Windräder stehen in offener, aufgelockerter Landschaft.
Bürgerwindpark mit Naturstrom-Beteiligung: Unabhängige Ökostromer sind Vorreiter der Energiewende. (Foto: NSE Oberfranken)

Wir schreiben das Jahr 2000: Anfang April tritt das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft und bestimmt im Paragrafen 7: "Für Strom aus Windkraft beträgt die Vergütung mindestens 17,8 Pfennige pro Kilowattstunde für die Dauer von fünf Jahren gerechnet ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Danach beträgt die Vergütung ... mindestens 12,1 Pfennige pro Kilowattstunde."

Auch Windanlagen, die vor 2000 in Betrieb gingen, konnten in den Genuss des EEG-Zuschusses kommen – für 20 Jahre. Kombiniert mit dem Einspeisevorrang, ermöglichten diese garantierten Einnahmen den Betreibern, geschäftlich gesehen, meist ein einfaches Leben. Die Branche nennt es "produce and forget". Was in etwa bedeutet: Kümmere dich um die Erzeugung, mehr muss nicht sein.

Das ändert sich mit dem Herausfallen aus dem EEG gründlich. Nach den 20 Jahren müssen sich die Windparkbetreiber selbst um den rentablen Verkauf ihres Stroms kümmern, auch Zeiten negativer Strompreise überstehen oder längere Windflauten. Entschädigungen bei zu viel Windstrom gibt es auch nicht mehr. Und statt einem Dutzend Cent EEG-Zuschuss gibt es an der Börse derzeit weniger als fünf Cent für die Kilowattstunde.

Anfang 2021 endet bundesweit die Förderung für Altanlagen mit ungefähr 4.000 Megawatt Gesamtkapazität – die genauen Branchenzahlen gehen noch ein bisschen auseinander. Bis Ende 2025 rechnet man mit 16.000 Megawatt "Post-EEG-Windkraft". Würde diese Erzeugung völlig wegfallen, verlöre die Branche rund ein Viertel ihrer heutigen Kapazität – oder ein CO2-Einsparpotenzial von mehr als zehn Millionen Tonnen.

Was weg ist, ist weg

Und was einmal weg ist, ist auch weg. "Die gesetzliche Lage ist so, dass erneuerbare Anlagen, die nach Förderende mangels wirtschaftlicher Perspektive abgeschaltet werden, nicht durch entsprechend erhöhte Ausschreibungen ersetzt werden", warnt Marcel Keiffenheim vom Ökostromunternehmen Greenpeace Energy. "Die alten Anlagen am Leben zu halten senkt deshalb den CO2-Ausstoß in der Stromerzeugung."

Um den Weiterbetrieb von Altanlagen zu sichern, braucht es Börsenstrompreise, die "stabil im Bereich von drei bis vier Cent liegen", schätzt Naturstrom-Sprecher Tim Loppe. Sein Unternehmen gehört wie Greenpeace Energy zu den Ökostrom-Pionieren. Die Großhandelspreise, so Loppe, seien nun einmal die Messlatte, wenn Versorger oder große gewerbliche Abnehmer entschieden, wo und von wem sie ihren Strom einkaufen.

Ob die drei bis vier Cent an jedem Standort reichen, wird man noch sehen. Viele Anlagen sind in die Jahre gekommen. Die für den Betrieb erteilte Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gilt zwar unbefristet, doch die Windanlagen wurden bei ihrem Bau für eben jene 20 Jahre EEG-Förderung konzipiert.

Für einen Weiterbetrieb muss gutachterlich nachgewiesen werden, dass die Betriebs- und Standsicherheit nach wie vor gegeben ist. Das kann kosten, besonders wenn nachzurüsten ist. Probleme könnte es auch geben, wenn der alte Standort nach heutigem Recht eigentlich nicht mehr genehmigungsfähig ist. Kann dann das Windrad weiterlaufen?

Echter Grünstrom, der nicht an die Börse muss

Die Höhe des Strompreises und die rechtlichen Fragen sind aber nicht allein ausschlaggebend. Denn Post-EEG-Strom hat eine gesuchte Eigenschaft: Die Erzeuger müssen ihn nicht mehr an der Börse abliefern, sondern können über ihn frei verfügen – und der Bedarf nach solchem echten und direkt bezogenen Grünstrom wächst. "Gerade für Unternehmen in Deutschland wird es immer wichtiger, ein Zeichen für die Energiewende zu setzen", meint Gero Lücking, Geschäftsführer beim Ökostromer Lichtblick.

Ein gestiegenes Interesse an "freiem" grünem Strom stellt auch der Bundesverband Windenergie (BWE) fest – aufseiten der Verbraucher, bei denen sich ein größeres grünes Bewusstsein bilde, wie auch bei den Unternehmen, die nach mehr Erneuerbaren verlangten, und das nicht nur für die "Corporate Social Responsibility", sondern immer stärker auch aus Kostengründen, wie BWE-Sprecher Christoph Zipf beobachtet.

Was mit den Altanlagen passiert, ist aus Sicht des BWE dennoch weiterhin "zu einem großen Teil offen". Für einen Weiterbetrieb gebe es von den Unternehmen "sehr unterschiedliche Einschätzungen". Einige Betreiber sähen in den sogenannten "Power Purchase Agreements" (PPA) eine Möglichkeit für alte Windanlagen, andere gingen eher von einem Rückbau aus, so Zipf.

Lichtblick schloss jetzt eine erste PPA mit dem Cuxhavener Windkraftbetreiber PNE ab. Die frühere Plambeck Neue Energien AG hatte Mitte Mai den Windpark "Papenrode" mit insgesamt 15 Windanlagen im Landkreis Helmstedt in Niedersachsen übernommen. Kurz danach schlossen PNE und Lichtblick die PPA ab, für zehn im Jahr 2000 gebaute Papenroder Windanlagen. Der Ökostromer nimmt den Windstrom von Anfang 2021 bis Ende 2023 ab.

Nach Lückings Erfahrung ist die zentrale Herausforderung bei PPA, die Risiken und die Erlöspotenziale zwischen Betreibern und den Stromabnehmern richtig aufzuteilen. Vertragliche Details könne er aufgrund der Verschwiegenheitspflicht nicht nennen, aber PNE und Lichtblick hätten eine "gute Lösung gefunden, um den Windpark langfristig nutzen zu können", betont Lücking.

Geteiltes Risiko

Für Marcel Keiffenheim stellt das eigentliche Problem die "Risikotragfähigkeit" der Betreiber dar. Diesen mache die Ungewissheit zu schaffen, "ob die Erlöse die eigenen Kosten tatsächlich übersteigen – oder man doch Minus machen wird", sagt der Greenpeace-Energy-Mann. Das Risiko könnten vor allem die kleineren Anlagenbetreiber oft nicht schultern, Ökostromanbieter hingegen schon.

Auch Greenpeace Energy schloss im Mai eine PPA ab. Die zielt auf den Weiterbetrieb des Windparks Ellhöft in Schleswig-Holstein mit sechs Anlagen zu je 1,3 Megawatt. Fünf Jahre lang ab 2021 nimmt der Ökostromer, wie er mitteilte, dem Bürgerwindpark die Energie zu einem Fixpreis ab.

Nun – ganz "fix" ist der Abnahmepreis nicht, denn wie es weiter heißt, kann er vor Vertragsbeginn noch "nachjustiert" werden. Auch während der fünf Jahre Laufzeit ist es möglich, den Wert anzupassen, sofern die Börsenpreise "über eine bestimmte Schwelle steigen oder darunter sinken". Die damit verbundenen "Risiken und Vorteile" würden sich Betreiber und Greenpeace Energy teilen.

Der Vertrag mit Ellhöft soll nicht der letzte sein. "Wir planen derzeit, einen größeren Mengenanteil im Portfolio via PPA langfristig unter Vertrag zu nehmen", sagt Keiffenheim.

Trotz des geteilten Risikos und der möglichen Vorteile haben die PPA in der Branche noch keine große Begeisterung ausgelöst. Laut einer Übersicht haben neben Lichtblick und Greenpeace Energy vermutlich erst drei weitere Stromerzeuger PPA abgeschlossen – alle fünf zusammen kommen auf weniger als 70 Megawatt Post-EEG-Windkraft.

Wirtschaftliche Optimierung als Dienstleistung

Ob das viel oder wenig ist angesichts Tausender Megawatt, die aus dem EEG fallen, lässt sich noch nicht beurteilen. Denn PPA sind – zum Glück – nicht der einzige Weg, um den Weiterbetrieb alter Anlagen zu sichern.

So disponiert Naturstrom bereits jetzt über rund 900 Megawatt Windkraft, wo sich nicht viel ändert, weil deren Erzeugung schon jetzt direkt an der Strombörse vermarktet wird. Darunter befinden sich auch viele Altanlagen. Mit mehreren Betreibern dieser Anlagen sei man im Gespräch, um den Strom ab 2021 weiter für Naturstrom nutzen zu können, sagt Unternehmenssprecher Tim Loppe.

Kürzlich habe Naturstrom auch einen Windpark in Nordhessen mit dem Ziel übernommen, fünf der dortigen Altanlagen über die EEG-Zeit hinaus zu betreiben. "Der Aufkauf weiterer Altanlagen ist durchaus möglich", schaut Loppe in die Zukunft.

Schließlich verfüge Naturstrom – dank seiner Mehrheit an dem auf Altanlagen spezialisierten Dienstleister Stiegewind – über Expertise bei Betriebsführung, Service und Wartung. "Diese Dienste bieten wir, ergänzt um die kaufmännische Betriebsführung, Betreibern von Altanlagen an", schildert Loppe.

Für Naturstrom gehe es bei den Altanlagen im Kern um Optimierung der Erträge und Kostensenkung. Loppe: "Nur die Kombination aus beidem wird vielen Anlagen im Binnenland den Weiterbetrieb sichern."

Redaktioneller Hinweis: Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking gehört dem Kuratorium von Klimareporter° an.