Deutsches Forschungsschiff während eines CO2-Freisetzungsexperiments des Geomar in der Nordsee. (Bild: Peter Linke/​Geomar)

Ab in die Erde damit – Deutschland soll unterirdische Deponien für das Treibhausgas CO2 bekommen. Der bisherige grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat dieses Thema stark gepusht, und auch die nun antretende "kleine Groko" unter Friedrich Merz (CDU) verfolgt das Thema intensiv.

Im Entwurf für den schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es: "Wir werden umgehend ein Gesetzespaket beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht."

Die Potenziale und Risiken der bisher favorisierten CO2-Verpressung unter der deutschen Nordsee hat ein Forschungsverbund untersucht, und er mahnt jetzt in einem Zwischenbericht: Aufgrund der begrenzten Kapazitäten und möglicher Umweltrisiken solle dort nur jene CO2-Restmenge deponiert werden, "deren Entstehung sich trotz konsequenter Klimapolitik nicht vermeiden lässt". Für die von Schwarz-Rot geplanten Erdgaskraftwerke könnte es damit eng werden.

Die künftigen Koalitionäre betonen in ihrem Vertragsentwurf, die CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologien ergänzten den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie energieeffiziente Produktionsprozesse als "unerlässliche Instrumente für das Ziel der Klimaneutralität". Diese "Netto-Null" bei den Treibhausgasen soll bekanntermaßen bis 2045 erreicht werden.

Konkret wollen Union und SPD die Einlagerung unter der Nordsee erlauben, wobei küstennahe Zonen ausgenommen werden sollen. Allerdings geht es auch um mögliche CO2-Endlager unter dem Festland, "wo geologisch geeignet und akzeptiert" – die Bundesländer sollen ihre Einrichtung per "Länderklausel" erlauben können.

Durchsetzbarkeit von CCS an Land bleibt fraglich

Laut einem Habeck-Gesetzentwurf für ein neues Kohlendioxid-Speichergesetz aus dem vorigen Jahr sollte die CO2-Einlagerung in Deutschland nicht an Land, sondern nur auf See ermöglicht werden – und zwar unter der Nordsee. Endlager unter dem Festland schienen Habeck wohl zu heikel.

Frühere Pläne für solche Deponien, etwa des Stromkonzerns RWE in Schleswig-Holstein vor rund 15 Jahren, waren an massiven Protesten in der Bevölkerung gescheitert. Das danach unter der schwarz-gelben Bundesregierung 2013 verabschiedete und noch gültige CO2-Speichergesetz schließt eine CO2-Endlagerung hierzulande praktisch aus.

Das CCS-Untersuchungsgebiet (A) liegt mitten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands. (Bild: Rita Erven/Geomar nach Karten des BSH)

Ob sich CCS an Land inzwischen leichter durchsetzen ließe, ist sehr fraglich. Die Option Nordsee erscheint daher am realistischsten.

Untersucht wird diese Möglichkeit seit vier Jahren von dem Forschungsverbund "Geostor", wobei es speziell um Speichermöglichkeiten in den Sandstein-Formationen tief unter der dem deutschen Teil des Meeres geht. Dass sich dieses poröse Gestein grundsätzlich für die Aufnahme des Gases CO2 eignet, ist klar.

Es sei durchaus möglich, dort "große Mengen" davon unterzubringen, ermittelten die Fachleute, es gehe um "ein Speicherpotenzial von 0,9 bis 5,5 Milliarden Tonnen". Zum Vergleich: Der gesamte deutsche CO2-Ausstoß beträgt derzeit rund 570 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Kapazität unter der Nordsee entspräche im ungünstigsten Fall also nicht einmal zwei aktuellen Jahresmengen.

Das macht schon klar, dass der Platz dort wirklich nur für die nicht vermeidbaren Restmengen an CO2 reicht, die etwa bei der Zement- und Kalkproduktion oder bei der Müllverbrennung anfallen. Sollten hierzulande, wie von der zukünftigen Groko geplant, zwecks Vorsorge gegen "Dunkelflauten" im Erneuerbaren-Stromsystem 20 Gigawatt an Erdgas-Kraftwerken gebaut werden, wären die hier anfallenden CO2-Mengen kaum unterzubringen.

Insgesamt ist die Speicherkapazität kleiner als in den norwegischen, britischen und dänischen Sektoren der Nordsee, in denen ebenfalls CO2 aus deutschen Quellen gespeichert werden könnte.

Entweichen von CO2 bislang nicht ausgeschlossen 

Das Geostor-Projekt, an dem acht Forschungs- und Partnerinstitutionen mitgearbeitet haben, machte klar, dass bei Weitem nicht die ganze deutsche Nordsee-Fläche für CCS genutzt werden kann. So sind zum Beispiel Naturschutzgebiete wie das Wattenmeer tabu, außerdem muss berücksichtigt werden, dass große Gebiete bereits für Windparks, die Schifffahrt und das Militär genutzt werden oder dafür verplant sind (Bild oben).

"Dort kann nur dann CO2 gespeichert werden, wenn Konzepte für eine Mehrfach-Nutzung entwickelt werden", heißt es im Zwischenbericht. Das Gas könnte danach zum Beispiel unterhalb von erst noch geplanten Windparks eingelagert werden.

So soll die CO2-Speicherung in Sandsteinformationen unter der Nordsee funktionieren. (Bild: Rita Erven/Geomar, CC by 4.0)

Zudem ist es laut den Geostor-Erkenntnissen wichtig, Vorkehrungen zu treffen, damit eingespeichertes Gas später nicht wieder aus dem Speichergestein in die Atmosphäre entweichen kann. Bislang kann nicht ausgeschlossen werden, dass das passiert – wodurch die positive Klimawirkung beeinträchtigt würde.

Die Fachleute stellten zum Beispiel fest, dass an einigen, in früheren Jahrzehnten angelegten Bohrungen im Nordseeboden Erdgas entweicht, das sich in den oberen 1.000 Metern des Meeresbodens angesammelt hat. "Ob die Bohrlöcher auch ein Risiko für künftige, tieferliegende CO2-Lagerstätten darstellen, muss im Einzelfall überprüft werden", heißt es bei Geostor. Die CO2-Lager sind in Tiefen von rund 2.000 bis 3.000 Metern geplant.

Für die praktische Umsetzung ist interessant, dass die Geostor-Fachleute ein Überwachungssystem entwickelt haben, durch das zukünftige Betreiber der CO2-Speicher "nahezu in Echtzeit" von natürlichen und betriebsbedingten Erschütterungen im Untergrund erfahren können.

Zudem gelte es, den Lärm bei Arbeiten unter Wasser zu minimieren, etwa bei der Erkundung und Überwachung der Lagerstätten. Viele Meerestiere reagieren empfindlich auf Lärm, ein Problem, das auch bisher schon beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen berücksichtigt werden muss.

"Möglicherweise muss Deutschland vor Norwegen deponieren"

Ein führender Wissenschaftler bei Geostor ist Klaus Wallmann vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar). Er verweist darauf, dass die potenziellen Gebiete für eine CO2-Speicherung unter der Nordsee nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes erst einmal genau erkundet werden müssen, was mehrere Jahre dauern werde.

Daher wird auch über einen CO2-Export an andere Nordsee-Anrainer wie Norwegen, Dänemark und die Niederlande diskutiert. "Möglicherweise wird Deutschland in Norwegen deponieren müssen, da die Norweger am weitesten sind und über die größten Speicherpotenziale verfügen", sagte Wallmann gegenüber Klimareporter°.

Die Kosten dabei seien allerdings hoch. Das Gas in flüssigem Zustand per Pipeline dorthin zu transportieren, würde wegen des hohen Aufwands sehr teuer werden, meint der Experte.

 

Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre hatte im vorigen Jahr angeboten, sein Land könne den gesamten europäischen CO2-Ausstoß über Jahrzehnte speichern, unter anderem, in dem leergeförderte Erdgas- und Erdöllager dafür umgerüstet werden. Tatsächlich ist das skandinavische Land ein Vorreiter bei der Technologie.

So betreiben dort die Energiekonzerne Equinor (früher Statoil), Shell und Total das gemeinsame Projekt "Northern Lights", in dem das Treibhausgas in einer Tiefe von etwa 2.600 Metern unter dem Meeresboden gespeichert wird. Genehmigt ist inzwischen ein jährliches Speichervolumen von fünf Millionen Tonnen CO2.

Zu den Kunden, die ihr Gas dort unterbringen oder unterbringen wollen, gehören der norwegische Düngemittelriese Yara, das Energieunternehmen Stockholm Exergi und der dänische Energiekonzern Ørsted (ehemals Dong). Der US-Softwarekonzern Microsoft will hier "negative Emissionen" erzeugen.

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