Kühlturm und Kraftwerk Datteln 4 und ein Binnenschiff auf dem Dortmund-Ems-Kanal, links die Bahnstromleitung.
Das neue Kohlekraftwerk Datteln 4 am Dortmund-Ems-Kanal, links die Bahnstromleitung. (Foto: Maschinenjunge/​Wikimedia Commons)

Für die Eon-Abspaltung Uniper ist das Braunkohlekraftwerk Schkopau im Revier Halle/Leipzig nur noch ein Klotz am Bein. Erst bot der Stromkonzern die Stilllegung der beiden 450-Megawatt-Blöcke bis 2026 an, um damit die CO2-Emissionen von Datteln 4 klimapolitisch zu rechtfertigen. Rund sechs Millionen Tonnen CO2 bläst Schkopau – Stand 2018 – laut der deutschen Emissionsstatistik jährlich in die Luft.

Gegen den Deal legte sich aber das Land Sachsen-Anhalt quer – mit der Drohung, die gesamten Bund-Länder-Verhandlungen um den Kohlekompromiss platzen zu lassen. Laut dem Kompromiss soll Schkopau bis 2034 laufen – jetzt aber in der Regie des tschechischen Energiekonglomerats EPH, das schon bei der übrigen Ost-Braunkohle das Sagen hat.

An EPH verkaufte Uniper jetzt nämlich seinen knapp 60-prozentigen Anteil an Schkopau. Die anderen rund 40 Prozent gehören der Saale Energie GmbH, die bereits hundertprozentiges EPH-Eigentum ist.

Auch wenn Schkopau nun auf Jahre weiter Treibhausgase emittiert – Unipers klimapolitische Weste ist ein Stück weißer geworden. Mit dem Verkauf von Schkopau "setzen wir unsere ambitionierten Pläne zur Dekarbonisierung unseres Portfolios konsequent um", lobte Uniper-Vorstandschef Andreas Schierenbeck das Vorgehen.

Nun, mit der Ambition ist das so: Im Kohle-Portfolio von Uniper laufen derzeit im Wesentlichen noch vier große Steinkohlekraftwerke: Scholven bei Gelsenkirchen, Wilhelmshaven, Staudinger bei Hanau und Heyden bei Minden.

Die ersten beiden sollen, verkündete Uniper kürzlich, bis Ende 2022 und die letzteren beiden bis Ende 2025 stillgelegt werden.

Vor dem Dekarbonisieren wird kräftig emittiert

Bevor hier von Dekarbonisierung die Rede sein kann, sorgen die vier Kraftwerke erstmal noch für erkleckliche Mengen an CO2: Laut Emissionsstatistik von 2018 – neuere Daten gibt es noch nicht – stieß Scholven 4,3 Millionen Tonnen aus, Wilhelmshaven und Staudinger folgten mit je 1,6 Millionen und Heyden mit 1,7 Millionen Tonnen.

Rechnet man die geplanten Betriebsjahre zusammen, kommt man auf mehr als 30 Millionen Tonnen CO2, die diese vier Großkraftwerke noch erzeugen sollen.

Und spätestens 2021 soll ja noch Datteln 4 hinzukommen. Der neue 1.100-Megawatt-Steinkohlemeiler wird, wenn er voll läuft, jährlich um die sechs bis 8,4 Millionen Tonnen CO2 emittieren, berichtete das WDR-Fernsehmagazin Quarks mit Verweis auf Tüv-Dokumente.

Der faktische Parallelbetrieb von alten Kraftwerken und Datteln 4 hat seinen klimapolitischen Preis. Alles in allem lassen die Uniper-Steinkohlekraftwerke bis 2025 erstmal noch um die 50 Millionen Tonnen CO2 ab, bevor es mit dem "ambitionierten" Dekarbonisieren losgeht.

Die Emissionen von Datteln 4 kommen in den ersten Jahren eben noch obendrauf – was nicht selten übersehen wird. Auch aus der Sicht ist es ziemlich fraglich, ob Datteln 4 mit seiner begrenzten Laufzeit bis voraussichtlich 2033 dann noch so viel CO2 "einspart", wie die alten Kraftwerke vergleichsweise mehr abgegeben hätten.

Natürlich gibt es Unwägbarkeiten. So brach die Stromerzeugung aus Steinkohle 2019 bundesweit um ein Drittel ein. Teilweise sollen die alten Uniper-Kraftwerke letztes Jahr nur noch zu 20 Prozent ausgelastet gewesen sein, wie öffentliche zugängliche Charts zeigen. Möglicherweise würden sie in den kommenden Jahren sogar weniger emittieren als mit Stand 2018 geschätzt.

Umso frappierender ist es da, dass Datteln 4 dieses marktwirtschaftliche Abdrängen der Kohle zunichtemacht. Denn die Auslastung des Kraftwerks wird, worauf der Umweltverband BUND in Nordrhein-Westfalen hinweist, wegen der festgezurrten Abnahmeverträge mit RWE und der Deutschen Bahn besonders hoch sein.

Dass RWE und die Bahn einen "wesentlichen Teil" der geplanten Stromproduktion aus Datteln 4 abnehmen, bestätigte ein Uniper-Sprecher gegenüber Klimareporter°. Das Kraftwerk habe dabei eine Bahnstromleistung von 413 Megawatt.

Dirk Jansen vom BUND in NRW geht zudem davon aus, dass RWE verpflichtet sein wird, weitere 450 Megawatt von Datteln 4 Tag und Nacht abzunehmen. Summa summarum würden damit 863 von den 1.100 Megawatt durch sichere Abnahmeverträge gebunden sein.

Die hohe Auslastung von Datteln 4 verkehrt die Dekarbonisierung ins Gegenteil. Wie gesagt: Uniper hätte die Emissionen von Schkopau gut zum Schönrechnen der eigenen Emissionsbilanz brauchen können.

Auch Uniper-Gaskraftwerke profitieren

Der Konzern selbst rechnet übrigens so: Uniper hat schon bis 2015 Steinkohleanlagen an den Standorten Datteln, Scholven, Knepper, Veltheim und Shamrock stillgelegt. Dazu kämen nun die vier Anlagen bis 2022 und 2025 – alles in allem spare man durch die Stilllegungen, behauptet Uniper, rund 18 Millionen Tonnen CO2 jährlich ein. Was deutlich über dem Ausstoß von Datteln 4 liegen würde.

Die Stilllegungen von 2015 jetzt Datteln 4 zuzuschlagen ist allerdings wenig ehrlich. Denn als damals noch unter Eon-Regie die Altkraftwerke vom Netz genommen wurde, hatte der Konzern noch gar keine Genehmigung für Datteln 4.

Die Dekarbonisierungsrechnung geht auch aus einem anderen Grund nicht auf. Denn die alten Kohlestandorte sollen keine grüne Wiese werden, sondern oftmals weiter Strom und Wärme auf fossile Weise erzeugen, künftig vor allem mit Erdgas.

Für alle Kraftwerksstandorte soll es "Masterpläne" geben, um künftige Nutzungen auszuloten. So plant Uniper, in Scholven eine Kraft-Wärme-Anlage mit zwei Gasturbinen und einem Dampfkessel zu bauen.

Nebenbei bemerkt: Auch den eigenen Uniper-Gaskraftwerken, unter anderem an den Standorten Kirchmöser bei Brandenburg und Irsching, kommt das Aus für die Steinkohle nicht ungelegen. Diese Anlagen standen – wie die Emissionsdaten zeigen – 2018 mehr oder weniger still.

Experten beziffern die Auslastung der Uniper-Gaskraftwerke auf zuletzt wenige Prozent. Uniper selbst bestätigt oder dementiert diese Angaben nicht und verweist auf den Geschäftsbericht für 2019, der am 10. März vorgelegt werden soll.

Bei einer Stilllegung von Steinkohle würden Gaskraftwerke aber – und damit rechnet die ganze Branche – endlich wieder richtig mit dem Stromerzeugen loslegen können. Billiges Gas gibt es in Hülle und Fülle.

Wie man es auch dreht und wendet: Mit dem Abschalten der alten Steinkohle dekarbonisiert sich Uniper nicht – dem Konzern geht es um einen Switch zu Datteln 4 und Erdgas.

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