Windräder bei Sonnenaufgang
Eine neue Energiezukunft zeichnet sich in Deutschland ab. (Foto: H. Hach/Pixabay)

Die Energiewende in Deutschland nimmt deutlich Form an – zumindest im Strombereich. Im ersten Halbjahr 2018 trugen die Erneuerbaren zur Stromerzeugung schon 41,5 Prozent bei (Nettowert). Das geht aus einer Auswertung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg hervor, die am heutigen Montag veröffentlicht wurde und auf Daten der vier großen Netzbetreiber sowie des Statistischen Bundesamts und der Strombörse EEX beruht.

Den größten Anteil am Gesamtergebnis lieferte die Windenergie mit rund 20 Prozent, gefolgt von Biomasse und Sonnenenergie mit jeweils gut acht Prozent.

Damit produzierten die Ökoenergien mehr Strom als alle Kohlekraftwerke zusammen (38 Prozent). Die verbliebenen Atomkraftwerke kamen auf knapp 13 Prozent, Gaskraftwerke erreichten nur sieben Prozent. Im ersten Halbjahr produzierten erneuerbare Energien erstmals mehr als 100 Milliarden Kilowattstunden – 114 Milliarden errechnete das Fraunhofer ISE. Der Energiekonzern Eon kommt hingegen auf 104 Milliarden Kilowattstunden.

"Die Steigerung im ersten Halbjahr ist zurückzuführen auf ein sehr gutes Angebot von Wind und Sonne sowie auf den sehr hohen Zubau von Windkraft an Land und auf See im vergangenen Jahr", erklärt Christoph Podewils von der Denkfabrik Agora Energiewende gegenüber Klimareporter°. Im Wesentlichen sei das noch das Ergebnis des bisherigen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit fester Einspeisevergütung.

"Um ein ähnliches Wachstum zu halten, sollte die Bundesregierung jetzt schnell die Sonderausschreibungen für Wind- und Solaranlagen, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, unter Dach und Fach bringen", sagt Podewils. Andernfalls werde sich die Bundesregierung noch weiter von ihren Klimaschutzzielen wegbewegen.

Dass die Erneuerbaren 18 Jahre nach Inkrafttreten des ersten EEG von einer Nischentechnologie zum Standard geworden sind, zeigt sich auch in der Rhetorik der Energiekonzerne, die sich über viele Jahre gegen diesen Wandel gestemmt und weiter auf fossile Energien gesetzt hatten. Die Sichtweise, dass die Erneuerbaren zunächst die abgeschalteten Atomkraftwerke kompensieren müssen und erst zu einem späteren Zeitpunkt die Kohlekraftwerke, scheint vorüber.

RWE: "Erneuerbare laufen gegen Kohle – gut so"

"Die Erneuerbaren laufen jetzt schon gegen die Kohle", erklärte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz gegenüber der Süddeutschen Zeitung (Montagsausgabe). "Das ist auch gut so, um das ganz klar zu sagen. Wenn es gelingt, den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen und den Netzausbau voranzubringen, dann wird zwangsläufig die Kohle im gleichen Tempo reduziert."

Anteil der Erneuerbaren Energien an der Netto-Stromproduktion im ersten Halbjahr 2018 in Deutschland
Vervierfachung in 13 Jahren: Anteil der erneuerbaren Energien an der Netto-Stromproduktion in Deutschland. (Grafik: Bruno Burger/​Fraunhofer ISE)

RWE plant die Übernahme der Ökosparte von Eon. Schon 2020 will der Konzern deutlich mehr Geld mit Erneuerbaren verdienen als mit fossilen Kraftwerken. Bis 2030 wolle RWE seinen CO2-Ausstoß gegenüber 2015 annähernd halbieren, so Schmitz weiter. "Wir wissen, dass die Kernenerige ausläuft, und auch bei der Braunkohle kann man längst sehen: Das ist ein endliches Geschäft." Zum Sinneswandel erklärte der Konzernboss: "Das hat eine Weile gedauert, aber jetzt sind die Technologien da."

Das industrienahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zieht indes eine gemischte Bilanz in Sachen Energiewende. Einerseits liege der Ökoenergie-Ausbau heute 34 Prozent über den Planungen von 2010. Das Ziel der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag, 65 Prozent des Stromverbrauchs im Jahr 2030 mit Erneuerbaren decken, dürfte beim derzeitigen Ausbautempo zu erreichen sein. "Insgesamt ist eine Übererfüllung der Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zu sehen", heißt es in der IW-Studie. "Die Senkung der Emissionen, der Netzausbau und die Verbrauchsreduktion kommen hingegen nicht einmal halb so schnell voran, wie zur Zielerreichung für 2020 notwendig."

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