Solarpaneel, im Hintergrund Windräder und die Abendsonne.
Die günstigen Umstände für die Erneuerbaren halten 2020 an. (Foto: Lovelyday Twelve/​Shutterstock)

Nach dem Rekordhoch im ersten Quartal ist der Anteil des Ökostroms am Stromverbrauch in Deutschland den Sommer über wieder leicht gesunken.

Im Zeitraum von Anfang Januar bis Ende März 2020 hatten erneuerbare Quellen einen Anteil von fast 52 Prozent erreicht. Zum ersten Mal war über einen so langen Zeitraum mehr Grünstrom im Netz als konventioneller Strom aus Kohle, Erdgas und Atomkraft.

In der Folgezeit sank der Ökostrom-Anteil wieder unter die Hälfte und liegt jetzt Ende September bei 48 Prozent. Das zeigen vorläufige Zahlen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Energiebranchenverbandes BDEW. Dennoch übertreffen die 48 Prozent den Anteil im Vergleichszeitraum 2019 um fünf und den von 2018 um fast zehn Prozentpunkte.

Eine Ursache des nach wie vor hohen Erneuerbaren-Anteils waren günstige Windbedingungen. Damit konnte die Windenergie gegenüber dem Vorjahr deutliche Zuwächse verbuchen: sieben Prozent an Land und sogar zehn Prozent auf See. Gleichzeitig sorgten ungewöhnlich viele Sonnenstunden für einen kräftigen Anstieg beim Solarstrom von 13 Prozent.

Die stärkere Grünstromerzeugung ist laut den Angaben für rund die Hälfte des diesjährigen Anstiegs der Erneuerbaren-Quote verantwortlich. Die andere Hälfte des relativen Ökostrom-Zuwachses beruht auf einem Minus beim Stromverbrauch. Vor allem wegen der Coronakrise ging dieser von Anfang Januar bis Ende September um knapp fünf Prozent zurück.

Insgesamt wurden den Angaben zufolge in den ersten drei Quartalen rund 192 Milliarden Kilowattstunden aus Wind, Sonne und anderen regenerativen Quellen erzeugt, 2019 waren es im gleichen Zeitraum 182 Milliarden gewesen. Die größten Anteile lieferten nach wie vor Windkraft an Land mit 76 Milliarden und Photovoltaik mit 46 Milliarden Kilowattstunden.

Bis zum 65-Prozent-Ziel noch ein "weiter Weg"

Nach Ansicht von BDEW-Chefin Kerstin Andreae machen die Zahlen deutlich, dass bis zum 65-Prozent-Ziel im Jahr 2030 "noch ein weiter Weg" zurückzulegen ist. "Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine ambitionierte EEG-Novelle", betonte Andreae.

Der Entwurf der Bundesregierung für das neue EEG 2021 enthalte bereits richtige Ansätze, an einigen Stellen müsse aber noch nachgeschärft werden. Als Beispiele nannte Andreae die Eigenversorgung, die ausgeförderten Anlagen und den Umgang mit einer Stromeinspeisung bei negativen Börsenpreisen.

Die BDEW-Chefin kritisierte dabei erneut die Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums, das für 2030 einen gegenüber heute kaum veränderten Stromverbrauch annimmt und sich so dem 65-Prozent-Ziel rechnerisch nähert. Diese Annahme sei "nicht realistisch", so Andreae, wenn man für das Zieljahr von zehn Millionen Elektrofahrzeugen und einem steigenden Strombedarf im Wärmemarkt und in der Industrie ausgehe.

Für ZSW-Vorstand Frithjof Staiß ist der wachsende Ökostromanteil eine "gute Nachricht". Auch er mahnt aber, sich davon nicht täuschen zu lassen – es liege "noch sehr viel Arbeit vor uns".

Der Ausbau der Erneuerbaren müsse eine weit größere Dynamik als bisher bekommen, forderte Staiß. Das gelte für Deutschland, aber auch europaweit. Ein schneller Ausbau der Grünstromerzeugung sei nicht nur eine Voraussetzung für das 55-Prozent-Klimaziel der EU, sondern auch für den Erfolg der nationalen und der europäischen Wasserstoffstrategie.