Windpark in offener Landschaft mit Raps- und anderen Feldern.
Windparks können künftig ohne Artenschutzprüfung genehmigt werden, wenn sie außerhalb der Prüfzone liegen. (Foto: Silke Kleinhückelkotten/​SMiG/​BMBF)

Vor wenigen Wochen noch wäre ein gemeinsamer Auftritt der grünen Umweltministerin und des grünen Wirtschaftsministers, bei dem sich beide des Konfliktthemas Windkraft und Artenschutz annehmen, als deutscher Beitrag zum weltweiten Klimaschutz gefeiert worden.

Jetzt sahen sich die beiden Ressortchefs gezwungen, aus ihren neuen Eckpunkten zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land herauszulesen, wie die gesetzgeberischen Absichten dazu beitragen können, die Energieunabhängigkeit Deutschlands zu stärken.

Der Ausbau der heimischen Energieversorgung, die Deutschland von fossilen Importen zunächst aus Russland und dann generell unabhängig mache, sei inzwischen nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern auch eine der Energiesicherheitspolitik, erklärte Robert Habeck am Montag bei der Vorstellung der Eckpunkte.

Mit den neuen Regeln wollen der Wirtschaftsminister und seine Umweltkollegin Steffi Lemke eines der Hindernisse für den Windkraftausbau entschärfen: den Flickenteppich artenschutzrechtlicher Vorschriften, die sich von Bundesland zu Bundesland und in der Rechtsprechung häufig von Gericht zu Gericht unterscheiden.

Kernidee ist dabei eine klare räumliche Trennung, wo sich gefährdete Arten ausbreiten und wo Windräder aufgestellt und betrieben werden können. Man habe eine Art "Trenngesetzgebung" vorgelegt, erläuterte Habeck. So müssen künftig artenspezifische Tabubereiche berücksichtigt werden. Diese werden von einem Prüfbereich umgeben, und außerhalb davon ist dann keine weitere Prüfung mehr erforderlich. Abweichende Regelungen der Länder sollen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr möglich sein.

Änderungen in Naturschutzgesetz und EEG

Für die sogenannten windkraftsensiblen Vogelarten sei eine bundesweit verbindliche Liste geplant, kündigte Umweltministerin Lemke an. Bisher stehen auf dieser Liste nach dem Vorschlag der beiden Ministerien 16 Vogelarten. Außerdem soll es ein Artenhilfsprogramm geben, zu dem 80 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt beigesteuert werden. Zahlungen in das Programm sollen auch die Windkraftbetreiber leisten – wogegen sich die Branche bisher wehrt, die darauf verweist, dass sie schon Ausgleichsmaßnahmen für ihre vorhandenen Anlagen finanziere.

Erleichtert werden soll nach dem Willen der beiden Ressorts auch das Repowering – dabei werden vorhandene Windräder durch stärkere ersetzt. Das Errichten von Windanlagen in Landschaftsschutzgebieten soll so lange möglich sein, bis das Ziel erreicht ist, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft zu mobilisieren.

Umgesetzt werden sollen die Regelungen durch Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz und im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bis Mitte Mai soll dabei, wie zu hören war, eine sogenannte Formulierungshilfe vorliegen, die vom Bundeskabinett beschlossen und dann von den Regierungsfraktionen als Gesetzesvorschlag in den Bundestag eingebracht wird.

Den Willen der Regierung, endlich rechtsverbindliche Standards im Artenschutz zu schaffen, begrüßte am Montag die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter. Das Eckpunktepapier sei ein erster, wichtiger Beitrag – aber noch nicht der im Koalitionsvertrag zugesagte Abbau aller Hemmnisse. "Auch mit der Abwägung der Naturschutzinteressen darf die Genehmigung einer einfachen Windkraftanlage nicht länger dauern als neue Flüssiggas-Standorte", zog Peter einen aktuellen Vergleich.

Erneuerbaren-Branche bleibt skeptisch

Für Hermann Albers, Chef des Windkraftverbandes BWE, ist nicht nachvollziehbar, ob die Auswahl der künftig zu erfassenden 16 Vogelarten auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgte. "Die Bestandsentwicklung zahlreicher dieser Arten ist seit Jahren deutlich positiv, Kollisionen an Windenergieanlagen sind nachweislich seltene Ereignisse", betonte er. Das müsse berücksichtigt werden. Neben Vögeln sei auch für die Fledermausarten eine bundeseinheitliche Vorgabe erforderlich.

Wenig kompromissbereit zeigt sich Albers, was die zeitweise Abschaltung von Windrädern aus Artenschutzgründen angeht. Hier sei zu fragen, inwieweit dies wirklich artenschutzrechtlich erforderlich sei und wie stark dadurch der Stromertrag sinke und in der Folge der Ausbaubedarf steige. "Kapazitäten, die zwar gebaut, dann aber abgeschaltet sind, leisten keinen Beitrag für die Energiewende und tragen nicht zur Akzeptanz der Anlagen vor Ort bei", meinte der Windbranchenchef.

Für den BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt zäumen die Eckpunkte das Pferd von hinten auf. "Erneut wird der Schutz für bedrohte Tierarten als Begründung für zu langsame Verfahren missbraucht", erklärte der Umweltverbands-Chef. Der BUND plädiert für verbindliche Vorgaben an die Länder zur Ausweisung von naturverträglichen Windkraft-Vorranggebieten. Einhergehen müsse das mit einer Stärkung der Bürgerbeteiligung und einer besseren Personal- und Finanzausstattung im Naturschutz.

Auch für Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger versucht die Bundesregierung den Anschein zu erwecken, der Naturschutz sei ein zentraler Hemmschuh für die Energiewende. Entscheidender Fehler sei aber gewesen, den Bundesländern zu gestatten, den Ausbau der Windenergie abzuwürgen – durch beliebig hohe pauschale Mindestabstände zur Wohnbebauung, fehlende räumliche Steuerung und zu geringe Kapazitäten in den Genehmigungsbehörden.

Aus Sicht von Krüger schwächen die Eckpunkte den Naturschutz an vielen Stellen. Hier müsse dringend nachgearbeitet werden.