Die einen blockieren – zu Dutzenden an den Asphalt geklebt – für Stunden eine große Kreuzung in Berlin. Die anderen protestieren, indem sie für ein paar Minuten einen Lichtschalter umlegen.
Am Mittwoch wollen Biogas-Unternehmen pünktlich um 17:30 Uhr auf der Messe Energy Decentral in Hannover die Beleuchtung einer Messehalle ausknipsen. Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, will dann einen Appell an die Politik richten. Dem soll die versammelte Branche mit einer Schweigeminute und angeschalteten Handylichtern Nachdruck verleihen – ein eher romantisch anmutender Protest.
Im September hatte die Zukunft noch recht rosig ausgesehen. Da habe es Aufbruchstimmung in der Branche gegeben, blickte Seide kürzlich bei einem Medientermin zurück. Um Strom aus Erdgas zu ersetzen, hätten die Unternehmen – von der Politik gefördert – investiert und den künftigen Mehrstrom auch schon verkauft. Klar, wer derzeit grundlastfähigen Strom wie die Biogasbranche anbietet, dem wird er quasi aus der Hand gerissen.
Mitten in diesem Aufbruch sei der Branche mit der Übergewinnabgabe aber der Boden unter den Füßen weggezogen worden, klagte der Verbandspräsident. Die Branche kritisiert nach wie vor, dass als Maßstab für die Gewinnabschöpfung nicht der Gewinn an sich, sondern der erzielte Umsatz herangezogen werden soll.
Die höheren Einnahmen der letzten Monate hätten die Firmen aber schon ausgegeben – für den Einkauf von Biomasse oder für Investitionen. Besonders ärgerlich finden sie, dass beispielsweise Steinkohle von der Gewinnabschöpfung gänzlich ausgenommen wird.
"Wir wollen nur gleichbehandelt werden"
Aber auch bei der restlichen fossilen Branche sollen nicht aus dem Umsatz abgeleitete Gewinne herangezogen werden, sondern die Abgabe wird über Steuern auf den tatsächlichen Gewinn erhoben.
"Wir wollen nur gleichbehandelt werden", betonte Seide, als er die Forderung nach einer steuerlichen Lösung auch fürs Biogas erläuterte. Grundsätzlich sei seine Branche auch bereit, zum Ausgleich der hohen Strompreise beizutragen.
Weiterer Kritikpunkt ist das bürokratische Prozedere, das die Biogas-Firmen für nicht praktikabel halten. Seide berichtete, er selbst habe den Strom aus den von ihm betriebenen Biogasanlagen in drei verschiedenen Termingeschäften zu drei verschiedenen Preisen schon verkauft.
Die Branche verkaufe die Energie auf ganz unterschiedlichen Märkten. Dazu passe das System der Gewinnabschöpfung nicht.
Dieses nimmt den Strompreis als Maßstab, der beim kurzfristigen Handel an der Börse gilt. Übersteigt dieser Preis 18 Cent pro Kilowattstunde, sollen die Zusatzgewinne abgeschöpft werden, um die geplante Strompreisbremse zu finanzieren. Der Biogasbranche wird dabei bereits ein Aufschlag von drei Cent je Kilowattstunde zugestanden.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat ins Gespräch gebracht, den Gewinnzuschlag für Biogas mindestens auf sechs Cent zu verdoppeln. Verbandspräsident Seide veranschlagt die nötige Höhe des Aufschlags zwar eher bei zehn Cent, sieht in einer höheren Preisgrenze aber keine Alternative zu der von der Branche geforderten steuerlichen Lösung.
Offener Brief der Erneuerbaren-Branche
Inzwischen soll die Erneuerbaren-Branche Verbesserungen bei der Gewinnabschöpfung erreicht haben. Wie zu hören war, wurde der Starttermin für die Gewinnerhebung vom ursprünglich geplanten 1. März 2022 bereits auf den 1. September verschoben. Intern soll das Ministerium bereits einem noch späteren Start am 1. November zugestimmt haben.
Des Weiteren soll inzwischen eine Bagatellgrenze von einem Megawatt Leistung in den Gesetzentwurf aufgenommen sein, außerdem eine Anerkennung der höheren Kosten für die Vermarktung des Stroms.
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) macht dieser Tage weiter Druck auf die Regierung – aber nicht durch Lichtausknipsen oder gar Blockaden. Der BEE schickte protesthalber einen offenen Brief an die Bundesregierung und die Ampel-Fraktionen.
"Der eingeschlagene Weg ist eine Sackgasse, daran ändern auch kleinere Korrekturen nichts", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter zur Erläuterung. "Das vorgeschlagene Konstrukt ist zu komplex, fehlerbehaftet und investitionsfeindlich. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine rechtskonforme, faire und praktikable Regelung vorzulegen."
In dieser Woche wollte das Bundeswirtschaftsministerium eigentlich den Gesetzentwurf für die Strompreisbremse vorlegen. Am gestrigen Montagnachmittag kam dann die allgemein erwartete Nachricht, dass die Vorlage vorschoben wird. Zu viele Fragen seien noch ungeklärt, zitierte das Magazin Spiegel das Ministerium. Angesichts der Komplexität des Vorhabens und des Abstimmungsbedarfs mit der EU wolle das Kabinett nun spätestens am 28. November einen Beschluss fassen.