Noch lebt die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik. Weltweit gingen 2024 Solarmodule mit rund 600.000 Megawatt installierter Leistung neu ans Netz, davon in Deutschland etwa 17.500 Megawatt. Mitte Juni überschritt hierzulande die Zahl der sogenannten Balkonkraftwerke erstmals die Millionengrenze.
"Solarenergie ist die Erzeugungstechnik, in die in den letzten zehn Jahren das meiste Geld geflossen ist", konstatierte Rainer Baake am heutigen Donnerstag. Dass viel investiert wird, liege auch daran, dass Photovoltaik in den meisten Ländern zur kostengünstigsten Stromquelle wurde, betonte der Direktor der Stiftung Klimaneutralität. Diese legte am Donnerstag ein Papier zur Neuausrichtung der Photovoltaik-Förderung vor.
Die Ausgangslage ist dabei recht komplex. Ist der Tag sonnenscheinreich und der Strombedarf – beispielsweise an Feiertagen – geringer, könnte die Photovoltaik Deutschland schon stundenweise allein mit Strom versorgen.
Weil aber viele andere Kraftwerke nicht zugleich abgeschaltet werden können, vor allem große Kohleblöcke oder Kraftwerke, die auch Wärme liefern, entstehen Stromüberschüsse und damit verbunden immer öfter negative Strompreise.
Billiger Überschuss-Strom wird noch nicht genutzt
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es bereits knapp 390 Stunden mit Preisen unter null, wie der Photovoltaik-Anbieter Enpal bilanziert. Das sei ein Anstieg um rund 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Der sehr billige Überschussstrom ließe sich eigentlich gut nutzen – in Speichern oder um grünen Wasserstoff herzustellen oder um E-Fahrzeuge preiswert zu laden. Daran hapert es in Deutschland derzeit aber massiv – die sogenannte Sektorkopplung kommt nicht in Gang.

Die Erzeuger und Nutzer von Solarstrom müssen nach Ansicht der Stiftung aber auch selbst in die Pflicht genommen werden – damit sich die aktuellen Probleme mit der Photovoltaik nicht zu "richtigen Problemen" auswachsen, erklärte Rainer Baake.
Dazu legte die Stiftung jetzt einen Zehn-Punkte-Plan zur Neuausrichtung der Solarförderung vor. Gegebenenfalls sollen die Vorschläge wegen des Bestandsschutzes jeweils nur für neu in Betrieb genommene Solaranlagen gelten.
Ziel sei es, den weiteren Ausbau der Photovoltaik kosteneffizient, sozial gerecht und netzdienlich zu gestalten, beschrieb der ehemalige Staatssekretär das Anliegen. An den Ausbauzielen für die Erneuerbaren selbst werde nicht gerüttelt – anders, als dies offensichtlich Teile der Bundesregierung anstrebten, betonte Baake.
Sorge um sinkenden Erneuerbaren-Anteil
Mit gewisser Sorge sehe er, so Baake weiter, dass die Bundesregierung mit dem jetzt in Auftrag gegebenen Monitoring die offenkundige Absicht verbinde, den Anteil der erneuerbaren Energien herunterzufahren. "Das halte ich für völlig falsch", sagte Baake.
Für ihn stelle es kein Problem dar, wenn der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung 2030 nicht wie gesetzlich vorgeschrieben bei 80, sondern bei 90 Prozent liegen würde. In dem Fall hätte Deutschland auch niedrigere Strompreise, weil Wind und Sonne den Preis an der Strombörse drückten, sagte der Stiftungsdirektor.
Baake bezog sich hier auch auf die jüngste Studie des Thinktanks Agora Energiewende. Diese habe gezeigt, dass jeder Euro, den der Staat in die Erneuerbaren-Förderung steckt, das Anderthalbfache bis Doppelte an Strompreissenkung bringe.
Für kostensenkend hält es die Stiftung laut dem Vorschlagspapier, den Anteil der Freiflächen-Photovoltaik am Solarausbau zu erhöhen – von den derzeit gesetzlich vorgeschriebenen 50 auf 65 Prozent.
In Deutschland werde Dach-Photovoltaik mit bis zu 13 Cent je Kilowattstunde gefördert – für einen Bruchteil davon erzeugten dagegen neue Freiflächenanlagen Strom, erläuterte Baake. So seien in der jüngsten Freiflächen-Ausschreibung der Bundesnetzagentur die Projekte für 3,9 bis 4,8 Cent je Kilowattstunde weggegangen.
Höhere Anteile für Freiflächen-Photovoltaik
Man habe sich beim Durchrechnen der Vorschläge gegen einen möglichen noch höheren Anteil von Freiflächen-Photovoltaik entschieden, sagte Baake. Denn Dachanlagen würden auch den Flächenverbrauch minimieren und es der Bevölkerung ermöglichen, sich an der Energiewende zu beteiligen.
Bei der Förderung von Dach-Photovoltaik schlägt die Stiftung zudem eine Deckelung der EEG-Förderung auf zehn Cent pro Kilowattstunde vor. Diese Fördergrenze soll dann bis 2030 auf sieben Cent sinken. Zugleich soll auch für Neubauten und Gebäudesanierungen eine bundesweite Solarpflicht eingeführt werden.
Um Photovoltaik besser ins Netz einzubinden, sollte nach Ansicht der Stiftung die Leistungsgrenze abgesenkt werden, ab der sich Anlagen an der Direktvermarktung beteiligen müssen. Derzeit sind dazu Solaranlagen mit einer Nennleistung von mehr als 100 Kilowatt verpflichtet. Photovoltaik von 25 bis 100 Kilowatt kann freiwillig an der Direktvermarktung teilnehmen.
Die Pflichtgrenze will die Stiftung bis 2030 schrittweise bis auf zwei Kilowatt absenken. "Bei dem heutigen hohen Anteil der Photovoltaik am Strommarkt geht es nicht mehr an, dass Leute sich eine Anlage anschaffen, den Strom selbst nutzen und alles, was sie nicht selbst verbrauchen können, dann ins Netz einspeisen", begründete Baake die starke Absenkung der Pflicht zur Direktvermarktung.
Balkonkraftwerke sollen von Änderungen ausgenommen bleiben
Die Grenze von zwei Kilowatt ist nicht zufällig gewählt. Diese Gesamtleistung dürfen die Solarmodule der Balkonkraftwerke eines Haushalts derzeit maximal haben. Höchstens 800 Watt dürfen dann ans Netz angeschlossen werden. Diese privaten Kleinerzeuger sollen also nicht zwangsweise an die Strombörse.
Um die Netzdienlichkeit gerade kleinerer Photovoltaikanlagen zu erhöhen, setzt die Stiftung vor allem auf einen Rechtsanspruch zum Einbau eines Smart Meters. Der Smart-Meter-Rollout finde derzeit sehr unterschiedlich statt – und in großen Teilen Deutschlands noch so gut wie gar nicht, gab Baake seine Erfahrungen wieder.
Die Smart Meter sieht die Stiftung wiederum als Voraussetzung, damit die Stromkunden variable Netzentgelte nutzen können. Diese sollten ab 2028 für alle Stromkunden mit Solaranlage, Wärmepumpe und E-Fahrzeugen ganzjährig verpflichtend sein, fordert das Papier.
Der Strommarkt muss nach Ansicht von Baake Signale senden, dass besonders in den Zeiten Strom nachgefragt wird, in denen die Netze nicht ausgelastet sind und viel kostengünstiger Strom vorhanden ist. So ergebe es keinen Sinn, in Berlin abends sein E-Auto zu laden, wenn zugleich das Netz stark belastet ist und die Netzentgelte hoch sind, erläuterte er.
Das aber werde derzeit nicht berücksichtigt, weil die Kunden keine entsprechenden Preissignale haben. Baake: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Preise bei den Konsumenten und bei den Produzenten ankommen, damit sie sich systemdienlich verhalten. Das ist die Herausforderung."