Der Photovoltaik-Boom in Deutschland ist ungebrochen. Im Jahr 2024 gab es sogar einen neuen Rekord beim Zubau der Solarstrom-Anlagen.
Das zeigen Auswertungen von Daten der Bundesnetzagentur durch das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster und den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Es wurden fast 17.000 Megawatt neu in Betrieb genommen, wozu alle Anlagentypen vom kleinen Balkonkraftwerk bis zur Großanlage beitrugen.
Bereits zum zweiten Mal wurde damit die Marke von einer Million neuen Solaranlagen pro Jahr überschritten, und ebenfalls erneut kamen mehr als 15.000 Megawatt hinzu.
Das bedeutet eine annähernde Verdoppelung selbst gegenüber den früheren Rekordjahren zu Beginn des letzten Jahrzehnts: 2012 waren es rund 7.600 Megawatt gewesen. Danach setzte eine Flaute ein, ausgelöst durch starke Förderkürzungen der damaligen unionsgeführten Bundesregierung.
Die Gesamt-Nennleistung aller installierten Solarstromanlagen kletterte bis Ende 2024 nach den aktuellen Daten im sogenannten Marktstammdatenregister der Netzagentur (Stand: 28. Dezember) auf über 99.200 Megawatt. Wegen erwarteter Nachmeldungen könnte die Marke von 100.000 Megawatt sogar fast erreicht sein.
Alle Anlagen zusammen lieferten 2024 laut BSW rund 14 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms, 2023 waren es zwölf Prozent gewesen.
"Die Energiewende ist bei den Menschen angekommen"
In nur drei Jahren, 2022 bis 2024, wurden Solaranlagen mit rund 40.000 Megawatt ans Stromnetz angeschlossen. Zu diesem Aufschwung haben vor allem drei Faktoren beigetragen: eine starke Verbilligung der Solarmodule auf dem von China beherrschten Solar-Weltmarkt, die verbesserte Förderpolitik der Ampel-Bundesregierung und das starke Interesse von Investoren, von Privathaushalten bis Stromkonzernen.
"Mit der preisgünstigen Photovoltaik ist die Energiewende direkt bei den Menschen angekommen und zu einem Mitmach-Projekt geworden", sagte IWR-Experte Norbert Allnoch dazu.
Laut dem Branchendienst hält vor allem der Trend zu den Balkonkraftwerken bis zwei Kilowatt Leitung weiter an, die Zahl der neuen Anlagen stieg hier um 41 Prozent auf über 430.000 (2023: rund 305.000). Auch die Leistungskategorie von zwei bis 30 Kilowatt, worunter die typischen Hausdach-Anlagen fallen, ist weiter sehr beliebt, es wurden etwa 575.000 Anlagen mit 6.100 Megawatt Nennleistung errichtet.
Ein weiterer Trend ist die deutliche Zunahme an Großkraftwerken über fünf Megawatt, hier kamen rund 370 hinzu (2023: 270) mit zusammen 5.100 Megawatt (2023: 3.400 Megawatt).
Der Solarboom treibt die Energiewende im Stromsektor kräftig voran. So wurde 2024 hierzulande eine Rekordmenge an grüner Elektrizität produziert, in der öffentlichen Stromerzeugung betrug ihr Anteil nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg bereits 62,7 Prozent. 2023 waren 59,7 Prozent gewesen.
"Der deutsche Strommix ist so sauber wie nie", schreibt das ISE in einer Mitteilung dazu. Hauptquelle des Ökostroms ist dabei aber weiterhin die Windkraft an Land.
Solaranlagen sollen bei Überproduktion vom Netz gehen
Allerdings hat der Solarboom auch Schattenseiten, die eine Reaktion erfordern. So hilft die Photovoltaik zwar grundsätzlich, die Mittagsspitze des Stromverbrauchs abzudecken, da sie gerade dann – bei hochstehender Sonne – die höchste Leistung liefert.
Allerdings kann es bei voranschreitender Energiewende immer häufiger dazu kommen, dass die Solaranlagen zeitweise mehr Strom produzieren, als verbraucht werden kann. Zwei große Solar-Installationsfirmen, Enpal und 1 Komma 5 Grad, warnten unlängst sogar vor der Gefahr regionaler Blackouts bereits 2025, nämlich zu Ostern und Pfingsten, bei niedrigem Verbrauch im Netz.
Andere Fachleute sehen die Lage zwar noch nicht so dramatisch, etwa der Elektrotechnik-Verband VDE. Dass durch die Photovoltaik immer mehr nicht regelbare Leistung ins Netz drängt, könne "vielleicht nicht 2025, jedoch irgendwann zu einer Gefahr für die Netzstabilität führen", meint VDE‑Experte Frank Borchardt.
Auch Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, fordert eine schnelle Lösung des Problems. "Um die Netzstabilität gewährleisten zu können, muss zeitnah die technische Möglichkeit geschaffen werden, alle neuen und später auch alle bestehenden Solaranlagen im Bedarfsfall abregeln zu können", so der Experte gegenüber Klimareporter°.
Außerdem komme Batteriespeichern noch größere Bedeutung zu, da sie Solarüberschüsse vom Mittag in die Nacht verschieben können.
Als weiteren wichtigen Punkt sieht Quaschning die schnelle Einführung von variablen Stromtarifen. Durch sie könne man den Stromverbrauch bei Solarüberschüssen gezielt steigern – etwa, indem gezielt E‑Autos bei niedrigen Stromkosten geladen werden.
Erkannt hatte die Ampel-Bundesregierung die Probleme durchaus. Entsprechende Neuregelungen unter anderem im Energiewirtschaftsgesetz brachten SPD und Grüne nach dem FDP-Ausstieg jedoch erst kurz vor Weihnachten ins Parlament. Ob sie noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden, hängt vor allem an der Union. Ansonsten ist es der Job der nächsten Bundesregierung.
Debatte über Stromimporte geht weiter
Heftig debattiert wird auch darüber, inwieweit Deutschland durch den Boom der Erneuerbaren mit ihrer schwankenden Einspeisung und die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke im Frühjahr 2023 stärker von Stromlieferungen – und damit auch von Atomstrom aus Frankreich – abhängig geworden ist.
David Stadelmann, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Bayreuth, zum Beispiel wirft der deutschen Energiepolitik "Denkfehler" und "Systemversagen" vor. Er kritisiert laut FAZ, der teure Ausbau der erneuerbaren Energien führe einerseits bei entsprechendem Wetter zu einem riesigen Angebot, weil wegen der Einspeisevergütung auch bei schwacher Nachfrage produziert werde. An solchen Tagen müssten große Strommengen verschenkt oder ausländische Abnehmer bei negativen Strompreisen sogar dafür bezahlt werden, dass sie ihn überhaupt abnehmen.
Andererseits habe Deutschland bei Dunkelflauten zu wenig Grünstrom und auch "zu wenig regelbare Kapazitäten, etwa Gas- oder Kernkraftwerke", ebenso fehlten Stromspeicher. Dann müsse Strom zumeist teuer importiert werden.
"Natürlich hat der Kernkraftausstieg zu Wohlstandsverlusten geführt, während man gleichzeitig Atomstrom aus Frankreich einführt", wird Stadelmann in der FAZ zitiert. "Das wäre so, als wenn man aus politischen Gründen deutsche Autofabriken schließt und dann Autos aus Frankreich importiert."
Tatsächlich sind die deutschen Netto-Stromimporte laut Bundesnetzagentur 2024 angestiegen, wobei die Hauptlieferländer Frankreich, Dänemark, die Schweiz und Norwegen waren. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen die Importe um gut 23 Prozent zu, und die Exporte sanken um zehn Prozent.
Die Netzagentur betonte hierzu allerdings, dass Deutschland "über ausreichend Stromerzeugungskapazitäten" verfüge. Strom werde in aller Regel dann importiert, wenn die inländische Produktion teurer wäre.
Erneuerbaren-Experte Quaschning bemerkt dazu, dass die Stromimporte auch jetzt noch "im Vergleich zu Importen von Mineralölprodukten oder Erdgas sehr gering" seien. "Es erschließt sich mir nicht, warum eine so intensive Diskussion darüber geführt wird."
Auch er betont die Einbettung Deutschlands in den europäischen Stromhandel: "Bei Leistungsdefiziten in Deutschland wird derzeit auch Atomstrom aus Frankreich importiert, bei Defiziten in Frankreich wird hingegen erneuerbarer Strom und Kohlestrom aus Deutschland dorthin exportiert."
Dies könne von Jahr zu Jahr variieren. Quaschning erinnert daran, dass die Bundesrepublik 2022 große Strommengen nach Frankreich lieferte, als dort ein Großteil der AKW-Flotte wegen nötiger Reparaturen ausgefallen war.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Die Sonne bringt's