Einige Menschen auf einem Waldweg, im Hintergrund ein Waldbrand mit starker Rauchentwicklung.
Waldbrände wie hier in Brandenburg sind wegen Munitionsbelastung oft schwer zu bekämpfen. (Foto: Fred Grunwald)

Klimareporter°: Herr Müller, werden wir aufgrund der Klimakrise in Zukunft zunehmend mit großen Waldbränden zu kämpfen haben?

Michael Müller: Es wird Sie vielleicht erstaunen, aber wir haben seit den 1970er Jahren ein deutlich abnehmendes Waldbrandgeschehen in unseren Wäldern. Trotzdem ist ein großer Brand immer ein Ereignis, das die Menschen und Medien aufregt und bewegt. Waldbrände sind in Mitteleuropa immer eine riesige Katastrophe für die Umwelt. Da gelangt nicht nur CO2 in die Atmosphäre, sondern auch andere Treibhausgase, außerdem werden Feinstaub ohne Ende und echte Gifte frei.

Bei über 99 Prozent aller Waldbrände, die wir in Deutschland haben, beherrschen wir das Geschehen innerhalb der ersten zwei Stunden und halten die Waldbrandflächen in der Ausdehnung unter einem Hektar. Ausnahmen gibt es vor allem in besonderen Gebieten. Das sind in erster Linie Munitionsverdachtsflächen, aber auch Gebirgswälder, die nicht so leicht zugänglich sind.

Wie lassen sich große Waldbrände effektiv vorbeugen?

Wichtig ist die Überwachung. Dafür werden im Tiefland Kameras betrieben. Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und auch Nordsachsen haben solche Kamerasysteme. Die sind in 30 bis 50 Metern Höhe installiert, an Masten von Mobilfunkfirmen oder an Gebäuden.

Das sind in Deutschland so um die 150. Allein in Brandenburg gibt es über 100 Kameras sowie zwei Waldbrandzentralen. Mithilfe dieser Systeme und der Mitwirkung von Waldbesucher:innen entdecken wir Waldbrände innerhalb von zehn Minuten nach Entstehung, die ersten Bekämpfungskräfte sind innerhalb von 15 Minuten nach Alarmierung vor Ort.

Diese Tiefland-Überwachungssysteme sind aber in Berglagen wie der Sächsischen Schweiz, wo es diesen Sommer einen großen Waldbrand gab, nicht funktionsfähig – oder?

Genau, im Gebirge ist es schwieriger. Da kann so ein Kamerasystem nicht funktionieren, denn wenn es in einer Schlucht brennt, können die Systeme das meist nicht erkennen. Wenn es unten ein Feuer gibt und die Rauchwolke aufsteigt, ist das Rauchgas oftmals schon zu ausgedünnt, bevor es in den Himmel steigt, und kann nicht entdeckt werden.

Welche Möglichkeiten, Brände zu erkennen, gibt es denn in den Bergen?

Dafür müssen wir uns dafür etwas Neues einfallen lassen. Es gibt viele Forschungsideen dazu, wie man die Kameras anpassen kann. Aber dann muss man es so machen, dass man in die Täler hineinblicken kann, oder spezielle Sensoren verwenden, die Rauchgase analysieren – auch wenn diese ausgedünnt sind.

Ich habe auch den vielleicht gar nicht so verrückten Gedanken, bei einer besonders hohen Brandgefahr vorübergehend einen großen Fesselballon in hinreichend großer Höhe über das Elbsandsteingebirge oder andere nur zeitweise waldbrandgefährdete Berggebiete wie den Nationalpark Harz zu setzen. Die Ballons müssten dann mit der Ausrüstung für den Betrieb der Funknetze und Wärmebildkameras zur Brandüberwachung ausgestattet sein.

Abgesehen von der Überwachung, welche Möglichkeiten haben wir noch, um Bränden vorzubeugen oder sie schnell einzudämmen?

Porträtaufnahme von Michael Müller, Professor für Waldschutz an der TU Dresden.
Foto: TU Dresden

Michael Müller

stammt aus Liebe­rose (Branden­burg) und leitet die Professur für Wald­schutz an der Technischen Universität Dresden. Er lehrt und forscht unter anderem zu Wald­bränden in Mittel­europa sowie zu biotischen Schad­faktoren und deren natur­naher Regulation im Wald.

Wichtig ist auch, Wege zu erschließen, über die man schnell zum Brandherd kommt. Das ist eine vorbeugende Maßnahme, die ständig zu betreiben ist. Denn der Kampf gegen den Waldbrand wird am Boden gewonnen, nicht in der Luft.

Löschflugzeuge sind eine gute Sache, sie kühlen die Feuerfront und unterstützen so die Bodenkräfte. Aber aus der Luft allein kann man keine Waldbrände löschen.

Wichtig wäre auch eine bessere Bevorratung mit Löschmitteln. Das ist in erster Linie Wasser in vorhandenen Gewässern, künstlichen Teichen oder Zisternen, aber auch in temporären Behältern, die von Hubschraubern abgesetzt werden. Zum Löschen gibt es aber auch noch andere Optionen.

Zum Beispiel?

Ich träume davon, dass wir eine Technologie, die schon vor mehr als fünfzig Jahren existierte, wieder aufbauen: Schaumbarrieren, die mehrere Meter breit und bis zu einem Meter hoch sind. Da geht kein Feuer durch. Dafür gibt es heute sehr umweltfreundliche, gut abbaubare Substanzen.

Im Falle des Falles zählt immer eins: So schnell wie möglich reagieren. Je kleiner der Brandherd von Anfang an gehalten wird, umso einfacher ist es, ihn in den Griff zu bekommen.

Nach den Bränden in der Sächsischen Schweiz gab es Kritik, dass das Totholz im Nationalpark die Brände verschlimmert habe. Wie bewerten Sie das?

Die dicken Bäume, die dort liegen – das Holz, das die Leute sehen – haben kaum gebrannt. Totes Holz brennt erst richtig, wenn der Querschnitt der Stämme unter sieben Zentimetern ist. Die dicken Stämme sind zwar oberflächlich verkohlt, aber sie brennen nur, solange das Bodenfeuer brennt.

Was immer brennt, das sind die Humusauflage, die Laubstreu, die Bodenvegetation und das feine Zweigmaterial. Dieses Feinmaterial müssten wir wegräumen, wenn wir etwas beräumen wollten, um die Brandlast deutlich zu verringern. Das ist aber weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll – und auch gar nicht zu bewältigen. Schließlich wissen wir in diesen Fällen auch nicht, wo sich der nächste Waldbrand ereignen wird.

Mit der Beurteilung, ob das Totholz gut oder schlecht war, muss man sehr vorsichtig sein. Da gibt es viel Forschungsbedarf. Aber eine Aussage, glaube ich, stimmt: Ob Totholz dalag oder nicht – es hat an einigen Stellen etwas intensiver gebrannt, aber für die Geschwindigkeit der Brandausbreitung hat das keine große Rolle gespielt.

Welche Zukunft haben die Wälder in Deutschland angesichts der Waldbrände?

Wir haben die Pflicht zum Optimismus. Es gibt dazu keine Alternative. Im Augenblick zweifle ich zwar manchmal an der Vernunft mancher Menschen, aber gerade was den Wald betrifft, können wir große Erfolge vorweisen.

Und wenn es durch den Klimawandel wärmer wird, wird zwar die Zündfähigkeit von Substraten länger hoch bleiben, das bedeutet aber nicht, dass es brennt. Denn eine Selbstentzündung gibt es nicht. Waldbrände werden fast immer von Menschen verursacht.

Möglicherweise werden im Zuge des Klimawandels ein paar Waldbrände mehr auftreten, aber ob diese Brände größer werden, liegt an uns. Vor allem müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit wir auch in munitionsbelasteten Gebieten löschen können – mit autonomer Löschtechnik und anderen Technologien, die autonom wirken oder ferngesteuert sind.

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