Der noch im Bau befindliche Bürgerwindpark Wewelsburg
Die elf Windräder des Bürgerwindparks Wewelsburg stehen mittlerweile – doch wenn der neue Landesentwicklungsplan so beschlossen wird wie geplant, werden kaum neue Windräder dazu kommen. (Foto: Energieagentur NRW/​Flickr)

Trotz dichter Besiedlung und vieler Schutzgebiete haben fast alle Landkreise in Nordrhein-Westfalen ein erhebliches Ausbau-Potenzial für Windkraftanlagen. Nur das Ruhrgebiet bietet wenig Platz für neue Windräder. Auf 113.000 Hektar beziffert das Landesumweltamt die in NRW zur Verfügung stehende Fläche. Dort könnten rund 9.800 Windräder der Drei-Megawatt-Klasse aufgestellt werden, 71 Milliarden Kilowattstunden Strom könnten die Windkraftanlagen dann jährlich liefern.

2018 haben Erneuerbare gerade mal 22,7 Milliarden Kilowattstunden erzeugt. Nordrhein-Westfalen hat also erheblichen Nachholbedarf.

Nun gibt sich die schwarz-gelbe Landesregierung ambitioniert. Im Jahr 2030 sollen Windräder und Photovoltaikanlagen rund 30 Milliarden Kilowattstunden liefern, sagte Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) bei der Vorstellung der "Energieversorgungsstrategie" am gestrigen Mittwoch im Landtag.

Ziel ist laut Pinkwart, dass 2030 jede dritte erzeugte Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien stammt. Bis 2030 soll die installierte Leistung auf 10.500 Megawatt Windkraft und 11.500 Megawatt Photovoltaik verdoppelt werden.

Die Opposition bezweifelt, ob die Strategie ernst gemeint ist. "Am Mittwoch kündigte Pinkwart an, dass Nordrhein-Westfalen seine Energie in Zukunft vor allem aus erneuerbaren Energien beziehen soll. Wie er dieses Ziel erreichen will, blieb jedoch vollkommen offen", sagte Wibke Brems, klima- und energiepolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.

Auch die Erneuerbaren-Branche ist von Pinkwarts Vorschlägen nicht überzeugt. Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) hält die vorgestellten Ziele für wenig ehrgeizig. Zudem würden die Ausbau-Pläne durch aktuelle Gesetzesvorhaben konterkariert.

"Auf den ersten Blick erscheint die Energiestrategie ambitioniert, doch bei der Umsetzung hapert es", sagte Mario Burda vom LEE NRW gegenüber Klimareporter°. "Faktisch wird mit dem Beschließen des Landesentwicklungsplans der Ausbau der Windkraft massiv abgewürgt."

Grüne: Das kann so nicht funktionieren

Morgen soll der Landtag den neuen Landesentwicklungsplan verabschieden. Darin ist für neue Windräder ein Abstand von 1.500 Metern zur Wohnbebauung vorgesehen. Das würde den Ausbau der Windenergie praktisch zum Erliegen bringen, warnt der LEE NRW.

Zudem sollen künftig keine neuen Windräder in Wirtschaftswäldern aufgestellt werden. Zuvor hatte ein Bündnis aus Energie- und Forstwirtschaft die Regierung aufgefordert, auf das geplante Verbot der Windenergie im Wald zu verzichten – auch weil die beanspruchte Waldfläche für neue Windräder sehr überschaubar ist. Für rund 80 Windräder wurden bislang 32 Hektar Waldfläche dauerhaft umgewandelt.

Weitaus stärker dezimierten Extremwetterereignisse die Wälder Nordrhein-Westfalens. Neben Stürmen wie Wiebke, Kyrill und Friederike haben Trockenheit und ein massiver Schädlingsbefall die Waldbestände in den vergangenen Jahren so stark verringert, dass nach Angaben des Landesbetriebes Wald und Holz mindestens 20.000 Hektar wieder aufgeforstet werden müssen.

"Werden das Verbot von Windkraft im Wirtschaftswald und der 1.500-Meter-Abstand verbindlich beschlossen, dann werden 80 bis 90 Prozent des Potenzials für Windenergie nicht gehoben", rechnete Mario Burda vom LEE NRW vor. Die von Pinkwart angestrebte Verdopplung der Windenergie bis 2030 sei so nicht zu erreichen.

Das sieht auch Wibke Brems so. Ohne Not hielten CDU und FDP am Wahlkampfversprechen des 1.500-Meter-Abstands für Windräder fest, so die Grünen-Politikerin. Dabei verlangten die verfehlten Klimaziele der Bundesregierung für 2020 wie auch der Kohlekompromiss einen massiven Ausbau der Windenergie.

"Die 1.500-Meter-Abstandsregelung und das Verbot im Wirtschaftswald dürften vor Gerichten keinen Bestand haben und vergrößern die Unsicherheit für alle Beteiligten", warnte Brems. Die im Landesentwicklungsplan enthaltene Anti-Windkraft-Politik stehe im absoluten Widerspruch zu den in der Energieversorgungsstrategie formulierten Ziele.

Auch bei der Photovoltaik hat der Wirtschaftsminister aus Sicht der Grünen wenig Substanz zu bieten. "Wie Pinkwart seine 'Solaroffensive' in die Tat umsetzen will, ist weiter unklar", so Brems gegenüber Klimareporter°.

Im Solarkataster des Landes wird das Potenzial mit 80.000 Megawatt angegeben. In den kommenden elf Jahren soll die installierte Leistung von derzeit rund 5.000 Megawatt auf 11.500 Megawatt steigen. "2030 würden dann nur rund 14 Prozent des Potenzials genutzt", kritisiert LEE-Sprecher Burda.

Ergänzung am 14. Juli: Der Landtag hat für den umstrittenen Landesentwicklungsplan gestimmt.

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