Ein Fundament für ein Windrad
In den letzten Jahren wurden zu wenig neue Windräder und auch Solarstromanlagen installiert. (Foto: Hans Linde/Pixabay)

Anfang Oktober war die Windkraft in Deutschland die mit Abstand größte Stromquelle. In den ersten sechs Oktobertagen lieferten Sonne und Wind zusammen mit 3,5 Milliarden Kilowattstunden gut das 1,5-Fache an Strom wie Braun- und Steinkohle zusammen mit 2,2 Milliarden Kilowattstunden.

Dennoch lag der Strompreis an der Börse im Schnitt bei über zehn und in der Spitze bei über 20 Cent pro Kilowattstunde. Denn wir haben zu wenige Windkraftwerke als Ersatz für die endlich abgeschalteten Atom- und Kohlekraftwerke.

Als dann der Wind am 7. Oktober weiter abflaute, mussten noch mehr Erdgaskraftwerke laufen. Das führte zu einem rekordverdächtigen Auftrieb der Preise an der Strombörse. Denn der Erdgaspreis ist zuletzt stark angestiegen. Kostete der Brennstoff zu Anfang des Jahres an der Börse noch 0,75 Cent je Kilowattstunde, liegt er jetzt bei 1,9 Cent – ein Anstieg um 150 Prozent.

Im Stromgroßhandel werden die Preise hauptsächlich durch die Strombörse bestimmt. Bei den täglichen Auktionen kommen zuerst die am günstigsten anbietenden Kraftwerke zum Zuge. Das letzte noch benötigte Kraftwerk, um den Bedarf zu decken, setzt dabei den Preis für alle.

Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke haben im Prinzip keine vom Betrieb abhängigen Kosten. Ob sie laufen oder nicht, das verändert kaum die Betriebskosten. Sie können ihren Strom somit unschlagbar preiswert anbieten.

Preisanstieg verstärkt sich selbst

Ganz anders die Kraftwerke, die Brennstoffe brauchen und CO2 produzieren. Wenn sie laufen, fallen je Kilowattstunde Kosten an. Dadurch schlagen die stark gestiegenen Einkaufspreise für Erdgas und auch für Steinkohle nun auf die Strompreise durch.

Allein im August dieses Jahres legten gegenüber dem Juli die Einfuhrpreise für Erdgas und Steinkohle um jeweils 18 Prozent zu. Auch die Kosten für CO2-Zertifikate liegen derzeit mit 65 Euro je Tonne fast doppelt so hoch wie noch zum Jahresbeginn.

Und an der Stelle verstärkt sich der Preisanstieg durch den Bedarf nach fossil erzeugtem Kraftwerksstrom selbst. Je weniger CO2-freier Strom erzeugt wird, desto mehr CO2 erzeugende Gas- und Kohlekraftwerke laufen. Und die brauchen dafür mehr CO2-Zertifikate, sodass deren Preis weiter steigt.

Porträtaufnahme von Raimund Kamm.
Foto: BWE

Raimund Kamm

ist frei­beruflicher Organisations­entwickler und Management­trainer in Augsburg. Der Ökonom und lang­jährige Anti-Atom- und Friedens­aktivist ist Vorstand des Vereins Forum Gemeinsam gegen das Zwischen­lager und für eine ver­antwort­bare Energie­politik und Vorsitzender des bayerischen Dachverbandes LEE (Landesverband Erneuerbare Energie).

Der dennoch im Oktober bisher erzielte Überschuss beim Stromexport von stundenweise sogar zehn Millionen Kilowattstunden zeigt, dass in unseren Nachbarländern die Strompreise zeitweise sogar höher sind als bei uns.

Am 7. Oktober führten dann jedoch die extrem hohen Strompreise in Deutschland zu einem großen Überschuss beim Stromimport von bis zu elf Millionen Kilowattstunden in einer Stunde. Dabei hilft uns auch die neue unterseeische Stromtrasse nach Norwegen. Ohne sie wären die Strompreise in solchen Stunden bei uns noch höher.

Schon wird nach Laufzeitverlängerung gerufen

Ende des Jahres verlieren von den verbliebenen sechs Atomkraftwerken drei ihre Betriebsgenehmigung. Damit scheiden 4.100 Megawatt Leistung aus dem Markt. Ein Jahr später, Ende 2022, werden die drei restlichen AKW mit ebenfalls rund  4.100 Megawatt ihre Betriebsgenehmigung verlieren.

Von den Kohlekraftwerken wurden und werden laut Bundesnetzagentur in den Jahren 2021 und 2022 zusammen rund 4.000 Megawatt vom Netz genommen, überwiegend in Nordrhein-Westfalen. Neu in den Markt kommen sollen 1.000 bis 2.000 Megawatt Gaskraftwerke.

Da aber in Deutschland viel zu wenig Photovoltaik und Windkraft neu installiert wird, wächst die Ökostromlücke. In der Folge wird unverantwortlich viel CO2 erzeugt und die Preise an der Strombörse steigen.

Hätten wir in den vergangenen zehn Jahren konsequent Solar- und Windkraft ausgebaut, wäre heute der Strompreis, auch wenn man die Kosten für Stromspeicher einrechnet, spürbar günstiger. Dann würde auch bei wenig Wind und Sonne dennoch mehr Ökostrom produziert.

Und prompt will ein mächtiger Politiker der CDU eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. Bisher tat sich Carsten Linnemann aus Ostwestfalen vor allem als Blockierer der Energiewende hervor. Auch stellte er sich noch nirgends hin und sagte: Wir brauchen in Deutschland ein Endlager und das könnte auch hierhin kommen.

Zudem hat Linnemann, obwohl Ökonom, noch nie vernehmbar gefordert, dass auch Atomkraftwerke das volle Haftungsrisiko für den Fall des Falles absichern müssen und dass dies nicht auf den Staat und die potenziell Geschädigten abgewälzt werden darf. Erst dann würde schließlich ein fairer Wettbewerb am Strommarkt entstehen.

Steuern, Abgaben und Umlagen reformieren

Zurück zum Strompreis: Für den Klimaschutz und eine Stromversorgung zu günstigen Preisen brauchen wir einen jährlichen Ausbau von etwa 15.000 Megawatt Photovoltaik und 10.000 Megawatt Windkraft. Aus neuen Solar- und Windanlagen wird die Kilowattstunde dann für fünf Cent und weniger geliefert werden können.

Begleitend brauchen wir die Bioenergie, die Geothermie und die Wasserkraft, außerdem den Ausbau des Stromverbundes mit modernen, verlustarmen Gleichstromleitungen sowie den Bau von Speichern. Eine so umgestaltete Stromversorgung wird in einigen Jahren preiswerter sein als die heutige.

Dazu muss der neue Bundestag auch bald das staatliche System energiebezogener Steuern, Abgaben und Umlagen reformieren. Das jetzige System belastet den Ökostrom mehr als das klimaschädliche Erdgas und behindert so die Energiewende.

 

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