Porträtaufnahme von Oliver Hummel.
Oliver Hummel. (Foto: Naturstrom AG)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Oliver Hummel, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom.

Klimareporter°: Herr Hummel, seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich Russlands Einnahmen aus dem Öl-, Gas- und Kohleexport wegen der gestiegenen Marktpreise deutlich erhöht – laut einer Analyse auf 63 Milliarden Euro in den zwei Monaten. Deutschland war dabei mit 9,1 Milliarden der weltweit größte Einkäufer. Wie sehen Sie die zunehmenden Forderungen nach einem Stopp der Energieimporte aus Russland?

Oliver Hummel: Dass Deutschland monatlich die russische Kriegskasse mit Milliardensummen füllt, finde ich schwer erträglich. Überspitzt gesagt zahlen deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher durch die gestiegenen Energiepreise ja sogar noch einen extra Aufschlag, der direkt an Putin geht.

Diese Situation müssen wir schnellstmöglich beenden. Dabei möchte ich nicht in der Haut der aktuellen Bundesregierung stecken, die vor allem das ausbaden muss, was die Vorgängerregierungen über viele Jahre energiepolitisch versäumt haben.

Entscheidend ist, dass nun wirklich alle Kräfte für die Energiewende mobilisiert werden. Je schneller wir mit dem Ausbau der Erneuerbaren vorankommen, desto eher kann sich Deutschland einen vollständigen Verzicht auf russische Kohle-, Öl- oder Gaslieferungen leisten.

Dabei geht es nicht nur um deutlich anspruchsvollere Ziele, wie wir sie mit der EEG-Novelle ja auch bekommen werden. Die Genehmigungsverfahren müssen massiv beschleunigt werden und wir brauchen dringend mehr Fachkräfte, die die benötigen Anlagen errichten und ans Netz bringen.

Wichtig finde ich auch, die Produktion von Solarmodulen und Komponenten wieder verstärkt nach Europa und Deutschland zu holen. Sonst tauschen wir lediglich die Abhängigkeit von Russland gegen die von China ein.

Wenn uns dies alles gelingt, werden wir in den nächsten Jahren einen unglaublichen Investitions- und Innovationsschub erleben.

Am Freitag stimmte auch der Bundesrat der Abschaffung der EEG-Umlage zu. Noch kurz zuvor kritisierte der Verband kommunaler Unternehmen die im Gesetzentwurf vorgesehene Verpflichtung für alle Stromlieferanten, die Strompreise zum 1. Juli um die volle EEG-Umlage, also um 3,723 Cent pro Kilowattstunde, abzusenken, ohne sie mit gestiegenen Kosten, vor allem Beschaffungskosten, zu verrechnen. Wie geht Naturstrom damit um?

Wir senken die Preise und geben die 3,723 Cent eins zu eins an unsere Kundinnen und Kunden weiter. Das kommunizieren wir auch schon seit Wochen prominent auf unserer Website.

Dass Energieversorger die Absenkung der EEG-Umlage auf null nun nicht mit gestiegenen Kosten verrechnen können, finde ich sinnvoll. Für die Kundinnen und Kunden schafft diese Regelung Transparenz. Und ob Energieversorger sich und der gesamten Branche einen Gefallen damit getan hätten, die Umlagesenkung nicht oder nur teilweise weiterzugeben, wage ich zu bezweifeln. Vertrauensbildend wäre das ganz sicher nicht gewesen.

Politiker aus der Union, vor allem Bayerns Ministerpräsident Söder von der CSU, fordern wegen der vom Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise eine Laufzeitverlängerung für die drei in Deutschland noch aktiven Atomkraftwerke. Jetzt schließt auch die Ampel-Partei FDP eine "Modifizierung" der Ausstiegspläne nicht mehr aus. Muss der Atomausstieg vielleicht doch überdacht werden?

Die Diskussion halte ich aus zwei Gründen für völlig unpassend. Erstens löst der Rückgriff auf die Vergangenheit nicht die Probleme der Zukunft. Wir müssen unsere Kräfte auf die Energiewende fokussieren und sollten keine Ressourcen auf angegilbte Retro-Debatten verschwenden. Und zweitens zeigen selbst die betroffenen Energiekonzerne an einer Laufzeitverlängerung kein Interesse mehr.

Ich frage mich, wie oft die CSU und Teile der FDP eigentlich noch zurück zur Atomkraft möchten, nur um ein paar Jahre später mit zusätzlichen Milliardenentschädigungen an die Betreiber wieder aussteigen zu können. Seine Energie hätte Markus Söder lieber in die Abschaffung der unsäglichen 10‑H-Regelung stecken sollen, die den Windenergieausbau in Bayern komplett zum Erliegen gebracht hat.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Da bleibe ich direkt bei Markus Söder. Am Mittwoch hat sich die CSU-Fraktion immerhin zu einigen Ausnahmeregelungen von der 10‑H-Regel durchringen können. Damit hatte ich schon fast nicht mehr gerechnet, weil die Frist, in der Bayern Erleichterungen für den Ausbau der Windenergie an die Bundesregierung melden wollte, längst abgelaufen war.

Vorgesehen ist nun, den Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern in bestimmten Fällen auf 1.000 Meter zu verringern. Greifen soll diese Ausnahme unter anderem entlang von Autobahnen, vierspurigen Bundesstraßen oder Haupteisenbahnstrecken sowie auf Truppenübungsplätzen und wenn es sich bei den Windrädern um sogenannte "industrielle Nebenanlagen" handelt.

Auch wenn wenig erst mal besser ist als nichts: Die angekündigten Ausnahmen werden nicht reichen, um den Bau neuer Windräder in Bayern wieder im benötigten Maße zu ermöglichen. Wenn die Energiewende gelingen soll, muss auch in Bayern die Zeit des Zauderns vorbei sein.

Eins sollte der Staatsregierung in München jedenfalls klar sein: Industriekunden gehen zunehmend dorthin, wo erneuerbare Energien reichlich vorhanden sind, wie die Beispiele Tesla in Brandenburg und Enapter im Münsterland zeigen. Wenn die CSU beim Ausbau der Windenergie weiter bremst, wird das auch negative Folgen für den Standort Bayern haben.

Fragen: Jörg Staude

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