Tief unter den Straßen der Stadt Prenzlau liegt eine warme, wasserführende Schicht aus Sandstein. Das hatten Bohrtrupps schon zu DDR-Zeiten erkundet, als sie hier nach Erdöl suchten. Den fossilen Energieträger fanden sie dabei zwar nicht.
Doch das Thermalwasser, das hier etwa 45 Grad warm ist, ließ sich gut für die Wärmeversorgung der Stadt verwenden. Dazu wurde es in eine oberirdische Heizzentrale gepumpt und mit Wärmepumpen auf ein höheres Temperaturniveau gebracht.
Später ist diese geothermische Wärmeversorgung im nördlichen Brandenburg wieder eingestellt worden. Die Technik war noch störanfällig und der Strom für die Pumpen teuer. Das Wärmesystem wurde auf Erdgas umgestellt, das damals noch als umweltfreundlicher Energieträger galt.
Inzwischen hat sich viel geändert. Die Stadtwerke Prenzlau arbeiten jetzt wieder daran, die Wärmeenergie aus dem 1.000 Meter tiefen Untergrund für die Versorgung der Stadt zu erschließen. Dabei können sie eine der früheren Bohrungen erneut nutzen. Darüber berichtete Maximilian Zingelmann, Leiter des Bereichs Netzbetrieb, Anfang Oktober bei der Jahrestagung des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien (FVEE) in Berlin.
Sogar die Stahlrohre der alten Bohrung konnten geborgen und überwiegend für die Wiederverwendung aufgearbeitet werden. Eine weitere Bohrung muss neu angelegt werden. Die Bohrarbeiten dafür haben Mitte Oktober begonnen.
In den nächsten vier Jahren wollen die Stadtwerke insgesamt 20 Millionen Euro investieren – davon acht Millionen Euro Fördermittel – um die neue Geothermieanlage aufzubauen und in ihr Fernwärme-Netz einzubinden.
Wasserleitende Gesteinsschichten
Günstige geologische Bedingungen für die mitteltiefe bis tiefe Geothermie finden sich auch in anderen Regionen des Norddeutschen Beckens. Die Erdöl-Erkundungsbohrungen der 1980er Jahre mit ihren Thermalwasser-Funden führten dazu, dass auch in Waren an der Müritz, Neustadt-Glewe und Neubrandenburg geothermische Heizzentralen gebaut wurden. Diese Anlagen sind heute noch in Betrieb.
Ein neues geothermisches Heizwerk kam im Jahr 2023 in Schwerin dazu. Zuletzt nahm auch eine neue Anlage in Potsdam die Wärmelieferung auf. Ihre Bohrungen reichen sogar bis in 2.000 Meter Tiefe. In Neuruppin arbeiten die Stadtwerke derzeit an einer solchen Anlage.
Geothermie in kleinen und großen Tiefen
Erdwärme kann in unterschiedlichen Tiefenbereichen erschlossen werden. Schon recht weit verbreitet sind Anlagen für die oberflächennahe Geothermie, die Wärme aus bis zu 400 Metern Tiefe gewinnt. Mithilfe strombetriebener Wärmepumpen können Einzelgebäude und Gebäudekomplexe versorgt werden.
Die mitteltiefe Geothermie ist in bis zu 1.200 Metern Tiefe möglich. Hier kann eine größere Wärmenergie gewonnen werden, die mit Großwärmepumpen auf das notwendige Temperaturniveau von Fernwärmenetzen gebracht werden kann.
Die tiefe Geothermie arbeitet mit Bohrungen, die bis in mehrere tausend Meter tiefe Gesteinsschichten reichen. Hier werden Temperaturen von 60 bis 150 Grad erreicht, die nicht nur die Bereitstellung von Fernwärme, sondern mitunter auch eine Stromproduktion ermöglichen.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich die tiefe Geothermie vor allem im Großraum München gut entwickelt. Der Untergrund dieser Region ist durch das Süddeutsche Molassebecken geprägt und verfügt in größerer Tiefe über gut wasserleitende Kalksteinschichten. Hier kann Thermalwasser mit besonders hohen Temperaturen gefördert werden.
So konnten die Stadtwerke München im Jahr 2021 bereits ihre sechste Tiefengeothermie-Anlage in Betrieb nehmen. Mit einer Wärmeleistung von 60 Megawatt ist sie dem Unternehmen zufolge die größte derartige Anlage Deutschlands.
In den nächsten Jahren wollen die Münchner Stadtwerke diesen Anlagenpark weiter ausbauen. Gleichzeitig planen sie, ihr Fernwärmenetz zu erweitern, um die zusätzlich gewonnene Erdwärme einbinden und an ihre Kunden liefern zu können.
Diese lokale Energiequelle wird auch von kleineren Energieversorgern der Region genutzt. Besonders weit haben sich hier die Gemeindewerke Holzkirchen ins Erdinnere vorgewagt: Sie fördern Thermalwasser aus 5.000 Metern Tiefe mit einer Temperatur von 150 Grad Celsius. Dieses Heißwasser verwenden sie nicht nur zur Fernwärme-, sondern auch zur Stromproduktion.
Stabil verfügbare erneuerbare Energie
Die Wärme aus tieferen Erdschichten könnte eigentlich einen größeren Beitrag für eine klimafreundliche Energieversorgung leisten. An geologisch geeigneten Standorten ist sie stabil verfügbar und erneuert sich ständig. Außerdem ist sie unabhängig von Wettereinflüssen, weiten Leitungswegen und geopolitischen Entwicklungen.
Dennoch spielt sie unter den erneuerbaren Energien bisher nur eine sehr kleine Rolle. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. So ist die tiefe Geothermie auf bestimmte Gebiete beschränkt, in denen sich der tiefe Untergrund dafür eignet.
Gezielte Bohrungen in große Tiefen erfordern eine sehr gründliche Vorbereitung und kosten mehrere Millionen Euro. Dieser Aufwand kann langfristig durch günstige Betriebskosten wieder ausgeglichen werden, erfordert aber erst einmal einen langen Atem.
Dabei gibt es auch immer wieder Überraschungen im Untergrund: Eine Bohrung kann sich als ergiebiger erweisen als gedacht, aber auch Fehlschläge sind möglich. Das ist ein Risiko, das bewältigt werden muss.
Politische Unterstützung
Auch die Planungs- und Genehmigungsprozesse gelten als kompliziert. Um sie zu vereinfachen, hatte schon die Ampel-Regierung ein "Geothermie-Beschleunigungsgesetz" entworfen. Die aktuelle Bundesregierung hat dazu inzwischen einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet und in den Bundestag eingebracht. Dort könnte er demnächst beschlossen werden.
Auch in einigen Bundesländern gibt es Unterstützung für die Branche. So hat Nordrhein-Westfalen einen "Masterplan Geothermie" aufgelegt. Dazu gehört ein Explorations- und Bohrprogramm, mit dem das Land den Untergrund erkundet. Außerdem sollen Geothermieprojekte gefördert und die Risiken von Fehlbohrungen abgesichert werden.
In Brandenburg hat das Energieministerium kürzlich eine Seismik-Kampagne bei Cottbus gestartet, um in der Tiefe nach warmen wasserführenden Schichten zu suchen – sogenannten Aquiferen. Dabei werden spezielle Vibro-Trucks eingesetzt, die künstliche seismische Wellen in den Untergrund schicken.
Dort treffen die Wellen auf unterschiedliche Gesteinsschichten, die sie jeweils auf eine bestimmte Art reflektieren und zur Erdoberfläche zurückschicken. Daraus lassen sich dann die Eigenschaften dieser Schichten ermitteln.
Erste seismische Untersuchungen für die tiefe Geothermie hatte es im Juli auch in Berlin gegeben. Damit sollten spätere großflächige Messungen und Bohrungen vorbereitet werden. Die Senatsverwaltung verfolgt das Ziel, dass ab dem Jahr 2030 die ersten Heizzentralen mit der Tiefenwärme in Betrieb gehen können.
