Weite Horizonte, flaches Land, endlose Felder – offene Landschaften prägen Brandenburg. Die Böden gelten vielerorts als wenig ertragreich, große Teile des Bundeslandes sind von sandigen Äckern und Wiesen durchzogen. Was früher oft als Nachteil galt, wird heute zum Standortvorteil: Brandenburg ist zum Hotspot der Energiewende geworden.
Einer der größten Solarparks liegt zwischen Weesow und Willmersdorf nahe dem Städtchen Werneuchen, rund 25 Kilometer nordöstlich von Berlin. Reihe an Reihe und Modul für Modul zieht sich ein riesiges Raster wie ein technisches Feld über die Landschaft. Doch nicht nur die 187 Megawatt installierter Leistung und die entsprechend beachtliche Ausdehnung machen diese Anlage so besonders.
Mit dem Solarpark entstand vor knapp fünf Jahren auch ein neuer Lebensraum für die Feldlerche – eine Vogelart, die auf der Roten Liste steht und nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit gefährdet ist.
Wer heute auf das Gelände blickt, sieht zunächst eine eher eintönige Landschaft. Die Solarpanels reichen bis zum Horizont, die Flächen dazwischen sind braun gefleckt. 209 Hektar Fläche hat der Photovoltaik-Park insgesamt, davon sind knapp 80 Prozent mit Modulen bebaut.
Doch einer der luftigen Sänger meldet sich ständig zu Wort und macht deutlich, dass hier weitaus mehr Leben ist, als man beim Drüberschauen vermutet.
Seit Ende 2020 betreibt der baden-württembergische Energiekonzern EnBW den Solarpark. Das Gelände ist in fünf umzäunte Abschnitte unterteilt, vier dieser Flächen gehören EnBW selbst. Die fünfte ist ein Zehn-Megawatt-Solarpark der Firma Procon Solar aus Cottbus, die das ganze Projekt seit 2009 vorentwickelt hatte.
Nach Angaben von EnBW erzeugt der Park jährlich insgesamt rund 180 Millionen Kilowattstunden Strom – rein rechnerisch genug für etwa 50.000 Haushalte.
Es grünt so grün
Das riesige Solarkraftwerk scheint jedoch die Natur zu verschlucken. "Hier wächst nicht das Blütenmeer, wie man es aus anderen Solarparks kennt", erklärt Timur Hauck, Experte für Natur- und Artenschutz bei EnBW.
Hinzu kommt, dass dieses Frühjahr besonders trocken war und nur etwa die Hälfte des durchschnittlichen Niederschlags fiel. Das ist auch in Werneuchen spürbar. Dem eh schon sandigen Boden fehlt das Wasser und die eigentlich grünen Randbereiche des Parks sind braun.
"Aber man sieht: Zwischen den Modulreihen ist es sehr viel grüner", sagt Hauck. Tatsächlich zeigt sich das Gras unter den Modulen in einem saftigeren Grün als auf offenen Flächen – und das nicht ohne Grund.
Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden hat unter anderem den Wasserhaushalt im Solarpark Werneuchen untersucht. Das Ergebnis: Unter den Solarmodulen verdunstet im Schnitt deutlich weniger Wasser als auf unbeschatteten Referenzflächen.
Anfangs war der Boden der Referenzflächen zwar feuchter – langfristig hielt sich die Feuchtigkeit jedoch besser unter den Modulen, da dort weniger direkte Sonneneinstrahlung und Verdunstung stattfinden. Daher ist bei Trockenheit auch Wasser aus den tieferen Schichten unter den Solarmodulen verfügbar.
Das kommt auch dem Weesower Luch zugute, einem Fauna-Flora-Habitat und Naturschutzgebiet, das südlich an den Park angrenzt. "Es bleibt mehr Wasser übrig. Das kann unter anderem dem Naturschutzgebiet zufließen, das davon profitiert", sagt Hauck.
Gutes Mikroklima für Insekten
Dennoch werden Solarparks nicht immer mit offenen Armen empfangen. Häufig wird kritisiert, Solaranlagen würden die Landschaft verschandeln – eine Kritik, die Biologin Katharina Blume von EnBW nicht teilt. "Im Gegenteil", sagt sie, "man schafft ein Mikroklima für Organismen, in dem sich kleine Biotope entwickeln." Das sei gut für Insekten – und vor allem für die Feldlerche, die hier ideale Bedingungen für Nahrung und Brut finde.
Dass Solarparks auf ehemaligen Agrarflächen einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt leisten, soll auch eine im März veröffentlichte Feldstudie des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE) zeigen. In insgesamt 30 untersuchten Anlagen wurden über 550 Arten, darunter 385 Pflanzenarten, nachgewiesen.
Laut der Untersuchung schaffen Solarparks strukturreiche Lebensräume, in denen sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ansiedeln können – auch solche, deren Bestände in der Agrarlandschaft sonst rückläufig sind. Eine ähnliche Studie hatten dieselben Autoren schon 2019 vorgelegt.
Dass der EnBW-Solarpark nicht durch ein Blütenmeer auffällt, liegt laut dem Unternehmen weniger an fehlender Artenvielfalt als an den lokalen Standortbedingungen. "Solarparks sind sehr unterschiedlich", erklärt Timur Hauck. Die Planung zur Förderung der Biodiversität richte sich unter anderem nach dem Abstand der Modulreihen und den Vegetationsstrukturen.
Noch vor dem Bau wurde auf der Fläche heimisches Saatgut ausgebracht. "Wir verwenden ausschließlich Arten, die natürlich hier vorkommen, um sogenannte Florenfälschung zu vermeiden", erläutert Hauck.
"Feldlerchen ziehen Solarflächen vor"
Charakteristisch sei jedoch die extensive Nutzung – also eine Flächenbewirtschaftung mit wenig menschlichen Eingriffen. In Werneuchen bedeutet das: Grünflächenbewirtschaftung und die Feldlerche im Vordergrund. Von März bis Oktober halten Schafe das Gras kurz – ein idealer Zustand für die Feldlerche.
Das bestätigt auch ein Monitoringbericht für den Solarpark aus dem Jahr 2023. Unter allen Arten trat demnach die Feldlerche am häufigsten auf. Sie habe alle Referenzflächen in außergewöhnlich hohen Dichten besiedelt, heißt es in dem Bericht eines privaten Gutachterbüros.
Diese Population sei in dem Solarpark drei- bis viermal so groß wie auf herkömmlich bewirtschafteten Feldern, betont der Biologe Matthias Stoefer. Der Gutachter war unter anderem für die Artenkartierung auf der Anlage verantwortlich und lieferte die Daten für den Monitoringbericht.
Die Gründe sieht Stoefer in der besonderen Vegetationsstruktur innerhalb der Parks und dem Schutz vor Fressfeinden wie Füchsen. Auch die extensive Bewirtschaftung ohne Pestizide und Dünger spiele eine Rolle. "Deshalb gehen wir davon aus, dass der Bruterfolg der Feldlerche im Solarpark deutlich höher ist als auf normalen Feldern", erklärt Stoefer.
Der Biologe kennt die Fläche schon lange. Bereits 2010 führte er eine Voruntersuchung der Fläche bei Werneuchen durch. Damals war der Bau der Anlage schon einmal geplant. Doch das Projekt kam durch den damaligen Förderstopp für Photovoltaik auf Ackerflächen zum Erliegen – erst 2018 nahm EnBW die Planung wieder auf.
Auch in diesem Jahr ist Stoefer wieder für die Kartierung der Brutvögel und der Vegetation auf dem Gelände unterwegs. "Wir haben 2023, im zweiten Jahr nach Fertigstellung, mit dem Monitoring angefangen", erzählt er.
Auf verschiedenen Referenzflächen – sowohl mitten im Solarpark als auch am Rand – erfasst er den Brutvogelbestand sechsmal im Jahr: je zweimal im April, Mai und Juni. Dazu geht er festgelegte Routen ab und dokumentiert alles, was er sieht und hört, auf seinem Tablet – besonders den Gesang der Vögel. "In der Gesamtschau aller sechs Begehungen ergibt sich dann ein sehr genaues Bild."
Mit richtiger Pflege zu mehr Artenvielfalt
Bei der Planung der ökologischen Maßnahmen sei entscheidend, welche Arten bereits zuvor auf den Flächen vorkamen und wo ein Ausgleich stattfinden muss, erklärt Matthias Stoefer.
Früher dienten die Flächen intensivem Ackerbau. "Abgesehen von Feldlerche, Schafstelze und vielleicht einer Wachtel kommt auf so einem Acker kaum etwas vor", so der Biologe. Im Vergleich dazu hätten Solarparks eine sehr positive Wirkung.
Da auf einem ehemaligen Acker jedoch noch kaum etwas wächst, müssen sich Wissenschaftler:innen erst überlegen: "Was würde hier wachsen, wenn es den Menschen nicht gäbe?"
Wie auch die Insektenvielfalt von Solaranlagen profitiert, erläutert EnBW-Experte Hauck. "Hier sind viele Heuschreckenarten, Wildbienen und andere Bestäuber zu finden. Überall dort, wo es viele Blütenpflanzen gibt." In Werneuchen seien die Insektenarten wohl auf die Schafbeweidung zurückzuführen, sagt Hauck.
"Mit dem richtigen Pflegekonzept sind Solarparks ein Zugewinn für die Insektenvielfalt", präzisiert seine Kollegin Blume.
Generell sei kurz nach Inbetriebnahme eines Solarparks eine Verschiebung in Artenspektrum und -häufigkeit zu beobachten, erklärt die Biologin. Besonders im Frühling ist eine große Zahl an Insekten wichtig für die Ernährung der Jungvögel. Aber auch die Landwirtschaft in der Nähe profitiere, so Blume. "Die vielen Insekten im Park können rausfliegen und den benachbarten Acker bestäuben."
Weitere Maßnahmen wie der Bau eines Wildtierkorridors ergänzen das Gesamtkonzept. In dem Grünstreifen aus Hecken und Sträuchern finden auch Arten wie Grauammer oder Steinschmätzer Lebensraum. Matthias Stoefer: "Wenn man alles betrachtet, dann entsteht in einem Solarpark mehr, als dort vorher war."
Ausgleichsmaßnahmen gibt es trotzdem. Hierfür wurden außerhalb des Solarparks heimische Gehölze, Sträucher oder Trittsteinbiotope angelegt. Solche Maßnahmen müssten dann umgesetzt werden, sobald das Zerstörungsverbot greift, erklärt Timur Hauck. Das sei häufig bei Flächen der Fall, auf denen die Feldlerche brütet.
"Mittlerweile wird jedoch anerkannt, dass die Feldlerche mit den Veränderungen durch Solarparks gut zurechtkommt." Deshalb entwickle man inzwischen kleinere, angepasste Ausgleichskonzepte.