wurde". Die Industrie wolle ihre Abgase einfach unter der Nordsee deponieren, statt die Emissionen endlich zu reduzieren.
"Privilegierte Genehmigungen für die Großindustrie"
"Aber die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll", sagte Bandt. CO2 dort zu verpressen, sei profitabel für die Gasindustrie, diese kalkuliere Lecks aber schon ein, die gefährlich für den marinen Lebensraum seien.
Der BUND monierte zudem, das Industrie-CO2 solle "perspektivisch auch in Deutschland" in den Boden verpresst werden. Absehbar seien "privilegierte Genehmigungen für CO2-Deponien der Großindustrie", so der Verband. "Enteignungsvorschriften sollen erweitert, die Rechte der Länder beschnitten werden."
Parallel dazu werde bereits an Förderprogrammen gearbeitet, "um die großen industriellen Verschmutzer mit Milliarden an Steuergeldern für CCS auszustatten".