Beton ist der wichtigste Baustoff unserer Zeit. Millionen von Häusern, Brücken und Straßen entstehen jedes Jahr aus 30 Milliarden Tonnen dieses formbaren, langlebigen, weltweit erhältlichen und bisher vor allem billigen Materials.
Allerdings hat Beton ein großes Manko. Bei seiner Herstellung entstehen große Mengen an CO2.
Schuld daran ist Zement. Zur Herstellung dieses Bindemittels wird ein Gemisch aus Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz zu sogenanntem Rohmehl zerkleinert und schließlich bei 1.450 Grad im Ofen zu Zementklinker gebrannt.
Die Öfen werden heute in Deutschland überwiegend mit Kohle betrieben, sind aber nur für ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Der Rest stammt von sogenannten prozessbedingten Emissionen.
Bei dem Brennvorgang spaltet sich der Kalkstein in Kalziumoxid und CO2. Pro Tonne Zement entstehen so 400 Kilogramm des Treibhausgases. Insgesamt entfallen in Deutschland knapp drei Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen auf die Zementproduktion, weltweit sind es rund acht Prozent.
Ein neues Herstellungsverfahren soll nun Abhilfe schaffen. Anstatt neuen Zement herzustellen, soll über das Verfahren Zement aus dem Bauschutt abgerissener Gebäude wieder nutzbar gemacht werden.
"Ich hatte die vage Vorstellung, wenn es möglich wäre, alten Beton zu zerkleinern und dabei den Sand und die Steine zu entfernen, könnte der Zement durch Erhitzen das Wasser verlieren und es würde wieder Klinker entstehen", beschrieb der Ingenieurswissenschaftler Cyrille Dunant von der Universität Cambridge seine Idee. Dunant ist Leitautor einer kürzlich dazu im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie.
30 Tonnen recycelter Zement pro Stunde
Der ungewöhnliche Aufbereitungsprozess ist Trittbrettfahrer einer weiteren emissionsintensiven Schwerindustrie – der Stahlproduktion. Die Wissenschaftler:innen aus Cambridge entdeckten, dass der gebrauchte Zement dieselbe chemische Zusammensetzung wie Kalkflussmittel hat und damit ein "wirksamer Ersatz" dafür sein könnte.
Kalkflussmittel wird beim Stahlrecycling verwendet, um Rost zu entfernen. Das Mittel wird dem Stahl bei Schmelzprozess zugegeben und schwimmt am Ende oben als Schlacke – ein Abfallprodukt.
Wird das Flussmittel aber aus altem Zement hergestellt, steht am Ende der Prozesskette kein Abfallprodukt, sondern Klinker. Dieser kann wieder kleingemahlen und zur Betonherstellung verwendet werden.
Als "absolutes Wunder" bezeichnete Mitautor Julian Allwood die neue Herstellungsmethode von emissionsfreiem Zement. Der Energiebedarf des Stahlrecyclings würde bei einer klugen Umsetzung auch gar nicht steigen. Gleichzeitig sinke aber der CO2-Fußabdruck von Zement – und auch der von Stahl, weil weniger Kalkflussmittel benötigt würden.
Komplett emissionsfrei kann der Zement natürlich nur werden, wenn der Stahl klimaneutral geschmolzen wird, zum Beispiel in einem elektrischen Schmelzofen, betrieben mit grünem Strom. Versuche in kleinem Maßstab haben aber gezeigt, dass auch das funktioniert.
Nun plant das Team, die Methode in einem industriellen Umfang zu testen. In einer Reihe von Versuchen sollen in den nächsten Wochen Chargen von 30 Tonnen recyceltem Zement pro Stunde produziert werden, sagte Allwood der britischen Wissenschaftszeitung New Scientist.
"Wir verwenden viel zu viel Beton"
Die Produktion von recyceltem Zement setzt damit allerdings die Produktion von recyceltem Stahl voraus. Bisher macht Recycling-Stahl etwa 40 Prozent der weltweiten Produktion aus. Julian Allwood geht aber davon aus, dass sich die Produktion von recyceltem Stahl bis 2050 verdoppeln, wenn nicht verdreifachen wird.
Die Wissenschaftler:innen rechnen damit, im Jahr 2050 eine Milliarde Tonnen Zement mit ihrem Verfahren herstellen zu können. Das wäre reichlich spät – und schon heute verbraucht die Welt vier Milliarden Tonnen Zement pro Jahr.
Es braucht also auch andere Lösungen, um etwa den Zementverbrauch zu reduzieren. Zement durch Flugasche zu ersetzen oder statt Stahlbeton Karbonbeton zu verwenden, sind zwei Möglichkeiten. Eine Wand aus Karbonbeton hat schon bei einer Dicke von nur ein oder zwei Zentimetern dieselbe Stabilität wie eine reguläre Betonwand.
Ein weiterer Vorstoß aus der Wissenschaft setzt darauf, weitestgehend auf Beton zu verzichten und stattdessen auf Holz zu setzen. Der Bausektor könnte sogar von einem Treiber der Klimakrise zu einer CO2-Senke werden, sind die Wissenschaftler:innen der Initiative "Bauhaus Erde" überzeugt.
Oder noch einfacher: Weniger bauen. Beton sei ein großartiger Baustoff, erklärte Ingenieurswissenschaftler Allwood, es werde nur viel zu viel davon verwendet. "Wir könnten die Menge des von uns verwendeten Betons drastisch reduzieren, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen, aber dafür braucht es politischen Willen."