Ein schwarzer Silo-artiger Turm mit der Aufschrift Eavor, daneben ein Garagen-artiges, schwarzes Gebäude und ein schwarzer Container, alles in einer winterlichen Ebene.
Die Pilotanlage – oder das, was davon zu sehen ist – steht in der kanadischen Provinz Alberta. (Foto: Eavor)

Erdwärme zu nutzen ist naheliegend, aber es wird kaum gemacht. Im Jahr 2019 gab es weltweit Geothermieanlagen mit einer Kapazität von knapp 16.000 Megawatt. Das entspricht weniger als 2,5 Prozent aller Photovoltaikanlagen. Geothermie wird deshalb auch als die "vergessene erneuerbare Energie" bezeichnet.

Das Problem ist, dass die Erdwärme in Form von heißem Wasser gefördert wird. Wo ohnehin heißes Wasser durch das Gestein nach oben drückt, kann man es abpumpen und dann zur Stromerzeugung oder in Fernwärmenetzen nutzen. Das wird etwa in Island, Japan und Kalifornien gemacht.

Andernorts muss man erst Wasser mit hohem Druck ins Gestein pressen, um es dann wieder abpumpen zu können. Diese Fracking-ähnliche Methode kann allerdings Erdbeben auslösen, wie 2006 in Basel, wo das Projekt deswegen abgebrochen wurde. Ein Jahr später wurden historische Gebäude im südbadischen Staufen durch Hebungsrisse beschädigt.

Lösen ließe sich das Wasserproblem allerdings mit einem geschlossenen Kreislauf. Genau das tut das kanadische Start-up Eavor mit seinem "Eavor Loop".

Dabei werden im Abstand von mehreren Kilometern zwei senkrechte, drei bis vier Kilometer tiefe Löcher gebohrt. Anschließend werden vom ersten Bohrloch aus mehrere waagerechte Bohrungen ins Gestein getrieben, bis sie das zweite Bohrloch erreichen (Grafik unten).

Oder die senkrechten Bohrlöcher liegen nahe beieinander und die waagerechte Bohrung kehrt nach einigen Kilometern um.

So entsteht ein geschlossener Kreislauf: Durch das erste Bohrloch fließt kalte Flüssigkeit nach unten, während durch das zweite Bohrloch heiße Flüssigkeit nach oben strömt.

Der Clou dabei ist, dass das Ganze ohne Pumpen auskommt. Denn der Eavor Loop ist eine Thermosiphonanlage – wie etwa auch die Schwerkraftheizung: Weil kaltes Wasser schwerer ist als heißes, drückt das kalte Wasser das heiße Wasser nach oben, pumpen ist nicht nötig. 

Erstes kommerzielles Projekt startet bei München

Gegenüber den herkömmlichen erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind hat der Eavor-Ansatz einen wichtigen Vorteil: Indem der Druck im Loop erhöht oder gesenkt wird, lässt sich regulieren, wie viel Strom gerade produziert wird – unabhängig von äußeren Faktoren, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.

Michael Liebreich, Chefberater von Eavor und Gründer des Thinktanks Bloomberg New Energy Finance (Bnef), ist ziemlich begeistert vom Eavor Loop. "Es wäre verdammt nah am heiligen Gral, wenn es zu einem erschwinglichen Preis gemacht werden kann", sagte er der Branchenpublikation Recharge.

"Billiger, sauberer, lastgeführter Strom ist das fehlende Element in vielen Märkten", so Liebreich. Die Technik habe "das Potenzial, die Welt zu verändern". Entscheidend sind folglich die Kosten und anfangs der Preis, den Eavor für die erzeugte Energie bekommt.

Vertikaler Schnitt durch den Untergrund unter der Anlage: Das heiße Wasser strömt in Bohroch 1 senkrecht nach oben, wo mit der Wärme Strom erzeugt wird, dann waagerecht bis zum Bohrloch 2, dort senkrecht nach unten und in der Tiefe waagerecht zurück zu Bo
Das Prinzip: Ein "umweltfreundliches Arbeitsmedium" bewegt sich ohne Pumpen in einem geschlossenen Kreislauf. (Grafik: Eavor)

Bisher gibt es nur eine Pilotanlage in Kanada. Das erste kommerzielle Projekt mit zehn Megawatt wird voraussichtlich in Deutschland realisiert, in Geretsried südlich von München. Der Standort hat zwei wesentliche Vorteile.

Zum einen gibt es schon ein Loch. Im Jahr 2013 hat dort die bayerische Firma Enex Power 6.000 Meter tief gebohrt. Die gemessenen Temperaturen waren mit 165 Grad Celsius höher als erwartet, aber es mangelte an Wasser: Statt der geplanten 100 bis 150 Liter lieferte die Bohrung weniger als zehn Liter pro Sekunde. Damit war das Projekt unrentabel.

Zum anderen zahlt Deutschland eine großzügige Einspeisevergütung für Geothermiestrom. Falls es gelingt, das Projekt nächstes Jahr fertigzustellen, bekommen Enex und Eavor 227 Euro pro Megawattstunde – sechsmal mehr als an der Strombörse.

BP und Chevron haben investiert

Mittelfristig müssen die Kosten folglich auf das Börsenniveau sinken. Das hängt vor allem von den Bohrkosten ab. Die sind in den letzten Jahren wegen des Fracking-Booms in den USA stark gesunken. "Das horizontale Bohren gibt es schon lange, aber noch vor fünf oder zehn Jahren hätte uns das nicht geholfen. Das Bohren ist seitdem viel billiger geworden", erklärt Eavor-Chef John Redfern.

Dass sich das Know-how aus der Öl- und Gasindustrie auch bei Eavor nutzen lässt, ist jetzt auch zwei Branchengrößen aufgefallen. BP und Chevron haben sich diese Woche an einer Kapitalerhöhung von Eavor über 40 Millionen US-Dollar beteiligt.

Aus Sicht von Redfern geht es dabei nicht nur um Geld: "Wir wollen, dass die BPs und Chevrons dieser Welt mitmachen und tun, was sie am besten können: große Projekte stemmen." Außerdem hätten die Ölkonzerne "große Datenbanken, die zeigen, wie die Welt unter der Oberfläche aussieht".

Berater Liebreich hält es für "realistisch", dass die Kosten dadurch bis zum Ende des Jahrzehnts auf 50 Dollar pro Megawattstunde gedrückt werden können, meint aber auch: "Es gibt noch viele Sachen, die schiefgehen können."

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