Kohlekraftwerk und Gaskraftwerk in Mellach bei Graz in Österreich.
Das Kohlekraftwerk in Mellach (links) ist vom Netz, das 2011 in Betrieb gegangene Gaskraftwerk (rechts) läuft nur zur "Netzunterstützung". (Foto: TM 04 04/​Wikimedia Commons)

Nur wenigen Medien in Deutschland war es eine Erwähnung wert. Dabei war es keine Untertreibung, als der österreichische Energiekonzern Verbund vor zwei Wochen mitteilte, dass eine Ära zu Ende gehe.

Nach 34 Jahren und 180.000 Betriebsstunden nahm der Energiekonzern das Steinkohlekraftwerk Mellach, das Wärme und Strom für Graz lieferte, vom Netz. Mit der Einstellung des Kraftwerksbetriebs ging die Kohleverstromung in Österreich zu Ende.

Auch Umweltschützer:innen teilen die Einschätzung des Energiekonzerns. "Das Aus für die Kohleverstromung ist ein historischer Tag für den Klimaschutz in Österreich", sagte Johannes Wahlmüller von der Umweltorganisation Global 2000.

Zugleich rief Wahlmüller das Energieunternehmen auf, seine Transformation voranzutreiben: "Auch der Verbund sollte jetzt seine Pläne konkretisieren, wie er die letzten Reste an klimaschädlichen Technologien hinter sich lassen will und ein zu 100 Prozent erneuerbarer Energiekonzern wird."

Bis dahin ist es für den Konzern und für Österreich freilich noch ein weiter Weg – den aber will die Alpenrepublik zügig gehen. "Der Anteil der Kohle an der Bruttostrom- und Fernwärmeerzeugung betrug in Österreich zuletzt nur noch je rund drei Prozent", sagt die Energieforscherin Hanna Brauers von der TU Berlin gegenüber Klimareporter°.

Österreich produziere bereits rund zwei Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien, so Brauers. "Die Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks war ein weiterer wichtiger Schritt, denn bereits 2030 soll der Gesamtstromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen."

Obwohl nun kein Strom mehr mit der klimaschädlichen Kohle produziert wird, kommt der Energieträger noch weiter zum Einsatz. Aus der Stromwende muss noch eine Energiewende werden: Österreichs Stahlindustrie setzt nach wie vor in großen Mengen auf den fossilen Brennstoff. Auch rund 6.000 österreichische Haushalte heizen noch mit Kohle.

Von Erdöl und Erdgas ganz zu schweigen: Laut Global 2000 werden zwei Drittel der Energie für Strom, Heizen, Mobilität und Industrie im Land aus fossilen Energieträgern erzeugt.

Auch das Kraftwerk Mellach legt die Verbund AG nicht still: Der Energiekonzern will es mit Erdgas betriebsbereit halten – um nach eigener Aussage Engpässe bei der Energieversorgung zu vermeiden und das Stromnetz stabil zu halten.

Schweden steigt aus, Deutschland hängt hinterher

Nicht nur Österreich, auch Schweden vollzog im April den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Der Energiekonzern Stockholm Exergi stellte den Betrieb des Kraftwerks Värtaverket ein. "Das letzte Kohlekraftwerk in Schweden ist sogar zwei Jahre vor dem geplanten Ausstiegsdatum vom Netz gegangen", sagt Hanna Brauers.

Eigentlich sollte KVV 6, der letzte noch in Betrieb befindliche Kessel des Heizkraftwerks, noch bis 2022 laufen. Weil der vergangene Winter aber so mild war, wird die Reserve nicht mehr benötigt und der Block endgültig heruntergefahren, wie der Energieanbieter mitteilte.

Värtaverket war noch für rund ein Prozent der Stromerzeugung in Schweden verantwortlich. "Fast 60 Prozent werden aus erneuerbaren Energiequellen generiert", sagt Brauers. Bis 2040 soll der Erneuerbaren-Anteil auf 100 Prozent gesteigert werden. "In Stockholm soll schon 2030 auch die gesamte Fernwärme aus erneuerbarer und recycelter Energie stammen."

Kohleausstieg in Europa

2016 Belgien
2017
2018
2019
2020 Österreich, Schweden
2021
2022 Frankreich

2023 Portugal, Slowakei
2024 Großbritannien
2025 Irland, Italien
2026
2027
2028 Griechenland
2029 Finnland, Niederlande
2030 Dänemark, Ungarn
2031
2032
2033
2034
2035
2036
2037
2038 Deutschland

Polen, Spanien und die südosteuropäischen Staaten haben bislang kein Ausstiegsdatum festgelegt.
 
Quelle: Übersicht von CAN Europe

Als erstes Land in Europa hatte Belgien 2016 den Ausstieg aus der Kohleverstromung vollzogen – als Nächstes könnte Frankreich folgen, das 2022 seine letzten Kohlekraftwerke abschalten will.

"Im europäischen Vergleich steht Deutschland immer schlechter da", sagt Energieforscherin Brauers. "Innerhalb der EU halten neben Deutschland nur noch wenige osteuropäische Länder an der Kohlenutzung über 2030 hinaus fest."

Ein Kohleausstieg bis 2038 steht Brauers zufolge nicht im Einklang mit dem internationalen Klimazielen, wonach Deutschland spätestens 2030 die Kohlenutzung für Strom und Wärme beenden müsste.

"Um den Kohleausstieg zu beschleunigen, müssten vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben und dafür der Deckel für den Photovoltaik-Zubau und die Mindestabstandsregeln für Windenergie überarbeitet werden", so Brauers.

Auch bei der Nutzung von erneuerbaren Energien für die Wärmeversorgung müsse nachgebessert werden, damit ein Ausstieg aus der Kohle nicht zum Ausbau der Erdgasnutzung als weiterem fossilen Energieträger führe.

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