Der Stromzähler zeigt 3108,7 Kilowattstunden an.
Die de facto schon praktizierte Stromtarif-Spaltung wird legalisiert. (Foto: Claudia Nass/​Shutterstock)

Die Strom- und Gaspreiskrise stürzt auch das austarierte System von Zuständigkeiten bei der leitungsgebundenen Energieversorgung in die Krise. Geht ein Versorger heutzutage pleite, fallen seine Kunden automatisch in die sogenannte Ersatzversorgung. Die sorgt dafür, dass erstmal weiter Strom und Gas fließen.

Das übernimmt der jeweilige Grundversorger, also das regionale Monopol. Darob waren die Unternehmen gar nicht unglücklich. So fielen und fallen ihnen regelmäßig neue Abnehmer zu, ohne dass sie groß werben oder mit Rabatten locken müssen. Viele dieser Kunden bleiben dann auch längerfristig beim Grundversorger.

Diese Praxis bekam hässliche Risse, als Ende 2021 eine Reihe von Energiediscountern pleite ging. Plötzlich fielen in einer Region nicht nur viele tausend Kunden gleichzeitig in die Ersatz- und dann in die Grundversorgung. Für diese Haushalte musste plötzlich auch noch jede Menge Strom oder Gas auf einem preislich völlig überteuerten Markt eingekauft werden.

Nicht wenige Versorger wälzten dann die Zusatzkosten allein auf die neuen Kunden ab. Die mussten Tarife akzeptieren, die mitunter zwei- bis dreimal so teuer waren wie die der Bestandskunden. Über die Zulässigkeit der Tarifspaltung wird inzwischen bundesweit gerichtlich gestritten.

Nach den Landgerichten Frankfurt am Main und Mannheim untersagte kürzlich auch das Landgericht Hannover einem Stadtwerk, von Neukunden für Strom in der Ersatz- und Grundversorgung höhere Preise zu verlangen. Das teilte der Ökostromanbieter Lichtblick mit, der die Verfahren angestrengt hatte.

"Ein Grundversorger muss von allen Kund:innen die gleichen Strom- und Gaspreise verlangen. So werden Verbraucher:innen und Wettbewerb geschützt", begrüßte Lichtblick-Chefjurist Markus Adam das Urteil. "Angesichts der Energiekrise und steigender Endkundenpreise dürfen sich die regionalen Monopolisten nicht gegen den Wettbewerb abschotten."

Auch Verbraucherverbände kritisieren die spaltende Praxis scharf. Dagegen betont der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) – Interessenvertretung speziell der Stadtwerke –, die Aufteilung der Preise sei nicht nur juristisch korrekt, sondern auch ein "Gebot der Fairness".

Der VKU verlangte zugleich schon Mitte Januar von der Bundesregierung eine "explizite" gesetzliche Klarstellung, dass eine Aufteilung der Grundversorgungspreise rechtlich möglich ist. Diese Klarstellung liefert das Wirtschaftsministerium jetzt mit dem Klimareporter° vorliegenden Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts.

Gesetzentwurf sieht nur eine Abfederung vor

Laut dem Entwurf sollen die Versorger künftig für Haushaltskunden, die in die Ersatzversorgung fallen, einen Aufschlag für "erhöhte Vertriebskosten" sowie einen besonderen "Beschaffungskostenanteil" einpreisen dürfen. Beide Kostenteile müssen gegenüber den Kunden gesondert ausgewiesen werden. Nach drei Monaten soll die Kundin oder der Kunde dann das Recht haben, in den normalen Tarif der Grundversorgung zu wechseln.

Das Ministerium begründet die Spaltung des Tarifs so: Die letzten Monate hätten gezeigt, dass die Beschaffungskosten für die langfristigere Grundversorgung und die kurzfristige Ersatzversorgung sich in einem Umfang unterscheiden können, der eine grundsätzliche Aufgabe des Gebots der Gleichpreisigkeit mit der Grundversorgung als "sachgerecht" erscheinen lasse.

Anders gesagt: Das Ministerium ändert nicht die Marktmechanismen, die die Pleiten der Discounter mitverursacht haben, sondern lässt die Stromkunden die Folgen ausbaden. Als kleines Bonbon gesteht der Gesetzentwurf den von alten Versorgern geschassten Abnehmern einen Schadensersatzanspruch von mindestens 160 Euro zu. Wie sich dieser Anspruch gegen ein Pleiteunternehmen durchsetzen lässt, steht leider nicht im Gesetz.

Um künftigem Chaos für die Kunden wenigstens vorzubeugen, wird von den Versorgern künftig verlangt, eine Liefereinstellung drei Monate vorher anzukündigen. Die Bundesnetzagentur soll außerdem das Recht bekommen, Nachweise über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verlangen.

Der Referentenentwurf enthält darüber hinaus weitere Regelungsvorschläge, darunter:

  • Netzanschlüsse, unter anderem für Wärmepumpen und Ladestrom, sollen künftig digital angemeldet werden können – dank "massentauglicher" Prozesse. Dazu soll es eine gemeinsame Internetplattform
    der Verteilernetzbetreiber geben.
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