
Ein Kampf ist entbrannt um die Stromspeicher in deutschen Haushalten. In ihrem kürzlichen Positionspapier zum "Neustart der Energiewende" warten die Energiekonzerne RWE und Eon zunächst mit bekannten Forderungen auf – dem Bau von Zehntausenden Megawatt Gaskraftwerken, dem Beschneiden der Offshore-Windkraft oder der Streichung der Einspeisevergütung für künftige Grünstrom-Erzeugung.
In dem RWE‑Eon-Papier findet sich aber auch ein Passus zu sogenannten "Kleinstflexibilitäten". Damit sind offenbar Stromspeicher in Haushalten, Wallboxen für E‑Autos oder flexible Wärmepumpen gemeint.
Diese Haushalte sollten, heißt es im Papier, schnell mit Smart Metern ausgestattet werden. Die Kosten für die Haushalte würden sich über ersparte Stromkosten rechnen, versichern Eon und RWE. Die intelligente "Kleinstflexibilität" soll zudem durch "Aggregatoren" gebündelt und an den Strommarkt gebracht werden.
Die Konzernpläne ernten scharfe Kritik. Bei Haushalten mit eher kleinen Flexibilitäten wie Heimspeichern würde eine Ersparnis durch die Mehrkosten von Smart Meter und Steuer-Technologie "aufgefressen", warnen die Deutsche Umwelthilfe und der Bundesverband Steckersolar in einer gemeinsamen Erklärung.
Zudem würden die "Aggregatoren" einen gehörigen Anteil der ohnehin geringen Ersparnis abgreifen. Beide Verbände sehen in den RWE‑Eon-Forderungen einen "beispiellosen" Angriff auf die Energiewende in Bürgerhand.
Ohne neue Vorschriften und ohne Smart Meter
In die aufgeheizte Debatte kommt jetzt eine Initiative der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Mit dem Motto "Dein Stromspeicher kann mehr!" wollen die HTW-Fachleute Photovoltaik-Betreiber motivieren, die Batteriespeicher an Sonnentagen erst zur Mittagszeit zu laden und damit netzdienlicher zu betreiben.
An der Initiative ist schon mal bemerkenswert: Sie kommt ohne neue Vorschriften oder Gesetze und ohne Smart Meter und Aggregatoren aus. Ein paar Klicks an der richtigen Stelle genügen.
Das Interesse an "Kleinstflexibilitäten" hat Gründe. In der unteren Klasse bis 20 Kilowattstunden Kapazität sind schon etwa 1,8 Millionen Speicher in deutschen Haushalten installiert. Zusammen könnten sie bis zu 15 Millionen Kilowattstunden speichern und alle Haushalte hierzulande rechnerisch eine Stunde lang versorgen.
Zum Vergleich: Alle Pumpspeicherwerke in Deutschland haben derzeit eine Kapazität von 40 Millionen Kilowattstunden, also knapp das Dreifache.
Heimspeicher sind damit stromwirtschaftlich eine relevante Größe. Das haben die Speicherexperten der HTW mit ihrer Initiative im Blick. Die zielt darauf, mithilfe der Speicher die sogenannte Solarspitze zur Mittagszeit abzutragen.
Dazu schlagen die HTW-Fachleute vor, die Fahrweise der Heimspeicher zu modifizieren. Meist laden diese an sonnigen Tagen bereits am Vormittag so viel Strom, dass mittags kein Platz mehr übrig ist. "Die gesamten Überschüsse gehen dann ins Stromnetz", erklärt Johannes Weniger, Stromspeicherexperte von der HTW.
Speicher halten länger, EEG-Kosten sinken
Das soll sich durch eine prognosebasierte Fahrweise ändern. Eine Art virtueller "Energiemanager" im Gerät oder im Netz berücksichtigt Sonnenscheindauer und Strombedarf, erstellt einen Plan – und verlagert, wenn die Sonne scheint, die Speichertätigkeit der Batterie in die Zeit mit hohem Solarstromangebot, also in die Mittagsstunden.
Für Johannes Weniger sollten an sonnigen Tagen alle Solarstromspeicher erst um die Mittagsstunden laden. Um den Speicher prognosebasiert umzustellen, genügen nach den Angaben einige Klicks. Wie es funktioniert, zeigen die HTW-Fachleute auf einer Webseite namens "So aktivierst du die prognosebasierte Batterieladung".

Das "High-noon-Laden" schleift nicht nur die Solarspitze ab, es bringt auch Vorteile für die Betreiber. Weil die Batterien so über kürzere Zeiten voll geladen sind, steigt ihre Lebensdauer wie auch die Effizienz. Der Speicher könne bis zu zwei Jahre länger halten und bei den Stromkosten könnten bis zu 800 Euro zusätzlich eingespart werden, rechnen die HTW-Experten aus.
Sie wollen die Vorteile des prognosebasierten Ladens durch ihre Initiative auch besser kommunizieren. In der Wissenschaft gebe es dazu seit Jahren einen regen Austausch, aber bei Installateuren und privaten Haushalten sei das Problembewusstsein noch nicht sehr ausgeprägt, erläutert Johannes Weniger.
Und "high noon" hat weiteren Nutzen: Laden die Speicher mittags, reduzieren sich die Zeiten, wo Solarstrom bei sehr niedrigen Preisen an der Strombörse ins Netz gespeist wird.
Simulationen der HTW Berlin zeigen: Intelligentes Laden zur Mittagszeit hätte 2024 den Marktwert des eingespeisten Solarstroms von 3,2 auf 4,1 Cent je Kilowattstunde erhöht. Bei einem höheren Strompreis nehmen die Netzbetreiber mehr ein. Das wiederum senkt die Kosten für die Einspeisevergütung aus dem EEG-Konto.
Jeder zweite Heimspeicher lässt sich umstellen
"Wir könnten den Bundeshaushalt um einen zweistelligen Millionenbetrag entlasten, wenn alle Heimspeicher mittags laden", erklärt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW.
Viele dieser Effekte sehen die Experten bei dem noch von der alten Regierung beschlossenen Solarspitzen-Gesetz nicht. Dieses betrifft nur neu installierte Photovoltaik-Anlagen. Die Einspeiseleistung muss auch nur so lange auf 60 Prozent begrenzt werden, bis ein Smart Meter nachgerüstet ist.
Und bei negativen Börsenstrompreisen bekommen die Solarstromer zwar keine Vergütung, das bedeutet aber nicht unbedingt, dass kein Strom eingespeist wird.
Einige Firmen, die eine prognosebasierte Fahrweise anbieten, unterstützen die HTW-Initiative. Welche das sind, steht ebenfalls auf der Seite der Stromspeicher-Initiative.
Bei Weitem nicht alle Heimspeicher können aber auf "high noon" umgestellt werden. Aktuell ist prognosebasiertes Fahren nach den Angaben bei etwa einer Million Speichern bis 20 Kilowattstunden möglich, also bei gut der Hälfte. Dieser Anteil sinkt derzeit allerdings, ist zu hören – offenbar auch eine Folge des auf dem Speichermarkt entbrannten Preiskampfes.