Luftbild vom Tagebau, der sich auf einige Dörfer zubewegt.
Aus dem Tagebau Jänschwalde kommt die Braunkohle für das gleichnamige Kraftwerk. (Foto: Julian Nitzsche/​Wikimedia Commons)

Wo hat es das in Deutschland schon gegeben? Gerichte aller Ebenen geben Umweltschützern recht und schreiben einem Unternehmen vor, den Abbau von Braunkohle zu stoppen, weil "der Hauptbetriebsplan ohne eine Prüfung der Verträglichkeit der tagebaubedingten Grundwasserabsenkung mit den Schutzzielen der umliegenden, Moor- und Feuchtgebiete umfassenden Natura-2000-Gebiete nicht hätte zugelassen werden dürfen", wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestern bestätigte.

"Nur auf der Grundlage dieser Prüfung kann ein Verstoß gegen das Verbot einer Beeinträchtigung der Schutzziele der betroffenen Natura-2000-Gebiete sicher ausgeschlossen werden", teilte das OVG weiter unmissverständlich mit.

Und weil man derzeit nicht entscheiden könne, welcher Teil des Tagebaubetriebs für die Umwelt schädlich ist und welcher nicht, muss der gesamte Tagebau Jänschwalde am 1. September in den sogenannten "Sicherheitsbetrieb" gehen: keine Kohleförderung mehr, aber es wird weiter Wasser abgepumpt und anderweitig dafür gesorgt, dass der Tagebau nicht "absäuft" und die Böschungen stabil bleiben.

Der Jänschwalder Betriebsplan, gegen den die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Unterstützung der Grünen Liga klagte, ist seit Dezember 2018 in Kraft. Anfang Februar 2019 reichte die DUH beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage ein, weil durch die Entwässerung mehrere geschützte Moorgebiete zerstört zu werden drohten.

Monatelang nahm die Leag die Klage offenbar nicht so recht ernst. Schließlich war der Betriebsplan im Wissen um die Grundwasserabsenkungen genehmigt worden. Was sollte da schon passieren? Wann hatten Lausitzer Gerichte schon einmal gegen die Kohle entschieden? Davor hatten das allmächtige Bergrecht und die Landesregierungen bislang alle Lausitzer Kohleförderer bewahrt.

Aber auch an Gerichten geht die Zeit nicht spurlos vorüber. Wenn Lausitzer Flüsse wie die Spree und die Schwarze Elster auszutrocknen drohen, der Boden vom Klimawandel dürregeplagt ist und Städte in der Region wegen der Grundwasserabsenkungen um die Qualität ihres Trinkwassers fürchten, dann verschieben sich auch bei Gericht die Prioritäten.

Am 27. Juni hatte das Verwaltungsgericht Cottbus zunächst verfügt, dass das Bergamt, das den Betriebsplan genehmigt hatte, nun dessen Verträglichkeit mit dem Schutz eines Natura-2000-Gebiets zu überprüfen hat – und zwar bis Ende August.

Sollte das in dieser Zeit nicht möglich sein oder die Prüfung nicht positiv für die Leag ausfallen, müsse der Tagebau Jänschwalde, so das Gericht, dann bis auf Weiteres ruhen. Vorsorglich forderte daraufhin das Bergamt die Leag auf, einen möglichen Sicherheitsbetrieb ab September vorzubereiten.

"Leag und Bergamt haben alle Hinweise ignoriert"

Gegen die gewährte Frist bis zum 1. September hatte die DUH wiederum geklagt – sie sah nicht ein, warum ein rechtswidriger Betrieb erstmal weiterlaufen durfte, und wollte den sofortigen Stopp.

Die Leag klagte ebenfalls gegen die Frist, die ihrer Ansicht nach zu kurz ist. Sie verweist darauf, dass die naturschutzfachlichen Nachweise zum Betriebsplan ursprünglich erst zu Ende August einzureichen waren und diese dann bis Ende 2019 geprüft werden sollten. Das OVG bestätigte nun aber die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist bis zum 1. September.

Die Schuld für den Förderstopp sieht René Schuster von der Grünen Liga klar bei der Leag. Seit 2010 habe der Umweltverband "intensiv" darauf hingewiesen, welcher Schutz für die Feuchtgebiete notwendig und möglich ist.

"Unternehmen und Bergbehörde haben diese Hinweise ignoriert und so den Konflikt zwischen Tagebau und Feuchtgebieten immer weiter verschärft", erklärt Schuster rückblickend. Mit der Anordnung des Sicherheitsbetriebs habe das Bergamt jetzt die Notbremse gezogen.

Die Leag reichte zwar, wie sie gegenüber Klimareporter° bestätigte, die zur geforderten Umweltprüfung nötigen Unterlagen Ende Juli "fristgerecht" beim Bergamt ein. Diese sind aber so umfangreich, dass das Unternehmen schon zeitig ahnte, dass die Prüfer bis Ende August nicht fertig werden würden.

Inzwischen hat die Leag eingeräumt, dass angesichts des vom Gericht verlangten Untersuchungs- und Prüfumfangs, der bis auf das Jahr 1995 zurückgeht, die Zeit zu knapp ist. Auch seien die eingereichten Unterlagen durch "weitere Angaben" zu ergänzen.

Nach jahrelanger Untätigkeit läuft dem Unternehmen nun die Zeit davon. Die Leag beantragte deshalb schon am Mittwoch, einen Tag vor Veröffentlichung der OVG-Entscheidung, beim Verwaltungsgericht Cottbus eine Fristverlängerung für die Umweltprüfung bis längstens Ende November. Dies ist nun die letzte Chance, den Kohleförderstopp zum 1. September noch zu verhindern.

Für DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ist der Antrag des Kohleunternehmens, die Frist um bis zu drei Monate zu verlängern, ein "Offenbarungseid der katastrophalen Planung der Leag". Dem Betreiber gehe es nach wie vor darum, den Braunkohletagebau auf "rechtswidriger Grundlage" fortzuführen.

Fristverlängerung abgelehnt

Am heutigen Freitag entschied das Verwaltungsgericht Cottbus, dass es keinen Aufschub für den Tagebaustopp gewährt und die Fristverlängerung ablehnt, wie das Gericht gegen Mittag mitteilte. Die Leag habe, so die Erklärung, "keine Gründe vorgebracht, die eine Änderung der bereits getroffenen Entscheidung rechtfertigen könnten". Zudem liefe die beantragte Verlängerung darauf hinaus, dass der Betriebsplan 2019 "de facto vollständig unter Verstoß gegen zwingendes Recht vollzogen würde".

Soweit die Leag, schrieb das Gericht dem Unternehmen noch ins Stammbuch, Erlösverluste beklage, "verwirklicht sich dabei jenes unternehmerische Risiko, das sie in Kenntnis der frühzeitig geäußerten Bedenken eingegangen ist, indem sie auf eine FFH-Prüfung im Vorfeld des Hauptbetriebsplans verzichtet hat." Gegen den Beschluss des  Verwaltungsgerichts kann wiederum Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Die Leag teilte in Reaktion auf das Urteil zunächst nur mit, dass sie sich nun auf einen Sicherheitsbetrieb des Tagesbaus Jänschwalde ab dem 1. September einrichte. Dieser könne aus heutiger Sicht zehn bis zwölf Wochen andauern. Ob das Unternehmen Beschwerde beim OVG einlegt, sei noch nicht entschieden, erklärte Leag-Sprecherin Kathi Gerstner auf Nachfrage von Klimareporter°. Das werde noch juristisch geprüft.

Der Beitrag wurde um 13 und 14 Uhr aktualisiert (Entscheidung des Verwaltungsgerichts, Reaktionen der Leag).

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