Schwer getrübt war Ende 2022 das Verhältnis der Ampel-Regierung zu den Ökoenergie-Branchen. Für Ärger sorgte nicht nur die monströse Erlösabschöpfung. Der Ausbau der Windkraft dümpelte das ganze Jahr vor sich hin, und neun von zehn Wind- und Solar-Ausschreibungen wurden nicht ausgeschöpft, waren im Amtsdeutsch "unterzeichnet".
Der versprochene Erneuerbaren-Boom lässt weiter auf sich warten. Allerdings machten die steten Beschwerden der Ökoenergiebranche Eindruck. So sollen nach Branchenangaben letztlich nur rund 200 der 9.500 Biogasanlagen in Deutschland von der so sehr kritisierten Erlösabschöpfung betroffen sein.
Auch die Bundesnetzagentur erhörte zum Jahresende die Klagen der Solar- und Windkraftprojektierer über steil ansteigende Projektkosten und setzte die möglichen Höchstgebote bei den kommenden Ausschreibungen für Strom von Solardächern und für Wind an Land um 25 Prozent herauf. Damit schöpft die Behörde den gesetzlichen Spielraum voll aus und hofft nun auf einen Run auf die Februar-Ausschreibung.
Die Bürgerenergie kann sich ebenfalls noch über einen politischen Bonbon freuen. Seit Jahresanfang fördert das Bundeswirtschaftsministerium erstmals Bürgergesellschaften bei Windkraft-Projekten an Land. Planungs- und Genehmigungskosten können bis zu 70 Prozent bezuschusst werden, maximal werden 200.000 Euro pro Windprojekt übernommen.
Mit dem Förderprogramm wolle man wieder mehr Bürgerenergieprojekten zum Erfolg verhelfen, teilte Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold höchstselbst per E-Mail mit.
Schleswig-Holstein zeigt, was möglich wäre
Tatsächlich taucht die Windkraft bei der Bürgerenergie seit einiger Zeit kaum noch auf: zu teuer, zu aufwendig, zu langwierig. Entsprechend erfreut zeigt sich das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über die neue Förderung.
In Schleswig-Holstein habe man mit einem sehr unbürokratischen Bürgerenergiefonds schon beste Erfahrungen gemacht, sagt Malte Zieher vom BBEn-Vorstand gegenüber Klimareporter°. "Das nun aufgelegte Bundesprogramm ist aber deutlich bürokratischer und muss sich in der Praxis erst noch beweisen", schränkt er ein.
Für besonders vorteilhaft beim schleswig-holsteinischen Fonds hält das Bürgerenergie-Bündnis, dass nicht nur Windanlagen förderfähig sind, sondern alle Maßnahmen, die zur Treibhausgasminderung beitragen – auch solche für erneuerbare Wärme, neue Mobilität, Energieeffizienz und Digitalisierung im Energiesektor.
Er hätte sich gewünscht, sagt Zieher, dass auch das Bundesprogramm so breit und niederschwellig aufgelegt wird. Zumindest hätte es aus Sicht des BBEn für große Solarprojekte geöffnet werden müssen.
In Schleswig-Holstein seien auch bereits die Kosten in der Ideenphase vor der Gründung einer Gesellschaft förderfähig. "Dafür sind auch nur mindestens sieben natürliche Personen nötig. Zudem dürfen sich auch juristische Personen beteiligen", lobt Zieher das Landesprogramm.
Im Bundesprogramm gilt eine Bürgerenergiegesellschaft nur dann als förderfähig, wenn sie aus mindestens 50 natürlichen Personen besteht. Liegen die Stimmrechte nicht bei natürlichen Personen, wird es noch einmal deutlich schwieriger, die Förderfähigkeit nachzuweisen. Auch fördert der Bund die Gesellschaften nicht schon in der Gründungsphase.
"Warum werden Bürgerprojekte klein gedacht?"
Diese Restriktionen sieht auch der Bundesverband Windenergie (BWE) kritisch. Gerade während der Planung stelle sich oft die Frage, wie mehr Beteiligte für das Projekt gewonnen werden können, betont der BWE. Deswegen müsse die Förderung gerade in der Startphase greifen. Auch die Mindestzahl von 50 natürlichen Personen würde der BWE gern auf die in Schleswig-Holstein geltenden sieben absenken.
Zwar ist für den BWE die Übernahme von Kosten in der Planungs- und Genehmigungsphase ein wichtiger Schritt für mehr Akteursvielfalt. Allerdings genügten die maximal 200.000 Euro "nicht annähernd", um wie angestrebt 70 Prozent der Planungs- und Genehmigungskosten abzudecken, rechnet der Verband vor.
Auch das Bündnis Bürgerenergie sieht die 200.000 Euro als relativ wenig an. Nötige Gutachten zum Windertrag, zu Vogel- und Schallschutz, Baugrund und anderem mehr seien deutlich teurer, merkt Malte Zieher an. Der Zuschuss helfe aber, in einer risikoreichen Projektphase Gebiete mit Windpotenzial in bebauungsfähige Flächen umzuwandeln.
Auch die Förder-Obergrenze von 25 Megawatt pro Projekt kritisiert der BBEn-Vorstand als unnötiges Hemmnis. Im Schnitt sei ein Windpark in Deutschland zwar immer noch unter 25 Megawatt groß, die Turbinen würden aber immer leistungsstärker. "Warum ausgerechnet Bürgerenergieprojekte klein gedacht werden sollen, ist für uns nicht ersichtlich", erklärt Zieher.
Fürs Klimaziel immer noch viel zu wenig
Entscheidend wird am Ende sein, wie viel Windkraft mithilfe der neuen Förderung tatsächlich hinzukommt. Als Förderziel gibt das Wirtschaftsministerium ein Plus von 150 bis 200 Megawatt Windenergie pro Jahr an.
Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin des Ministeriums, dieser Schätzung liege die sehr grobe Annahme zugrunde, dass bundesweit pro Jahr etwa 15 bis 20 Bürgerenergieprojekte mit jeweils rund zehn Megawatt realisiert werden können. Entsprechende Förderanträge könnten schon dieses Jahr gestellt werden, sagt die Sprecherin. Die Projekte könnten dann, so ihre vorsichtige Prognose, binnen dreier Jahre genehmigt werden und nach weiteren zwei bis drei Jahren in Betrieb gehen.
Das würde also etwa im Jahr 2028 geschehen. Das Bündnis Bürgerenergie selbst rechnet damit, dass die ersten geförderten Windparks frühestens 2027 ans Netz gehen, und hält verständlicherweise eine Verkürzung der Genehmigungsdauer für vordringlich.
Sofern die Genehmigungsverfahren 2023 tatsächlich beschleunigt werden, gibt sich der BWE deutlich optimistischer. Dann könnte der Ausbaueffekt über geförderte Bürgerwindkraft schon ab 2025 eintreten. Denn im Schnitt lägen laut einer Erhebung der Fachagentur Wind von der Erteilung eines Zuschlags in der Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme des Projekts etwas mehr als zwei Jahre.
Ein geförderter Wind-Ausbau von bis zu 200 Megawatt klingt nicht nach wenig. Damit Deutschland 2030 sein Ziel erreicht, 80 Prozent des Stroms erneuerbar zu erzeugen, halten einschlägige Institute ab 2025 einen jährlichen Zubau bei Wind an Land von 7.500 Megawatt für nötig. Daran würden die geförderten Bürgerprojekte dann einen Anteil von knapp drei Prozent haben.
Ob die Wind-Bürgerenergie mehr als einen symbolischen Beitrag zur Energiewende leisten kann, muss wohl die Zukunft zeigen.