Kraftwerk Datteln 4 von der Zufahrt gesehen, im Vordergrund der 180 Meter hohen Kühlturm.
Das neue Kohlekraftwerk Datteln 4 im Norden des Ruhrgebiets soll nach dem Willen von Betreiber Uniper mindestens bis 2034 laufen. (Foto: Fabian Steffens/​Shutterstock)

Klimareporter°: Frau Klein, der Bebauungsplan für Datteln 4 ist unwirksam, hat das Oberverwaltungsgericht Münster nach Klagen der Stadt Waltrop, des Umweltverbands BUND und von vier Anwohner:innen entschieden. Muss das Kohlekraftwerk jetzt automatisch stillgelegt werden?

Francesca Mascha Klein: Dieses Kraftwerk hat zwei rechtliche Grundlagen. Eine davon ist der Bebauungsplan, da geht es zum Beispiel um den Standort und die baurechtliche Zulässigkeit. Die zweite ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb. Jetzt wurde nur der Bebauungsplan gekippt, die Genehmigung besteht aber noch.

Und das bleibt so?

Eigentlich dürfte das nicht so sein. Die Bezirksregierung Münster sollte jetzt die Genehmigung von Amts wegen aufheben. 2012 hatte das Oberverwaltungsgericht, nachdem der Bebauungsplan schon einmal für unwirksam befunden wurde, dargelegt, dass die Genehmigung ohne Bebauungsplan rechtswidrig ist.

In Paragraf 6 des Bundesimmissionsschutzgesetzes heißt es, dass eine Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn dem keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Das ist nun aber der Fall, damit ist auch die Betriebsgenehmigung rechtswidrig. Formal muss sie aber noch aufgehoben werden, von der zuständigen Behörde oder eben vom Gericht.

Muss das jetzt wieder neu eingeklagt werden?

Der BUND NRW und die Anwohner:innen haben nicht nur einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan, sondern auch schon Klage gegen die Genehmigung erhoben. Über letztere muss noch entschieden werden.

Es gibt aber eigentlich keinen Grund für die Bezirksregierung Münster, die gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Sie könnte die Genehmigung jedenfalls einfach aufheben, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Das wäre politisch geboten, aber auch die Rechtslage ist klar.

2012 rettete die damalige rot-grüne Landesregierung von Hannelore Kraft (SPD) Datteln 4 mit einer sogenannten Zielabweichungsentscheidung. Die jetzige schwarz-gelbe Regierung von Armin Laschet (CDU) ließ das Kraftwerk dann im vergangenen Jahr freudig ans Netz gehen. Kann das wieder passieren?

Ja, aber es würde nichts bringen, denn der Knackpunkt war diesmal nicht, ob das Kraftwerk mit dem nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsplan vereinbar ist. Das Gericht hat den aktuellen Bebauungsplan vor allem für unwirksam erklärt, weil nicht ergebnisoffen nach einem Standort gesucht wurde, an dem die Umweltbeeinträchtigungen womöglich weniger gravierend gewesen wären. Das Kraftwerk ist 500 Meter von den Anwohner:innen entfernt und einen Kilometer von einem Kinderkrankenhaus.

Porträtaufnahme von Francesca Mascha Klein.
Foto: privat

Francesca Mascha Klein

ist Volljuristin und seit Juni 2020 bei Client Earth im Bereich Energie- und Umweltrecht tätig. Die Organisation versucht Klima- und Umweltschutz juristisch durchzusetzen und beriet die vier Anwohner:innen bei ihrer Klage gegen Datteln 4. Klein arbeitete zuvor bei Menschen­rechts­organisationen und einem Forschungs­institut.

Und darauf kann die Gegenseite – also die Stadt Datteln und der Energiekonzern Uniper – jetzt nicht mehr reagieren?

Den Prozess der Standortsuche zu korrigieren und ergebnisoffen zu gestalten, wo das Kraftwerk längst steht und läuft, dürfte schwer werden. Einen neuen Bebauungsplan aufzusetzen ist deshalb eigentlich nur eine theoretische Option, klimapolitisch nicht vertretbar und rechtlich nicht erfolgversprechend. Es zu probieren, wäre zwar möglich, aber absurd.

Also ist die Stilllegung von Datteln 4 noch nicht formal, aber praktisch doch schon besiegelt?

Datteln und Uniper könnten versuchen, gegen das Urteil vorzugehen. Das Gericht hat die Revision allerdings nicht zugelassen. Man müsste also erst mal dagegen Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Ich glaube aber nicht, dass das erfolgreich wäre, und gehe eher davon aus, dass das Urteil rechtskräftig wird.

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