Der Zubau floriert noch. Vor zwei Wochen waren in Deutschland erstmals mehr als 65.000 Megawatt Windkraft an Land installiert, gab der Branchenverband BWE jetzt bekannt.
Weitere rund 4.800 Megawatt sind bereits genehmigt, selbst in Bayern sind es inzwischen 400 Megawatt. Politisch und wirtschaftlich geraten die Erneuerbaren aber in schwierigeres Fahrwasser.
Noch immer fehlt zum Beispiel die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für das schon über ein Jahr alte Solarpaket eins. Brüssel beharrt weiter auf einer Abschöpfung für Einnahmen, die den Förderbedarf übersteigen, einem sogenannten Claw-Back-Mechanismus.
Damit hängt die Förderung so wünschenswerter Innovationen wie Agri- oder Floating-Photovoltaik genauso in der Luft wie das Repowering von Solar-Dachanlagen.
Von dem beihilferechtlichen Stoppzeichen soll inzwischen auch die Umsetzung des noch im Februar vor dem Regierungswechsel verabschiedeten Biomasse-Pakets betroffen sein. Die Biogas-Branche muss sich bei den versprochenen höheren Ausschreibungsvolumen und Flexibilitätszuschlägen sowie längeren Förderzeiten weiter in Geduld üben.
Eine Einführung des Rückzahlungs-Mechanismus ist hierzulande frühestens Anfang 2026 zu erwarten. Für den Herbst soll die Bundesregierung eine entsprechende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EGG) planen. Klar ist schon, dass sich mit den Rückzahlpflichten die wirtschaftliche Lage der Erneuerbaren keineswegs verbessern wird.
Fraktionen brachten Gesetzentwurf selbst ein
Da war es schon ein Lichtblick, dass letzte Woche im parlamentarischen Eilverfahren eine überfällige Teilumsetzung der RED‑III-Richtlinie der EU auf den Weg gebracht wurde. Die Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien war im November 2023 in Kraft getreten.
RED III geht auf die im Dezember 2022 beschlossene EU-Notfallverordnung zurück. Diese hatte Genehmigungsverfahren für Erneuerbare deutlich gestrafft, um die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise zu bewältigen.
Die Notfallverordnung läuft in Deutschland am heutigen 30. Juni aus. Eine rechtzeitige Umsetzung von RED III scheiterte aber am Aus der Ampel-Regierung. Formal gelten deswegen ab morgen die Regeln zum beschleunigten Ausbau der Windkraft nicht mehr.
Um diese Phase kurz zu halten und RED III endlich europarechtskonform umzusetzen, brachten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD letzte Woche selbst einen Entwurf für die nötigen Gesetzesänderungen direkt in den Bundestag ein. Der wurde am Freitag schon in erster Lesung beraten.
Minister erwähnt rechtliche Schwächung nicht
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) lobte im Bundestag das schwarz-rote Tun ausgiebig. Die Vorlage sehe Höchstfristen für die Bearbeitung der Genehmigungsanträge vor, und ab November solle alles auch digital geschehen. Auch gehe die Beschleunigung nicht zu Lasten der Umwelt, sicherte der Minister zu.
Mit keinem Wort erwähnte Schneider allerdings, dass im Gesetzentwurf ein Angriff auf den Ausbau der Windkraft versteckt ist. Denn künftig soll das planungsbeschleunigende "überragende öffentliche Interesse" am Ausbau der Windkraft nur noch so lange gelten, bis die Flächenziele des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in einem bestimmten Gebiet erreicht sind, wie es in der Vorlage heißt.
Dazu muss man wissen: Das von der Ampel-Regierung beschlossene Gesetz "reserviert" zwei Prozent der Landfläche Deutschlands für den Windkraftausbau. Diesen Flächenanteil müssen die Bundesländer – je nach ihren natürlichen Gegebenheiten leicht abweichend – bis Ende 2032 ausweisen. Ende 2027 soll ein Zwischenziel von 1,4 Prozent erfüllt sein.
Die Länder gehen dabei mit dem Flächenziel recht unterschiedlich um. Laut einer Aufstellung der Fachagentur Wind haben einige Länder die Ziele an Planungsregionen übertragen. In anderen Bundesländern wird mit Teilflächenzielen, Flächennutzungsplänen oder Vorranggebieten gearbeitet.
Windkraft darf Landschaftsbild vielerorts nicht "berühren"
Tritt die RED‑III-Umsetzung Ende Juli wie geplant in Kraft, gilt aber künftig: Ist in einem solchen Gebiet das vom Land vorgeschriebene Flächenziel erfüllt, verliert die Windkraft den rechtlichen Status des überragenden öffentlichen Interesses. Ausgenommen davon sollen nur Repowering-Projekte sein.
Natürlich können, sagen Experten, auch dann immer noch neue Windräder oder Windparks errichtet werden. Das werde aber ungleich schwieriger.
Und damit niemand den Sinn der neuen Flächen-Regelung missversteht, soll parallel zur RED‑III-Umsetzung folgende Vorschrift ins Baugesetzbuch aufgenommen werden: Außerhalb von Windgebieten, die der Erfüllung des Flächenziels dienen, soll Windkraft nur noch ausnahmsweise zugelassen werden – und zwar dann, wenn ausgeschlossen ist, dass die natürliche Eigenart der Landschaft oder der Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild berührt werden.
Wer sich ein bisschen mit juristischen Auseinandersetzungen um Windkraft auskennt, erkennt schnell, dass so ein "Berührungsverbot" für das Orts- oder Landschaftsbild den Ausbau der Windkraft de facto zum Erliegen bringt.
Während sich in der Bundestags-Debatte Grüne und Linke dazu ausschwiegen, lobte Sascha van Beek von der CDU/CSU-Fraktion die neue Vorschrift. Da die Länder die Flächen vorgeben und auch nur dort Anlagen errichtet werden, könne es außerhalb davon nur zusammen mit den Kommunen gehen, erklärte van Beek. Das sei kein Rückschritt, sondern Grundlage für Akzeptanz.
Die Windbranche selbst ließ sich zu einer scharfen öffentlichen Kritik noch nicht hinreißen. "Wir halten den Angriff auf das überragende öffentliche Interesse für ein falsches Signal", erklärte Wolfram Axthelm Ende letzter Woche bei einem Branchentermin. Die geplante Regelung trage Verunsicherung in die Branche und passe auch nicht zum Koalitionsvertrag, der ausdrücklich am Windenergie-Ausbau festhalte, sagt der BWE‑Geschäftsführer.
Vielleicht sollte die Branche den Koalitionären nochmal ein Seminar Koalitionsvertrag spendieren.