Stromkabel
Zusätzlicher Strom soll in der nächsten Phase der Energiewende vor allem regional fließen, sagen die Verbände. (Foto: Sumanley Xulx/​Pixabay)

Seit die große Koalition regiert, gleichen sich die Mediengespräche der Verbände und Branchen, die sich hierzulande um die erneuerbaren Energien kümmern. Zwar wechseln die Akteure, aber im Kern bekommt man dieselbe Botschaft zu hören: Technisch sei alles bereit, um das Industrieland Deutschland auf Ökoenergie umzustellen – nur werde das politisch einfach nicht zugelassen, verhindert – oder gar sabotiert. Mit Letzterem lässt sich natürlich niemand zitieren.

Nach den Bremsern und Verhinderern gefragt, wollte auch Katherina Reiche, Geschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), keine Namen nennen. Gemeinsam mit Urban Windelen vom Speicherverband BVES war Reiche in dieser Woche an der Reihe, bei einem Medientermin in Berlin zu klagen und zu fordern.

So beschwerte sich die VKU-Chefin, bei der Energiewende sei erst die "Hälfte des Weges" geschafft und das zusätzliche Aufstellen von Windrädern und ein paar Photovoltaikzellen reiche nicht aus. Windelen vom Speicherverband griff seinerseits das Bild auf – es sei nämlich bereits die Hälfte der Legislatur herum. "Wenn wir irgendwie noch etwas Substanzielles erreichen wollen, müssen wir jetzt loslegen", mahnte er geradezu beschwörend in Richtung Bundespolitik.

Der Speicherbranche gehe es dabei noch gut, sagte der BVES-Chef. 2018 habe sie erstmals einen Umsatz von mehr als fünf Milliarden Euro erzielt. Am stärksten wachse das Segment Industriespeicher – und auch das Auslandgeschäft, denn hierzulande gebe es keinen funktionierenden Markt für Speicher und für Power-to-X-Lösungen, also für das Herstellen von Kraft- und Brennstoffen aus Wasser mithilfe von grünem Strom.

Fünf Punkte und ein Nullsummenspiel

In fünf Punkten legte VKU-Chefin Reiche dar, wie die andere Hälfte des Wegs in Angriff zu nehmen sei.

Zunächst müsse die Finanzierung der Energiewende eine neue Basis erhalten. "Strom ist im Vergleich zu anderen Energieträgern zu teuer", sagte sie. Eine Reform der Steuern und Abgaben, die auf dem Strompreis lasten, ist für die VKU-Chefin unumgänglich – auf die Frage, wer die in den nächsten Monaten beschließen soll, blieb ihr aber nur der Hinweis auf das Klimakabinett, das im Sommer oder Herbst Vorschläge unterbreiten soll.

Vage blieben auch Reiches Ansagen, wie die Energiewende weiter zu finanzieren sei. Ihr einziges Argument: Das jetzige System bürdet den Verbrauchern – laut jüngsten Daten der Bundesnetzagentur von 2017 – zusätzliche Netzkosten von jährlich 1,5 Milliarden Euro auf. Im Wesentlichen sind das die Kosten von Redispatch und Abregelungen erneuerbarer Anlagen. Anders gesagt: Eine "richtige" Energiewende würde so viel an Kosten sparen, dass sie sich selbst finanzieren könnte.

Zweitens gehört für Reiche eine eigene Speicherdefinition ins Energierecht. Derzeit seien die Speicher rechtlich entweder Verbraucher oder Erzeuger – und diese "Doppelbelastung" führe dazu, dass sich Speichersysteme im Markt nicht behaupten könnten.

Darüber hinaus müsse – drittens – die Sektorkopplung auf der Ebene der Verteilnetze etabliert werden, also regional oder gar lokal im Sinne von Quartierslösungen. Nur zwei Prozent des an Land erzeugten Windstroms würden direkt ins Hochspannungsnetz eingespeist, untermauert ein Positionspapier von VKU und BVES dieses Argument.

Viertens benötige das Land, so Reiche weiter, die Markteinführung von Power-to-X-Technologien, und da müsse es heißen: "Nicht kleckern, sondern klotzen." In dem Zusammenhang wies Reiche – wie schon zahlreiche Unternehmen der Erneuerbaren-Branche – darauf hin, dass mit dem bundesweiten Gasnetz ein Speicher bereits vorhanden ist, in dem sich nach ihren Angaben eine Energiemenge von 26 Milliarden Kilowattstunden aufbewahren ließe.

Im Kern geht es den beiden Verbänden mit ihren Vorschlägen darum, dass die Kilowattstunde "frei fließen kann", wie Windelen erläuterte. Er sei dabei kein Freund sogenannter Marktanreizprogramme. Die dadurch geschaffene Subventionierung von Energiewende-Projekten fließe derzeit über das falsche Abgabensystem an den Staat zurück. "Das ist ein Nullsummenspiel", sagte er.

Dass genau dieses Nullsummenspiel von der Bundespolitik so gewollt ist, davon sind allerdings ziemlich viele Experten überzeugt. Nur öffentlich sagen will es keiner.

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