Luftaufnahme einer Windkraftanlage, die auf einem Tulpenfeld steht.
Eigentlich müsste die EEG-Novelle den Ausbau der Erneuerbaren weiter voranbringen. (Foto: Michiel Manten/​GLF Media/​Shutterstock)

Zuerst die gute Nachricht: Die EEG-Novelle wird die Energiewende nicht wirklich gefährden.

Das war in der Vergangenheit schon anders, etwa als seinerzeit Peter Altmaier, damals noch Bundesumweltminister, die Strompreisbremse erfand und damit vor allem der Solarenergie den Stecker zog.

Solcherlei Rückschläge sind diesmal nicht zu erwarten, wenn die große Koalition den Schlussstrich unter ihr wohl letztes große Energievorhaben ziehen wird.

Auch diesmal war das Regierungslager allerdings wieder sehr kreativ beim Erfinden von Bremsen, Grenzen und bürokratischen Fallstricken.

Das hat Tradition. Schaut man auf die zurückliegenden Jahre, kommt man um den Eindruck nicht herum, dass weite Teile dieser Bundesregierung die Energiewende schlichtweg nicht wollen.

Da sind die Ausschreibungen, die letztlich die Bürgerenergien aus der Energiewende gekegelt haben, dann die Vergütungskürzungen, die dem Photovoltaik-Ausbau die Luft abschnüren, oder auch die Vorgabe, dass nur Einzelpersonen aus ihrer eigenen Anlage Strom nutzen dürfen, Mietergemeinschaften aber nicht.

Zu diesen vielen Nadelstichen kommt jetzt noch eines hinzu: Die Koalition kann nicht mehr. Sie schafft es nicht mehr, die Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Stattdessen schleppt sie sich müde und ausgelaugt über die EEG-Ziellinie.

Das Rechenwunder

Möglich wurde diese Kraftanstrengung nur mithilfe einiger Tricks. Ganz oben stehen dabei die Rechentricks beim Stromverbrauch im Jahr 2030. Er soll – oh Wunder – im Vergleich zu heute sinken, obwohl dann Millionen Elektroautos unterwegs sein und zahlreiche Häuser mit (Öko-)Strom beheizt werden.

Aber der Trick wirkt: Ruckzuck brauchen wir auf dem Papier nur noch ein bisschen Solar- und fast keinen Windstromausbau mehr und werden trotzdem die versprochenen 65 Prozent Ökostrom erreichen. Fall gelöst! Den Weg zurück in die Realität muss dann halt die nächste Regierung antreten.

Trickreich ist auch die Idee, dass selbst die kleinste Photovoltaik-Anlage mit teuren intelligenten Messeinrichtungen versehen werden soll, auf dass kein Kilowatt Strom aus der eigenen Anlage in diesem Land unbemerkt genutzt werden kann. Auf so viel Kleinkariertheit muss man erst mal kommen.

Misslungene Tricks

Echte Magie liegt in der Luft, wenn es um das Kunststück geht, die Akzeptanz für Windparks zu erhöhen. Jahrelang lag uns vor allem der Anti-Wind-Flügel der Union in den Ohren, dass neue Windparks nur akzeptiert würden, wenn die Menschen vor Ort etwas Zählbares davon haben.

Dann schlägt das Ministerium folgerichtig eine Verpflichtung zur finanziellen Beteiligung der Kommunen an Windparks vor. Doch die passt der Koalition dann auch nicht. Und so wird – Simsalabim – aus der Pflicht eine freiwillige Zahlung.

Ralf Schmidt-Pleschka
Foto: Lichtblick

Ralf Schmidt-Pleschka

ist Koordinator für Energie­politik beim Hamburger Ökostrom­unternehmen Lichtblick. Davor war der Geograf und Umwelt­politik­experte unter anderem energie­politischer Referent bei den Grünen im Bundestag.

Dieser Rückzieher wird sich rächen. Ebenso, dass Union und SPD bei großen Solarparks nicht einmal daran gedacht haben, dafür zu sorgen, dass die Kommunen etwas davon haben.

Immer noch auf sich warten lässt ein Zaubertrick, mit dem die alten Post-EEG-Anlagen am Netz gehalten werden könnten. Bereits im nächsten Jahr fallen Windräder und Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von knapp 4.000 Megawatt aus der Förderung.

Der Weiterbetrieb der Photovoltaik-Anlagen ist fraglich, aber immerhin gibt es eine Regelung. Beim Wind lässt die Koalition dagegen auch sechs Wochen vor dem Jahreswechsel immer noch mal alle zappeln.

Diese Missachtung der Energiewende-Pioniere macht einen sprach- und fassungslos. Das ist nicht einfach schlechte Regierungsarbeit, das grenzt an Sabotage.

Wo bleibt der Markt?

Und dann gibt es noch ein ganz besonderes Schmankerl: die heilige Kuh "Marktintegration". Seit gefühlt 20 Jahren fehlt der Begriff in kaum einer Rede zum EEG. Und jetzt, da es endlich so weit ist, dass zumindest Teile der Erneuerbaren wettbewerbsfähig werden, da passiert ... nichts! Gar nichts!

Im Gegenteil. Die Voraussetzung etwa für den Bau förderfreier Solarparks, die sich über langfristige Lieferverträge, sogenannte PPA, refinanzieren, drohen sich zu verschlechtern.

Statt förderfreie PPA-Solarparks zu bauen, flüchtet sich so manches Projekt nun doch in den sicheren Hafen EEG und nutzt die Regelung, dass man erstmals eine EEG-Vergütung auch für Großanlagen bis 20 Megawatt erhalten kann.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrates in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Kunden gucken in die Röhre

Auch für die vielen Ökostromkunden bringt die EEG-Novelle leider nichts. Nach wie vor ist es in Deutschland nicht möglich, Ökostrom aus EEG-geförderten Anlagen direkt an Endkunden zu liefern.

Grund dafür ist eine marktferne Interpretation und Umsetzung des europäischen "Doppelvermarktungsverbots".

Die Nachfrage nach Ökostrom wächst in Deutschland rasch an, ebenso das Interesse von Privathaushalten und Unternehmen, die Energiewende in Deutschland zu unterstützen. Beides könnte ein wichtiger Treiber für den Ausbau erneuerbarer Energien sein.

Dazu müssten die Weichen im Ökostrommarkt jedoch neu gestellt werden. Mit der eingeleiteten EEG-Novelle bietet sich jetzt die Chance dazu – und wird aller Voraussicht nach von der Koalition links liegen gelassen.

Die letzte Novelle

Aber ich will mich nicht weiter aufregen. Es ist die letzte EEG-Novelle der ehemals großen Koalition. Und sie wird die Energiewende nicht stoppen, nur verzögern.

Eines allerdings treibt mich schon noch um: Was antworten wir auf die Frage, warum uns in Deutschland der Elan beim Ökostromausbau ausgerechnet dann verlassen hat, als Sonne und Wind zur preiswertesten Stromquelle wurden und die Erneuerbaren überall auf der Welt boomten?

Tja, das ist schwer zu erklären ...

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