Leicht schockierend waren die Zahlen schon: Nur 47 Prozent des Stromverbrauchs deckten die erneuerbaren Energien in den ersten drei Monaten des Jahres. Sie erzeugten etwas mehr als 63 Milliarden Kilowattstunden, rund 16 Prozent weniger als im selben Zeitraum 2024. Die Stromerzeugung durch Wind sank dabei überproportional – auf See um fast ein Drittel und an Land um knapp ein Viertel.

Der Rückgang habe vor allem witterungsbedingte Ursachen und sei den windschwachen Monaten Februar und März geschuldet, erklärten dazu das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und der Energiebranchenverband BDEW.

 

Daraus strickten notorische Klimaskeptiker flugs die Geschichte von der "Hellflaute": Es drohe eine Abnahme der mittleren Windgeschwindigkeit – und schließlich der Kollaps der Windkraft als Rückgrat der Energiewende.

Eine generelle Abschwächung des Windes geben die Daten des Deutschen Wetterdienstes aber nicht her. In den letzten 75 Jahren schwankte die mittlere Windgeschwindigkeit in 100 Metern Höhe zwar zwischen fünf und sechs Metern pro Sekunde. Über den ganzen Zeitraum betrachtet ist aber weder über Land noch über dem Meer, wo die Windräder in der 200‑Seemeilen-Zone stehen, ein ausgeprägter Trend nach oben oder unten festzustellen, zeigt der aktuelle Energiewetterbericht des DWD.

Bei so starken Schwankungen kommen auch windschwache Zeiten vor. Diese seien nichts Ungewöhnliches, betont entsprechend der Windkraft-Branchenverband BWE. Wie sich die Winde im Jahresverlauf drehen, da ist man sich noch nicht ganz einig. Die dritten und vierten Quartale eines Jahres seien in der Regel deutlich windstärker, meint der BWE. Der DWD verortet stärkere Winde eher im Winterhalbjahr.

Wer Windkraft ausbremst, hält die Energiewende auf

Die Wind-Debatte zeigt eins erneut ziemlich klar. Der Erfolg der Energiewende hängt entscheidend von der Windkraft ab. Schwächelt sie, stehen die Erneuerbaren generell schlechter da. Das heißt auch: Gelingt es, die Windkraft auszubremsen, wird die ganze Energiewende aufgehalten.

Hier werden die Sorgenfalten der Branche derzeit größer. Im Koalitionsvertrag sicherten CDU, CSU und SPD zwar zu, die Zwischenziele des Windflächenbedarfsgesetzes (WindBG) für 2027 "unberührt" zu lassen, die Flächenziele für 2032 aber sollen "evaluiert" werden.

Ein Dutzend Windräder in einer Agrarlandschaft vor einem bewaldeten Mittelgebirge.
Windpark in Deutschland: Wie weht der Wind aus Berlin? (Bild: Angela Rohde/​Shutterstock)

Bis Ende 2027 sollen laut dem geltenden Windgesetz 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windkraft ausgewiesen sein. Das Gesamtziel wurde mit Rücksicht auf natürliche Gegebenheiten auf die Bundesländer aufgeteilt. Stadtstaaten wie Berlin müssen einen Flächenanteil von 0,5 Prozent ausweisen, Flächenländer bis zu 2,2 Prozent. Die Länder können ihre Flächenziele in gewissem Umfang untereinander übertragen.

"Viele Bundesländer werden ihre Flächen viel zeitiger als 2032 ausweisen", konnte BWE‑Geschäftsführer Wolfram Axthelm jetzt bei einem Branchentermin bilanzieren. So wollten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg schon Ende dieses Jahres ihr jeweiliges Flächenziel erreicht haben. Niedersachsen plane das bis Ende 2026.

In allen Regionen sei die Ausweisung von Windeignungsflächen auf Kurs, um das Flächenziel von zwei Prozent zu erreichen, so Axthelm weiter. Dieses Tempo müsse beibehalten werden, forderte er. Die Bundesregierung solle hier auch keine falschen Signale aussenden. "Die im Koalitionsvertrag angedachte Überprüfung der Flächenziele halten wir für kontraproduktiv", kritisierte der BWE‑Mann.

Ziemlich genauso sehen das die Energieminister der Länder. Sie hatten sich letzte Woche in Rostock turnusgemäß getroffen. Danach erklärte der schleswig-holsteinische Energieminister Tobias Goldschmidt: Die Länder seien sich einig, dass laufende und abgeschlossene Flächenausweisungsverfahren nicht durch eine mögliche Evaluation gestoppt oder verzögert werden sollen. Das Windflächenbedarfsgesetz habe klare Flächenziele vorgegeben, diese sollten aus Sicht der Länder nicht verändert werden. "Ein Vor und Zurück beim Ausbau der Windkraft wäre ein echter Akzeptanzkiller", warnte der Grünen-Politiker.

Kein Vertrauen in schwarz-roten Stromsystem-Check

Das Flächenziel ist nicht das einzige Problem, bei dem die Branche drehende Winde bei der Regierung befürchtet, gab Axthelm zu verstehen. So hält der BWE den angekündigten Neubau von 20.000 Megawatt Gaskraftwerken als Backup für überzogen und rät dazu, zunächst die vorhandenen Kapazitäten bei der Industrie und den Stadtwerken in den Blick zu nehmen, speziell bei der Kraft-Wärme-Kopplung.

Mit besonderer Sorge blickt die Wind- wie die ganze Erneuerbaren-Branche auf das von Schwarz-Rot geplante Strom-Monitoring. Bis zur Sommerpause sollen der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand bei Versorgungssicherheit, Ausbau der Netze und der Erneuerbaren, von Digitalisierung und Wasserstoff überprüft werden.

Beim Strom gilt derzeit noch die Vorgabe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Danach wird für 2030 ein Stromverbrauch von 750 Milliarden Kilowattstunden erwartet. Einige Fachleute und Studien erwarten inzwischen aber einen Verbrauch von nur 600 bis 650 Milliarden Kilowattstunden.

Der BWE warnt hier davor, beim angekündigten Realitäts-Check den künftigen Strombedarf für die Dekarbonisierung energieintensiver Branchen wie Stahl zu unterschätzen, wie Axthelm betonte. Ausgeblendet werde häufig auch, was im Bereich künstliche Intelligenz und Digitalisierung vor sich gehe.

Zudem sei es Ziel der Bundesregierung, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder anspringt. Axthelm: "Auch dazu wird mehr Strom gebraucht. Hier darf die Bundesregierung nicht zu kleinkariert unterwegs sein."

 

Mitte März hatte der Erneuerbaren-Verband BEE eine Studie veröffentlicht, die sich eigens mit dem künftigen Strombedarf befasst. Als wichtige Treiber für die Nachfrage werden auch hier der Ausbau von Rechenzentren, Wärmepumpen, E‑Mobilität, Wasserstoff sowie eine wirtschaftliche Erholung aufgeführt.

Allerdings werde etwa die Zahl der Elektroautos bis 2030 nur auf acht Millionen Fahrzeuge statt auf die bisher angestrebten 14 bis 15 Millionen steigen, räumt die Studie ein. Damit sinke der Strombedarf von bisher 48 Milliarden auf 21 Milliarden Kilowattstunden. Weniger Strom als vorausgesagt werde auch für Wärmepumpen gebraucht.

Für 2030 prognostiziert die BEE‑Studie statt der bisher veranschlagten 750 Milliarden einen Gesamtverbrauch von nunmehr bis zu 705 Milliarden Kilowattstunden. Der Anteil der Erneuerbaren soll sich dessen ungeachtet bei den im EEG festgelegten 80 Prozent bewegen – am besten egal, wie die Winde wehen.