Bevor wir die Spülmaschine anschalten, wird geschaut: Was kostet uns der Strom im Moment? Und was wird er in zwei, drei Stunden kosten?
Ich habe einen dynamischen Stromvertrag. Der Strompreis, den ich zahle, ist an den Börsenstrompreis im sogenannten Day-Ahead-Handel gekoppelt. Ich sehe also bis zu 24 Stunden im Voraus, wann Strom günstige 15 oder teure 38 Cent kostet. So groß war in diesem Sommer ab und zu die preisliche Spreizung.
Zu berücksichtigen ist dabei: Die genannten Cent-Preise werden einschließlich der in den Niederlanden gültigen Steuern und Abgaben auf Strom angezeigt. Das heißt: Bei einem Preis von 15 Cent kostet der eigentliche Strombezug wenig bis nichts. Das passiert natürlich dann, wenn Sonne und Wind viel einspeisen.
Eigentlich muss ich aber gar nicht mehr selbst nach dem Strompreis schauen. Seit mehr als einem Jahr steht in meinem Keller eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie mit einer Speicherkapazität von 20 Kilowattstunden.
Die speichert den Strom, wenn er günstig ist, und speist ihn ins Netz ein, wenn der Strompreis hoch ist. Damit das gut klappt, verfüge ich über einen Dreiphasen-Anschluss mit 400 Volt ("Starkstrom"). So kann die Batterie mit einer Leistung von rund 10.000 Watt ein- und ausspeisen. Dazu kommt noch eine kleine Photovoltaik-Anlage mit 2,4 Kilowatt Nennleistung auf dem Dach.
Auch die Batterie steuere ich nicht selbst, sondern das macht das Unternehmen, das meine Batterie installiert hat und mit dem ich auch den dynamischen Stromvertrag abgeschlossen habe.
Drei mögliche Einnahmequellen
Möglich wird diese Fernsteuerung durch Digitalisierung: Im Zählerkasten hängt ein intelligenter Stromzähler, der dem Stromversorger nicht nur in Echtzeit zeigt, was ich verbrauche oder mit meiner Photovoltaik-Anlage einspeise, sondern via Zähler kann das Unternehmen auch die Batterie steuern.
Im Tagesverlauf die zeitlichen Preisunterschiede nutzen, das ist die erste Variante, mit der meine Batterie Geld verdient. Dazu muss ich meinen Verbrauch an das Stromangebot gelegentlich anpassen.
Die zweite Einnahmequelle ist: Ich kann meinen eigenen Solarstrom ebenfalls speichern und den Eigenverbrauch in die Abendstunden verschieben. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach ist auch bei uns nach Süden ausgerichtet. Wie bei vielen anderen Solarhaushalten erzeugt die Anlage gerade in der Mittagszeit den meisten Strom.
Diesen Strom kann meine Batterie speichern und erst am Abend einspeisen, wenn er gebraucht wird. Das ist, was Energie-Experten wie Volker Quaschning oder Tim Meyer schon lange auch für Deutschland empfehlen.
Die vielen bereits existierenden Heimbatterien in Deutschland können ihr Potenzial nicht nutzen, weil es an Steuerung und Preisanreizen für eine netzdienliche Fahrweise fehlt. Deswegen ist es in Deutschland bislang vielen Solarhaushalten ziemlich egal, wenn ihre Batterie im Sommer um 12 Uhr schon voll ist und sie den Strom mittags ins Netz einspeisen müssen.
Batterien helfen bei der Frequenz-Stabilisierung
Auch hierbei können dynamische Strompreise hilfreich sein. In den Niederlanden bezahlt man mit so einem Tarif nicht nur stündlich einen anderen Verbrauchspreis, sondern bekommt auch mehr oder weniger Erlös für die Einspeisung, je nach Börsenstrompreis.
Diese intelligente Speicherung des Photovoltaik-Stroms übernimmt das System meines Stromlieferanten übrigens ebenso automatisch. Ursprünglich war das Unternehmen Zonneplan, das meine Batterie steuert, ein Photovoltaik-Installateur. Heute managt es als eines der ersten Unternehmen in den Niederlanden Heimspeicher im großen Stil.
Martin Unfried
ist seit Mitte Oktober Direktor des Instituts für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM an der Universität Maastricht in den Niederlanden. Der studierte Politikwissenschaftler ist auch als Kolumnist für die Zeitung Taz und andere Medien bekannt.
Auch in Deutschland wird dieses Modell von einigen Firmen bereits angeboten, die bei ihren Kunden den Solarstrom speichern und mit den Preisunterschieden am Day-Ahead-Markt Erlöse erzielen.
Das gilt nicht für eine dritte Dienstleistung, die meine Batterie ermöglicht. Diese ist bisher finanziell für mich die attraktivste: der Handel auf dem sogenannten Balancing-Markt.
Mein Stromlieferant Zonneplan setzt die Kapazität tausender Batterien zur Frequenz-Stabilisierung ein – immer dann, wenn der Netzbetreiber diese braucht.
Das ist im hier geschilderten Fall das Unternehmen Tennet, das dieses "Balancing" vergütet. Mein Stromlieferant teilt sich dann die Einkünfte mit mir.
Ist das alles finanziell interessant? Nur mit den Schwankungen des Börsenstroms oder mit der zeitlichen Verschiebung des eigenen Solarstroms Geld zu sparen oder zu verdienen, ist nicht so lohnend. Dazu ist die preisliche Spreizung oft nicht groß genug. Bisher habe ich vor allem an der Frequenzdienstleistung verdient.
Nicht ohne Risiko
Ohne Risiko sind die Investitionen in eine leistungsfähige Haus-Infrastruktur aber nicht. In die Batterie habe ich um die 8.000 Euro investiert. Dieses Geld wird sich, schaut man auf das Ergebnis des ersten Betriebsjahres, voraussichtlich in fünf bis sechs Jahren zurückverdient haben.
Allerdings ist kaum vorhersehbar, wie sich der Balancing-Markt und der Day-Ahead-Handel entwickeln werden. Je mehr netzdienliche Batterien in Betrieb sind, desto geringer könnten die Schwankungen sein und damit auch die Einkünfte.
Auf gesamte Netz gesehen, sind geringere Schwankungen am Strommarkt tatsächlich sehr positiv. Je mehr Batterien in den Kellern nutzbar sind, desto schneller können die Erneuerbaren ausgebaut werden.
Bekanntlich sind Heimspeicher nur ein Baustein für ein stabileres Netz. Auch in den Niederlanden werden schon von Investoren große Speicher gebaut, die auch auf der Hochspannungsebene eine wichtige Rolle spielen sollen.
Auch viele Industriebetriebe investieren in Batterien, um bei Betriebserweiterungen ihre Spitzen zu kappen. Tennet sieht diese "Battery Energy Storage Systems" als Teil des zukünftigen Energiesystems.
Wer darüber jammert, dass Stromnetze so teuer ausgebaut werden müssen, sollte sich klarmachen, dass netzdienliches Speichern und Verbrauchen hier einiges abfedern könnte. Und dass die Erneuerbaren den Strompreis durchaus senken, besonders wenn der Strom zu diesen Zeiten auch abgenommen wird.
Verstopfte Netze in den Niederlanden
Auch in den Niederlanden gibt es erhebliche Netzprobleme. Man spricht von "Netz-Verstopfung". Das hat dazu geführt, dass manche Betriebe für ihre neuen Anlagen keinen erweiterten Stromanschluss bekommen oder etwa neue gebaute Altenheime bis 2027 auf einen Anschluss warten müssen.
Grund sind jahrelang verschleppte Investitionen in die Stromnetze, obwohl bekannt war, dass Wind und Photovoltaik massiv ausgebaut werden.
Dieser Engpass hat aber auch seine guten Seiten. Auf allen Ebenen führt er zu innovativen Ideen und Investitionen in Speicher und Nachfragesteuerung.
In Amsterdam wird beispielsweise im Viertel Sporenburg ausprobiert, ob Bewohner mithilfe einer App dazu animiert werden können, ihren Stromverbrauch an das Angebot anzupassen.
Dabei können sie mit einem Punktesystem auch Geld sparen, wenn sie eben nicht um 18 Uhr die Wäsche waschen. Oder sich eine kleine Batterie zulegen, die zur Vermeidung des Verbrauchs in Spitzenzeiten beiträgt.
Allerdings gibt es auch in Niederlanden noch viel zu tun. Zwar haben die meisten Haushalte intelligente Zähler, allerdings sind viele regionale und städtische Netze noch "blind".
Das heißt: Es braucht noch bessere Anreize, damit Verbrauch und Einspeisung auch mit der lokalen Netzsituation gekoppelt werden. Die kann nämlich angespannt sein, obwohl landesweit die Lage entspannt ist.
Auch in Deutschland sind die Preisanreize des Day-Ahead-Handels nicht auf regionale Netze abgestimmt, da es bekanntlich nur eine einzige Strompreiszone gibt.
Die bisher in Deutschland eingeführten dynamischen Netzentgelte sind ein guter Anfang – sie sind aber bisher aufgrund fehlender Digitalisierung sehr pauschal in Tageszeiten aufgeteilt.
Intelligente Zähler und intelligente Netze gehören deswegen zusammen – sie sind im Zusammenwirken der Schlüssel, damit auch in Deutschland Heimspeicher eine wichtige Rolle spielen können.
