Solarstrom geht heutzutage fast überall. An der Fassade, auf dem Dach oder auch im Kleingarten. Warum Heckenschere, Wasserpumpe oder Rasenmäher nicht mit eigenem Ökostrom betreiben? Und wenn ein Kleingarten den sozialen Sinn hat, sich und die Familie mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen, warum sollte nicht auch selbst erzeugter Strom dazugehören?
So in etwa dachte das Ehepaar Lau aus Königs Wusterhausen, einer Stadt gleich südlich von Berlin. Auf dem Gewächshaus ihres Kleingartens hatten die Laus 2022 eine Solar-Steckeranlage installiert.
Vom Vorstand des Kleingartenvereins anfangs toleriert, gab die Solaranlage bald Anlass zum Streit, der schließlich in eine handfeste juristische Auseinandersetzung mündete. Derzeit muss sich das Ehepaar sogar gegen die Kündigung seines Pachtvertrags wehren, unterstützt auch von der Deutschen Umwelthilfe, wie die Organisation diese Woche bekannt gab.
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit den Umweltschützern zeigten sich die Laus ob der Kündigung ihres Pachtgartens "zutiefst schockiert". Mit der Klage dagegen und auch mit Aufklärungsarbeit hoffen sie nun, die Energiewende auch im Kleingarten voranzubringen.
Photovoltaik im Kleingarten ist nicht verboten
Aufklärung tut auf jeden Fall not. Um den Streit zu verstehen, muss man in die Gefilde des deutschen Kleingartenrechts einsteigen.
Das geltende Bundeskleingartengesetz sage an keiner Stelle, dass Photovoltaikanlagen in den Parzellen verboten sind, stellt Rechtsanwalt Sebastian Lange von einer auf Solarenergie spezialisierten Kanzlei in Potsdam fest. Lange vertritt auch die Laus.
Verboten sei vielmehr die Wohnnutzung von Kleingärten, erläutert der Anwalt weiter. Lange Zeit sei daraus abgeleitet worden, dass eine Stromversorgung wie auch Anschlüsse an Wassernetz und Kanalisation nicht zulässig seien, weil das der Wohnnutzung Vorschub leistet.
Diese Sicht hält der Rechtsanwalt für überlebt. In vielen Kleingärten gebe es inzwischen ganz selbstverständlich eine Stromversorgung aus dem öffentlichen Netz. Einen Kleingarten ohne Strom zu nutzen, sei heute "kaum noch denkbar", betont Lange.
Unerwünschte Entwicklung in Richtung Wohnnutzung?
Strom aus dem Netz scheint also unproblematisch zu sein, bei eigenem Solarstrom gilt das offenbar nicht so ganz. Da hat zum Beispiel der Bundesrat Bedenken.
Eine "uneingeschränkte" Verwendung von Photovoltaik könne eine "unerwünschte Entwicklung" von einer reinen Gartenlaube hin zu einer Wohnnutzung begünstigen, stellte die Länderkammer im Oktober 2023 in einem Beschluss fest. Eine solche Entwicklung läge nicht im Interesse der Pächter.
Um dem zu begegnen, brachte die Länderkammer letztes Jahr in den Bundestag eine Gesetzesinitiative ein. Danach soll im Bundeskleingartengesetz rechtssicher klargestellt werden, dass kleine Solaranlagen bis 800 Watt in Kleingärten installiert werden können.
Die Initiative der Länder wird allerdings von der Ampel-Regierung bisher abgelehnt, mit der Begründung, die Nutzung von Photovoltaikanlagen für sogenannten "Arbeitsstrom" sei bereits zulässig. Mit "Arbeitsstrom" ist die Elektrizität gemeint, die zum Betrieb von Gartengeräten zur Bewirtschaftung des Kleingartens genutzt wird.
Unter diese Geräte fiele eine elektrische Heizung für die Laube sicher nicht, aber was ist mit einem Kühlschrank zum Frischhalten der geernteten Gartenfrüchte? Und dürfte der Pächter in dem Kühlschrank dann auch Getränke lagern?
Verbände wollen Rechtssicherheit für Solarsteckgeräte
Ob solcher Spitzfindigkeiten findet auch Rechtsanwalt Lange das Kriterium "Arbeitsstrom" ungeeignet und spricht von einer Arbeitsverweigerung der Bundesregierung beim Kleingartengesetz.
Auch lege das von der Ampel kürzlich verabschiedete Solarpaket doch ausdrücklich fest, dass der Ausbau der Erneuerbaren in überragendem öffentlichen Interesse liege, argumentiert Lange. Dass man heute noch eine solche kleingärtnerische Diskussion um Photovoltaik führen müsse, sei altes und überkommenes Denken, meint er.
Die bestehende rechtliche Unsicherheit gefährdet auch für Anton Marx die Energiewende im Kleingarten. Es gebe zwar noch Kleingartenanlagen ohne Strom- und Wasserversorgung, aber man lebe jetzt doch im 21. Jahrhundert, sagt der Vorstand vom Fairbund freier Kleingartenvereine. Durch politische Maßnahmen oder eine Überarbeitung des Bundeskleingartengesetzes müsse Rechtssicherheit geschaffen werden, fordert er.
Dabei ist für Marx klar, dass wie bisher ein Drittel des Gartens für Obst, Gemüse oder andere Anbaukulturen genutzt werden muss. Werde die Photovoltaik im Garten auf vorhandene Bauten wie Laube oder Gewächshaus gesetzt, gehe aber gar keine Anbaufläche verloren, betont der Fairbund-Vorstand.
Auch Barbara Metz stört es, dass die Bundesregierung sich gegen eine gesetzliche Klarstellung entschied. "So werden weiterhin zahlreiche Kleingartenpächter mit nicht nachvollziehbaren Verboten im Stich gelassen", erklärt die Vizechefin der Umwelthilfe.
Ganz so einfach wie im eigenen Haus (siehe Kasten unten) funktioniert Solarstrom im Kleingarten nicht. Weil Kleingartenanlagen in der Regel nur über einen einzigen Netzanschluss verfügen, versorgen Solarstromer die Gartennachbarn kostenlos mit, wenn sie ihre Module ans Stromnetz der Kleingartenanlage anschließen. Mit dem beschlossenen Solarpaket ist es nun wenigstens kein Problem mehr, wenn der Stromzähler des Gartenvereins zeitweise rückwärts läuft.
Der gemeinsame Netzanschluss bewahrt die kleingärtnerischen Solarstromer aber auch nicht davor, ihre jeweilige Anlage wie vorgeschrieben beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anzumelden.
Die Bundesregierung ihrerseits beharrt zwar vorerst auf dem "Arbeitsstrom", hält es dabei aber rechtlich für möglich, dass sich Kleingärtner gemeinsam eine größere Photovoltaikanlage zulegen – jenseits der 800-Watt-Grenze, wie sie für Solarsteckgeräte gilt.
Übrigens hat sich der Streit in Königs Wusterhausen um die Solaranlage der Laus zwischenzeitlich ein wenig entschärft. Nach Einreichung der Klage ist die Kündigung durch den Kleingartenverein erstmal zurückgestellt worden. Jetzt warten alle auf die gerichtliche Entscheidung.
Vereinfachte Regeln für "Balkonkraftwerke"
Das kürzlich beschlossene Solarpaket der Bundesregierung hat die Nutzung von Steckersolargeräten, sogenannten Balkonkraftwerken, deutlich verbessert:
- Die Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt vollständig. Das Gerät muss nur noch beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur angemeldet werden.
- Die Geräte können mit vorhandenen Stromzählern betrieben werden. Ein zeitweiliges Rückwärtslaufen des Zählers wird toleriert.
- Die maximale Leistung für Steckersolargeräte, gemessen an der Leistung des Wechselrichters, beträgt nunmehr 800 Watt.
- Balkonkraftwerke können seit einiger Zeit in der Hausratversicherung mitversichert werden.
Die neuen gesetzlichen Vorschriften müssen noch in neue Normen umgesetzt werden. Dazu hat der zuständige Verband VDE kürzlich einen zweiten Entwurf für eine Produktnorm für Balkonkraftwerke veröffentlicht. Dieser sieht entsprechend vor, die maximale Einspeiseleistung von 600 auf 800 Watt zu erhöhen sowie den Anschluss der Mini-Solaranlage auch über einen Schukostecker einer herkömmlichen Haushaltssteckdose zu gestatten. Den neuen Entwurf können registrierte Nutzer einsehen und bis zum 3. Juli Stellungnahmen einreichen.