Man riecht und schmeckt sie nicht, aber sie sind weit verbreitet: Chemikalien aus der PFAS-Stoffgruppe. Man nennt sie "Forever Chemicals", Ewigkeitschemikalien, weil sie, einmal freigesetzt, in der Umwelt kaum abgebaut werden. Verbote stehen deswegen im Raum. Zu den PFAS gehören mehrere tausend Substanzen, die in Produkten eingesetzt werden, um sie wasser-, schmutz- oder fettabweisend auszurüsten.
Wenig diskutiert wird bisher über eine weitere Quelle: fluorhaltige Kältemittel, die in vielen Millionen Auto-Klimaanlagen arbeiten. Das Umweltbundesamt (UBA) hält ein Verbot für notwendig, wie es in einer Stellungnahme der Behörde für Klimareporter° heißt.
Die PFAS-Substanzen sind nützliche Helfer in vielen Alltagsprodukten: in wasserdichter Outdoor-Kleidung, Fast-Food-Verpackungen, beschichteten Pfannen, Kosmetik oder Flammschutzmitteln. Doch die Bedenken wegen der Nutzung PFAS-haltiger Produkte sind in den letzten Jahren stark gewachsen, da sie über die Luft zum Teil über große Distanzen transportiert werden und sich in Gewässern und Böden anreichern.
Viele dieser Chemikalien akkumulieren sich auch in der Nahrungskette und verbleiben, wenn vom Menschen aufgenommen, über viele Jahre im Körper. Für einige Verbindungen konnte nachgewiesen werden, dass sie bereits in geringen Konzentrationen negative gesundheitliche Folgen haben können. Sie stehen im Verdacht, das Hormon- und das Immunsystem zu schädigen.
In den Auto-Klimaanlagen wird bei Neuwagen seit einigen Jahren das Kältemittel Tetrafluorpropen (Fachkürzel: R1234yf) eingesetzt, und zwar als Ersatz für das früher verwandte, extrem klimaschädliche Kältemittel Tetrafluorethan (R134a). Die neue Chemikalie Tetrafluorpropen selbst zählt nicht zu den PFAS, doch sie wird in der Umwelt nach kurzer Zeit vollständig zur Trifluoressigsäure (TFA) abgebaut, die eine "Ewigkeitschemikalie" ist und als wassergefährdend eingestuft wird.
Das Problem: Das Kältemittel wird in den Klimaanlagen zwar grundsätzlich in einem geschlossenen Kreislauf geführt, trotzdem kommt es offenbar häufig zu Leckagen und damit zu einer Freisetzung in die Umwelt. Laut jüngsten UBA-Daten von 2020 werden derzeit jährlich rund 800 Tonnen des Kältemittels aus Auto-Klimaanlagen emittiert. Da pro Jahr in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Neufahrzeuge zugelassen werden, die praktisch alle Klimaanlagen haben, droht diese Menge stark anzusteigen.
"Einträge in die Umwelt unbedingt vermeiden"
Trifluoressigsäure verbreitet sich über die Luft und gelangt mit den Niederschlägen in den Boden sowie in Gewässer. Dem Umweltamt zufolge gibt es bisher keine Methode, um TFA mit vertretbaren Kosten wieder aus dem Wasserkreislauf zu entfernen – auch nicht bei der Trinkwasseraufbereitung.
"Einträge von TFA in die Umwelt müssen daher unbedingt vermieden werden. Der Verzicht auf den Einsatz fluorierter Kältemittel ist einer der notwendigen Schritte", schreibt das UBA, und so steht es auch in der Stellungnahme. Eine weitere Quelle für die Substanz in der Umwelt sind chemische Pestizide.
In der EU wird aktuell ein Verbot von Herstellung und Einsatz der PFAS-Chemikalien diskutiert. Umweltbehörden aus fünf Ländern, darunter Deutschland, haben bei der Europäischen Chemikalienagentur Echa in Helsinki einen Vorschlag dazu eingereicht. Er sieht vor, sämtliche Verbindungen dieser Stoffgruppe zu verbieten, allerdings mit Übergangsfristen zwischen 18 Monaten und 13,5 Jahren.
Die Länge dieser Fristen richtet sich danach, wie gut Alternativen in den jeweiligen Anwendungsbereichen verfügbar sind. Sollte die EU-Kommission den Vorschlag aufgreifen, müssten Alternativen für rund 10.000 Anwendungen gefunden werden. Erwartet wird, dass ein Verbot 2025 in Kraft treten könnte.
Im Fall der Auto-Klimaanlagen gäbe es umweltfreundliche Alternativen, die auch vom UBA favorisiert werden, darunter die Nutzung von Kohlendioxid (CO2) als Kältemittel. "CO2 hat eine hohe Kälteleistung, ist nicht brennbar, bildet keine Zerfallsprodukte und ist weltweit kostengünstig verfügbar", schreibt das Amt.
Das UBA verweist darauf, dass es selbst von 2009 bis 2017 ein Dienstfahrzeug mit einer dafür entwickelten CO2-Klimaanlage im Fuhrpark hatte. Messungen im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesumweltministeriums hätten "die Leistungsfähigkeit des Kältemittels CO2 für die Klimatisierung" belegt.
Tatsächlich werden CO2-Klimaanlagen heute bereits eingesetzt, etwa in Bussen. Auch zwei deutsche Autohersteller, Mercedes-Benz und Audi, haben solche Aggregate schon zeitweise in Premium-Modellen angeboten. Die Anlagen mussten komplett neu entwickelt werden, unter anderem, weil sie mit höherem Druck arbeiten als die herkömmlichen Aggregate. Sie funktionieren, wie zu hören ist, ohne Probleme.
"Umstieg auf CO2 in drei Jahren möglich"
Trotzdem bauen die Autokonzerne die CO2-Klimaanlagen heute nicht mehr ein. Sie sind komplett auf das umstrittene Kältemittel Tetrafluorpropen umgestiegen, das von den US-Chemiekonzernen Chemours (früher DuPont) und Honeywell hergestellt wird, die dafür ein weltweites Monopol haben. Dafür können die herkömmlichen Klimaanlagen genutzt werden, es fallen keine Kosten für Neuentwicklungen der Aggregate an.
Beim Autobauer Mercedes-Benz, der sich am stärksten für die alternative CO2-Technologie starkgemacht hatte, heißt es auf Anfrage dazu: "Wir haben uns entschieden, diese Option vorerst nicht weiter fortzuführen."
Ob sie künftig wieder eingesetzt wird, ist fraglich. "Grundsätzlich stehen wir Alternativen offen gegenüber. Entscheidend für den Einsatz natürlicher Kältemittel ist eine ganzheitliche Bewertung", so der Konzern. Hier seien Faktoren wie Sicherheit, Nachhaltigkeit, Verbrauch, Geräuschemission, Robustheit und Qualität entscheidend.
Auf die Frage, wie hoch Mercedes-Benz die Gefährlichkeit des Abbauproduktes TFA einschätzt, gab der Konzern nur eine ausweichende Antwort: Zu den Auswirkungen von TFA und den Folgen etwa für Natur und Umwelt verwies er auf "zahlreiche Studien, die sich hiermit wissenschaftlich auseinandersetzen".
Kältemittel und Klima
In der EU dürfen Klimaanlagen in Neuwagen seit 2017 nur noch mit klimafreundlichen Kältemitteln angeboten werden. Das bis dahin weltweit in den Klimaanlagen genutzte Kältemittel Tetrafluorethan (R134a) ist problematisch, da es als starkes Treibhausgas wirkt, wenn es in die Atmosphäre gelangt – etwa durch Leckagen in den Klimaanlagensystemen, bei Unfällen, beim Befüllen und bei der Entsorgung. Das "Treibhauspotenzial" von R134a ist rund 1.300-mal höher als das des Klimagases Kohlendioxid (CO2).
Als Nachfolger durchgesetzt hat sich weltweit die von den US-Chemiekonzernen Chemours und Honeywell produzierte fluorhaltige Chemikalie Tetrafluorpropen (R1234yf). Deren Treibhauspotenzial ist deutlich geringer als die des früher verwendete Kältemittels, nämlich nur wenig höher als das von CO2 (statt 1.300-mal). Umweltexperten halten jedoch Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln wie CO2 oder auch Propan – wie heute in Kühlschränken üblich – für weit umweltfreundlicher.
Das UBA, das Studien dazu durchgeführt hat, bezieht eine klare Position: Es fordert gemeinsam mit den weiteren Behörden in dem bei der EU-Agentur eingereichten Vorschlag zu den Ewigkeitschemikalien, das umstrittene Kältemittel nach einer Übergangsfrist von 6,5 Jahren in Neuwagen endgültig zu verbieten.
Dabei wird davon ausgegangen, dass es in dieser Zeit für alle Autobauer möglich ist, komplett auf die alternative Technologie umzusteigen. Für Bestandsfahrzeuge soll die Frist 13,5 Jahre betragen, in der zum Beispiel das Nachfüllen des Kältemittels weiter möglich sein soll.
Der frühere Greenpeace-Campaigner Wolfgang Lohbeck, der bereits 2008 mit der Umweltorganisation in einer Kampagne den Verzicht auf fluorbasierte Kältemittel wie Tetrafluorpropen gefordert hatte, plädiert für eine kürzere Übergangsfrist bei Neuwagen. Lohbeck sagte gegenüber Klimareporter°: "Mercedes hat die CO2-Klimaanlagen innerhalb von drei Jahren entwickelt, Audi war ähnlich schnell."
Ein Umstieg auf die neuen Anlagen sei binnen drei Jahren machbar, denn dann könnten sie auch bei anderen Autoherstellern serienreif sein. "Das wäre eine große Chance für die deutsche Autoindustrie, die hier einen Entwicklungsvorsprung hat", meinte der Experte.