Die Sonne dimmen, um die Erderwärmung zu bremsen? Die Idee stammt von Paul Crutzen, dem 2021 verstorbenen Nobelpreisträger.
Crutzen hatte in den 1980er Jahren die Chemie hinter der zunehmenden Zerstörung der Ozonschicht in der Atmosphäre aufgedeckt und dafür die hohe Ehrung erhalten. Es war die Basis dafür, dass ozonzerstörende Chemikalien wie die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verboten wurden und der natürliche "UV-Schutzschirm" der Erde sich nun wieder erholen kann.
Umso größer war das Aufsehen, als Crutzen 2006 vorschlug, die Stratosphäre mit Schwefeldioxid zu vernebeln, mit genau dem Stoff also, der als Ursache für den sauren Regen und das Waldsterben bekämpft worden war. Die Idee zog scharfe Angriffe auf sich und wurde als "Giftkur fürs Weltklima" verurteilt.
Inzwischen aber wird es immer wahrscheinlicher, dass Technologien zur Abkühlung des Planeten wie die von Crutzen vorgeschlagene tatsächlich auf ihre Wirkung getestet werden.
Jüngste Entwicklung in diesem Sektor: Die britische Regierung stellt für derlei Forschungen aus dem Bereich des "Solar Geoengineering" umgerechnet etwa 67 Millionen Euro zur Verfügung, wie die staatliche Innovationsagentur Aria (Advanced Research and Invention Agency) bekannt gab.
Damit sollen Experimente sowie die Modellierung, Simulation, Beobachtung und Überwachung einzelner Maßnahmen finanziert werden. Forscherinnen und Forscher wurden aufgerufen, sich mit ihren Ideen dafür zu bewerben.
Injektion von Aerosolen in die Stratosphäre
Die Agentur erläuterte, sie wolle die Geoengineering-Forschung fördern, da es "selbst bei den aggressivsten Szenarien" zur CO2-Reduktion kaum realistisch sei, den globalen Temperaturanstieg ausreichend zu bremsen. Bisher fehle es an Tests, um die Chancen und Risiken der Technologien seriös zu bewerten. Man wolle untersuchen, ob irgendeine Art von Geoengineering "durchführbar, skalierbar und kontrollierbar" ist.
Tests würden nur in kleinem Maßstab durchgeführt und streng bewertet, hieß es bei Aria. Außerdem solle untersucht werden, wie ein Geo-Engineering international geregelt werden könnte.

Die Regierungsinitiative konzentriert sich auf die Erprobung verschiedener Arten der Solar Radiation Modification (SRM), also der technischen Beeinflussung der Sonneneinstrahlung. Im Zentrum steht die von Crutzen vorgeschlagene Injektion von Aerosolen in die Stratosphäre – etwa von hoch fliegenden Flugzeugen aus.
Es funktioniert in der Theorie so: Nach der Ausbringung oxidiert das Schwefeldioxid, es entsteht Schwefelsäure. Die Schwefelsäure kondensiert zu kleinen Partikeln, und diese kleinen Partikel streuen Sonnenlicht in den Weltraum zurück, haben also eine kühlende Wirkung auf das Klima.
Eine weitere, ähnliche Möglichkeit ist das Einbringen von Meersalz-Aerosolen in tief liegende Meereswolken, um mehr Sonnenlicht von der Erde weg zu reflektieren.
Hohes Risiko
Ein andere vorgeschlagene Methode, um die Rückstrahlung von Sonnenlicht zu stabilisieren, ist das künstliche Aufstocken des arktischen Meereises durch Windkraft-getriebene Pumpen, die im kalten Nordpolarmeer Wasser auf das Meereis pumpen.
Aria-Programmdirektor Mark Symes räumte ein, dass die Dekarbonisierung, also das Erreichen von netto null Treibhausgasemissionen, der beste Weg sei, um Kipppunkte im Weltklima zu vermeiden. Derzeit geschehe hier zu wenig.
Der aktuelle Kurs berge "die Gefahr, dass wir einige Kipppunkte auslösen, unabhängig davon, was mit Netto-Null passiert, also müssen wir darüber nachdenken, was wir in diesem Fall tun könnten." Mit dem Programm solle "so transparent wie möglich" erforscht werden, ob einer der vorgeschlagenen Ansätze zur Abkühlung jemals sicher eingesetzt werden könnte, sagte Symes.
Aktuell ist bereits die unterste Marke des 1,5-bis-zwei-Grad-Limits der Erderwärmung überschritten, zu dessen Einhaltung sich die Staaten der Welt im Pariser Klimavertrag von 2015 verpflichtet haben.
Die Geoengineering-Ansätze waren von Anfang an umstritten – einerseits wegen möglicher Nebenwirkungen mit hohem Schadenpotenzial, andererseits, weil Kritiker befürchten, dass sie Regierungen dazu bringen könnten, die CO2-Reduzierung mit noch weniger Nachdruck als bisher zu verfolgen.
Solar Radiation Modification
Unter Solar Radiation Modification (SRM) werden mehrere großskalige technologische Ansätze zur Abmilderung der menschengemachten Klimaerwärmung zusammengefasst. SRM basiert auf der Idee, die auf der Erde eintreffende Sonnenstrahlung zu verringern oder die Reflexion der Sonneneinstrahlung (Albedo) zu erhöhen.
Die fünf meistdiskutierten SRM-Ansätze sind laut Umweltbundesamt:
- Aerosole in der Stratosphäre: Ausbringen winziger Partikel in etwa 20 Kilometer Höhe, damit sie einen Teil der Sonnenstrahlen reflektieren, bevor diese die Erde erreichen.
- Aufhellen von Wolken über dem Meer: "Bleichen" von Wolken über den Ozeanen, zum Beispiel durch Salzpartikel aus Meerwasser, sodass sie mehr Sonnenstrahlen reflektieren.
- Installationen im Weltraum: Erzeugen eines Halbschattens im Weltraum durch ein riesiges Sonnensegel, damit weniger Sonnenlicht auf die Erde auftrifft.
- Ausdünnung von Zirruswolken: Zirruswolken (in fünf bis 13 Kilometern Höhe) mithilfe von Chemikalien ausdünnen, damit sie mehr Infrarotstrahlung ins Weltall entweichen lassen.
- Aufhellen der Erdoberfläche: Erhöhung der Rückstrahlfähigkeit der Erdoberfläche (auch Oberflächenalbedo genannt) durch den Einsatz reflektierender Materialien und weißer Farbe, etwa auf Acker- und Eisflächen, Wüsten oder in Städten.
Einige geplante Tests dazu wurden wegen starken Widerstands in der Öffentlichkeit denn auch abgesagt. So hat ein Forschungsteam der Harvard-Universität in den USA im vorigen Jahr ihre langjährigen Bemühungen um ein Experiment in der Stratosphäre eingestellt.
Der Plan hatte vorgesehen, einen mit Propellern und Sensoren ausgestatteten Höhenballon zu starten, um mit ihm einige Kilogramm Schwefelsäure, Kalziumkarbonat oder anderes Material hoch über der Erde freizusetzen. Der Ballon sollte dann beidrehen und durch die selbst generierte Wolke fliegen, um zu messen, wie weit die Partikel sich ausbreiten und wie viel Sonnenlicht sie wirklich reflektieren.
"Gefährlicher Präzedenzfall"
Ein britischer Forscher, Andrew Lockley, hat nach eigenen Angaben allerdings schon mehrere Ballonstarts durchgeführt, um das Ausbringen von Schwefeldioxid in großer Höhe zu testen. Und ein US-Unternehmen namens Make Sunsets führt solche Freisetzungen per Ballon seit 2023 sogar regelmäßig durch – und verkauft Anteile daran als Klimaschutz-Investition.
Die Ankündigung der britischen Innovationsagentur für neue Tests in dem Sektor traf bei anderen in der Fachwelt auf heftigen Protest. Raymond Pierrehumbert, Professor an der Universität Oxford, sagte, das Solar Engineering werde enorme Auswirkungen auf die globale Gesellschaft haben. "Die britische Finanzierung schafft einen gefährlichen Präzedenzfall für andere Regierungen, um auf den Zug aufzuspringen."
Mary Church vom Zentrum für internationales Umweltrecht (Ciel) mit Sitz in Washington und Genf sagte: "Solares Geoengineering ist von Natur aus unvorhersehbar und läuft Gefahr, ein bereits gestörtes Klimasystem noch stärker zu stören." Das Durchführen kleiner Experimente berge die Gefahr, dass umstrittene Konzepte später schnell in großem Stil umgesetzt werden.
Mit einer sehr kritischen Stellungnahme hat sich unlängst auch das Umweltbundesamt (UBA) in die Debatte eingeschaltet. Die diskutierten SRM-Methoden zur Beeinflussung der Sonneneinstrahlung seien "alle hochriskant und keine praktikable Lösung der Klimakrise", heißt es dort.
Das Amt warnt, SRM würde einen umfangreichen und schwer kalkulierbaren Eingriff in das Klimasystem der Erde bedeuten. So könnten globale Niederschlagsmuster verändert werden, etwa in Monsunregionen, was die Wasser- und Nahrungssicherheit bedrohen würde. Hinzu kämen Gefahren für Ökosysteme an Land und in den Meeren.
Zudem werde kein weltweit gleichmäßiger Kühlungseffekt erzielt. Die Folge wäre vielmehr eine fortgesetzte Erwärmung in einigen Regionen bei gleichzeitig übermäßiger Abkühlung andernorts.
UBA-Präsident Dirk Messner warnte: "Das Klima mit technischen Großvorhaben 'reparieren' zu wollen, ist mit unwägbaren Risiken verbunden und würde unseren Frieden, unsere Sicherheit und die Stabilität von Gesellschaften gefährden." SMR sei auch keine Notfall-Option, keine Übergangstechnologie "und erst recht kein Freibrief, bei der Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen nachzulassen".