Ein wichtiger Grund, den das Team Habeck für die Kanzlerkandidatur des einstigen grünen Spitzenpolitikers ins Feld führte, war der Klimaschutz. Dem widmete sich auch der erste Punkt der Zukunftsagenda des Wahlkämpfers Habecks. Die klimaneutrale Erneuerung für alle solle möglich gemacht werden, hieß in der Agenda.
Schon das las sich klimapolitisch verquast. Nach der verlorenen Wahl ließ Habeck viele Klima-Engagierte im Regen stehen. Nach einigem Hin und Her um seine Zukunft listet nun der Auswärtige Ausschuss im Bundestag den ehemaligen Wirtschafts- und Klimaminister als Mitglied.
Habecks Probleme mit dem Klimaschutz überraschen nicht. Dass dieser ein Herzensthema von ihm ist – das Gefühl stellte sich nie so recht ein, weder auf nationaler noch auf internationaler Bühne. So galt Habeck auf Weltklimagipfeln als Besuchsminister. Die konkrete Arbeit überließ er weitgehend seinem Staatssekretär Stefan Wenzel.
Inzwischen zeigt sich auch: Habecks zentrale Klimabotschaft, die Ampel-Regierung und vor allem ihr grüner Teil hätten das deutsche Klimaziel für 2030 wieder in Reichweite gebracht, beruht zu großen Teilen darauf, dass in den letzten Jahren der Verbrauch der energieintensiven Industrien um etwa 20 Prozent zurückging und der Kohleausstieg seine Wirkung entfaltete. Der war allerdings nicht Habecks Verdienst, sondern eines der letzten echten großen Koalition.
Warum gab es keine Heizungskommission?
Auch um das Desaster mit dem Heizungsgesetz, das wohl für immer mit seinem Namen verknüpft sein wird, kümmerte sich Habeck erst dann offenbar intensiv, als die Vorlage Mitte 2023 im Bundestag zu scheitern drohte. Das legen jedenfalls Dokumente aus dem Wirtschaftsministerium nahe.
Überhaupt muss man sich wundern, dass ein grün geführtes Ministerium annahm, die Wärmewende in gut 40 Millionen Haushalten ließe sich auf dem üblichen minsterialbürokratischen Gesetzesweg dekretieren.

Beim Kohleausstieg ging es, wer sich erinnert, um 20.000 Arbeitsplätze, deren Inhaber ohnehin größtenteils in den Ruhestand wechseln würden. Dennoch wurde eine überparteiliche Kohlekommission eingesetzt, die für die Kohlereviere 40 Milliarden Euro lockermachte.
Warum demokratieaffine grüne Minister nicht auf die Idee kamen, die Wärmewende mit einer Art Heizungskommission auf eine breite politische Grundlage zu stellen, bleibt vorerst ihr Geheimnis.
Ein gescheitertes Vorhaben von Robert Habeck könnte aber noch zu Ehren kommen, und zwar das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG). Das lag nach einem gut zweijährigen Polit-Marathon im November 2024 fertig entworfen vor. Das um die FDP dezimierte Ampel-Kabinett verzichtete aber darauf, es zu beschließen, weil sich keine Mehrheit im Bundestag abzeichnete.
Union wollte der Ampel nicht mehr die Hand reichen
Kurz gefasst sah der KWSG-Entwurf vor, 7.000 Megawatt wasserstofffähige Gaskraftwerke zu schaffen, die acht Jahre nach Inbetriebnahme zu einem festen Termin auf Wasserstoff umsteigen müssen. Weiter sollten 500 Megawatt sogenannter Wasserstoff-Sprinterkraftwerke sowie 500 Megawatt Langzeitstromspeicher ausgeschrieben werden. Das ist die sogenannte Dekarbonisierungssäule.
Den Bau weiterer 5.000 Megawatt fossiler Gaskraftwerke ohne Wasserstoff-Umstiegstermin sah der KWSG-Entwurf als Maßnahme zur Versorgungssicherheit in einer zweiten Säule vor.
Dass der Gesetzentwurf scheiterte, habe nicht nur daran gelegen, dass die Union der Ampel-Regierung nicht mehr die Hand reichen wollte, sagte Kerstin Andreae kürzlich auf den Berliner Energietagen. Als zweiten Grund führte die Hauptgeschäftsführerin des Energieverbandes BDEW an: Das KWSG überlasse den Investoren zu viele Risiken.
Besonders die Bestimmung, nach acht Jahren zwangsweise auf Wasserstoff umsteigen zu müssen, stört den BDEW. Diese Pflicht soll beim KWSG nur dann wegfallen, wenn das künftige Kraftwerk nicht ans geplante Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen ist.
Inzwischen aber bedarf die wachsende Stromerzeugung aus Wind und Sonne immer dringlicher der Ergänzung durch sogenannte steuerbare Leistung. Die neue Koalition will aber erstmal den künftigen Strombedarf checken. Das Gutachten dazu soll im August vorliegen, wie zu hören ist.
Branche befürchtet jahrelangen Stillstand beim Kraftwerksbau
Dann bekräftigte die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schon mehrmals, nicht 5.000, sondern gleich 20.000 Megawatt neue Gaskraftwerke ohne Wasserstoff bauen zu lassen, aber möglicherweise mit CCS, also CO2-Abscheidung und -Speicherung.
Das würde wieder jahrelangen Stillstand bedeuten. In dieser Lage sagen nicht wenige in der Branche: Nehmen wir doch den Spatz in der Hand, statt über die Taube auf dem Dach zu spekulieren. Und was hat man? Die insgesamt 12.500 Megawatt neuer Kraftwerke im Habeckschen Kraftwerkssicherheitsgesetz.
Das KWSG hat zudem den Vorteil, dass beide Säulen beihilferechtlich von der EU-Kommission genehmigt sind. Kein Wunder, dass der BDEW im Mai vorschlug, für den Neubau von Kraftwerken den KWSG-Entwurf der Ampelkoalition als Grundlage zu nehmen.
BDEW-Chefin Andreae machte für die Idee bei den Energietagen ordentlich Druck. Man sei jetzt an einem Punkt, an dem wirklich sehr schnell neue, flexible Kraftwerke gebaut werden müssten, sagte sie und verwies unter anderem darauf, dass derzeit über 40 Jahre alte Kohlekraftwerke immer öfter als Reserve einspringen müssen.
Auch der Erneuerbaren-Verband BEE hält den Rückgriff auf das Habeck-Gesetz für plausibel. "Für wasserstofffähige Gaskraftwerke im Umfang von 5.000 Megawatt, die klar auf Klimaneutralität ausgerichtet sind, sind von der EU-Kommission die beihilfrechtlichen Genehmigungen offenbar zu bekommen", erklärt BEE‑Präsidentin Simone Peter auf Nachfrage.
Ihrer Ansicht nach sollten beim Ausbau aber auch die steuerbaren Kapazitäten der Erneuerbaren mit Biogas, Wasserkraft und Geothermie sowie von Speichern und Elektrolyseuren stärker berücksichtigt werden. "Ein Fokus auf rein fossile Kraftwerke mit einem Volumen von 20.000 Megawatt bis 2030 erscheint dagegen zeitlich ambitioniert, ökonomisch schwer darstellbar und auch beihilferechtlich schwierig", kritisiert Peter die Regierungspläne.
Auch der BDEW will das Habeck-Gesetz nicht eins zu eins übernehmen. Sein Wunschkatalog läuft insbesondere darauf hinaus, den Umstieg auf Wasserstoff um Verfügbarkeits-Prüfungen und Härtefallregelungen zu ergänzen. Auch sollen die Kraftwerke, die – ob nun mit Erdgas oder Wasserstoff – nur wenige Stunden in Jahr laufen werden, mit einem Bonus für Systemdienstleistungen bedacht werden.
Ob diese Forderungen EU-beihilferechtlich kompatibel sind oder ob auch hierfür ein gänzlich neues Verfahren nötig ist – darauf ist bisher vom Verband keine Auskunft zu bekommen.