Zwei Solarmodule, ein Wechselrichter, alles steckerfertig geliefert. "Es war total einfach, sie anzuschließen", sagt Fritz Bleidenstadt (Name geändert) aus einer Gemeinde in der Nähe von Offenbach.
Der Unternehmer betreibt seine Mini-Solaranlage seit drei Monaten. Die zwei Module hat er direkt vor das Geländer seines Balkons im Mehrfamilienhaus gehängt, Ausrichtung Südwest, und das Stromkabel dort direkt in die Außensteckdose gesteckt. Die Elektrizität fließt von dort, sozusagen rückwärts, ins Hausnetz.
Bleidenstadt wollte etwas tun, "um Putin zu ärgern". Die Balkon-Solaranlage erschien als einfacher Weg, um den Strommix umweltfreundlicher zu machen, der auch heute in Deutschland immer noch zu rund 40 Prozent mit Kohle und Erdgas bestritten wird. Und er ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis bisher.
Die Anlage hat in der sonnenreichen Zeit seit der Installation im Schnitt etwa 70 Kilowattstunden pro Monat produziert, wie er auf dem zwischengeschalteten Strommessgerät ablesen konnte. Das ist, jetzt im sonnenreichen Sommer, fast die Hälfte seines – relativ sparsamen – Stromverbrauchs in der Wohnung.
Die Anlage mit 600 Watt Maximalleistung hat 1.100 Euro gekostet, und sie dürfte sich nach sieben Jahren amortisiert haben. Dass es nicht schneller geht, liegt an den Bestimmungen für die "Balkon-Kraftwerke": Finanziell zahlt sich nur der Solarstrom aus, den Bleidenstadt direkt verbraucht, wenn er produziert wird – also etwa durch Kühlschrank, PC, Radio oder auch durch Wasch- und Spülmaschine, wenn diese gerade laufen.
Der Stromzähler läuft dann langsamer, und der Solarfan muss für die selbst produzierte Energie keine 35 Cent pro Kilowattstunde an seinen Stromversorger zahlen, sondern nur fünf bis acht Cent, die der Balkonstrom bei einer Lebensdauer der Anlagen von 20 Jahren kostet.
Vorschrift erweist sich als praxisfremd
Die Erfahrung zeigt, dass die Mini-Anlagen, die maximal 600 Watt leisten dürfen, bei einem mittelgroßen Haushalt den Strombezug und damit die Stromrechnung im Schnitt um fünf bis zehn Prozent senken.
Dass es nicht mehr ist, liegt an der speziellen Regelung für die Kleinanlagen: Wird weniger Strom verbraucht, als die Anlage leistet – etwa in sonnigen Mittagsstunden, wenn niemand zuhause ist –, fließt der Überschuss ins allgemeine Netz und wird dann, anders als bei größeren Solaranlagen mit EEG-Einspeisevertrag, vom Netzbetreiber nicht vergütet. Der bekommt den Ökostrom umsonst.
"Das ist schon zu verschmerzen", findet Bleidenstadt. Doch etwas anders hat ihn gewaltig geärgert. Als er seine Anlage beim zuständigen Netzbetreiber Energienetze Offenbach (ENO), anmelden wollte, taten sich große Hürden auf.
Vorgeschrieben ist, dass die Anlage von einem Elektrofachbetrieb installiert und dafür eine speziell gesicherte Steckdose, eine sogenannte Wieland-Einspeise-Steckdose, angebracht wird. Bleidenstadt: "Es war unmöglich, kurz- oder mittelfristig einen Elektriker für einen solchen Mini-Auftrag zu bekommen."
Bis zum Herbst aber wollte er nicht warten – und installierte die Anlage kurzerhand selbst unter Nutzung des vorhandenen, normalen Schuko-Steckers. "Das ganze vorgeschriebene Verfahren ist viel zu aufwändig", ärgert sich Bleidenstadt. Und verweist auf Länder wie die Niederlande, wo Anlagen bis 800 Watt ganz offiziell ohne Anmeldung betrieben werden dürfen.
So wie Bleidenstadt verhalten sich offenbar die meisten Nutzer:innen der steckerfertigen Solaranlagen. Offiziell angemeldet bei der Bundesnetzagentur sind derzeit etwa 53.000 der Mini-Kraftwerke, tatsächlich existieren nach Schätzung von Solarexperten bereits 400.000 bis 500.000.
Was muss man wissen?
Balkon-Kraftwerk, Mini-Solaranlage, Guerilla-PV – das sind die Namen, unter denen die "Steckersolargeräte", so der offizielle Name, bekannt sind. Die Anlagen bestehen meist aus einem oder zwei Solarmodulen plus Wechselrichter. Dieser wandelt den Gleichstrom, den die Solarzellen liefern, in 230-Volt-Wechselstrom um, wie er im Hausnetz benutzt wird. Die Wechselrichter-Leistung darf maximal 600 Watt betragen.
Zur Installation braucht man Befestigungsmaterial für die Balkonbrüstung oder zum Aufständern etwa auf der Terrasse sowie das Anschlusskabel. Der Strom, der nicht selbst verbraucht wird, fließt ins öffentliche Netz, es gibt aber keine Einspeisevergütung dafür.
Die Balkon-Anlagen müssen beim jeweiligen Stromnetzbetreiber angemeldet werden, die meisten Energieversorger oder Stadtwerke bieten dazu vereinfachte Formulare zum Download an. Hinzu kommt die Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur.
Das Elektrohandwerk und der Branchenverband VDE empfehlen, das eigene Hausnetz vor der Installation der Anlage von einer Elektrofachkraft überprüfen zu lassen, besonders bei Altbauten. Hier bestehe die Gefahr unzureichend gesicherter Stromkreise sowie fehlender Schutzschalter. Laut den VDE-Normen muss der Anschluss immer entweder fest oder über eine spezielle Energiesteckdose (Wieland-Steckdose) erfolgen. Letztere muss von einer Elektrofachkraft installiert werden.
"Die Balkon-Anlagen boomen noch stärker, seit Putin den Krieg gegen die Ukraine gestartet hat", sagt Christian Ofenheusle, Betreiber der Online-Plattform Machdeinenstrom.de, gegenüber Klimareporter°. Bereits zuvor war es damit stark aufwärts gegangen.
Grund: Die offizielle Zulassung der Mini-Anlagen, früher Guerilla-Kraftwerke genannt, kam nach langem Hin und Her 2018. Und so hat sich die Anzahl der hierzulande betriebenen Kleinanlagen seither jedes Jahr verdoppelt. Ebenso stieg die Vielfalt der am Markt verfügbaren Modelle.
Kein Ende des Booms in Sicht
Wie sehr die Solarstrom-Produktion der Mini-Anlagen im Dunkel liegt, zeigt eine Nachfrage beim Frankfurter Energiekonzern Mainova beziehungsweise dessen Netztochter NRM.
Offiziell angemeldet sind danach in der Main-Metropole mit ihren rund 410.000 Wohnungen gerade einmal 140 Stecker-Solaranlagen. Zu einer Schätzung, wie viel es tatsächlich sind, will man sich bei dem Unternehmen nicht hinreißen lassen.
Grundsätzlich heißt es bei Mainova: "Wir befürworten die Diversifizierung der Energieerzeugung. Dazu können auch Plug-in-PV-Anlagen beitragen." Allerdings müsse eine solche Anlage "immer beim zuständigen Netzbetreiber angemeldet und von einem zugelassenen Installateur eingerichtet werden".
Ein Ende des Booms ist nicht Sicht. In einer Umfrage für den Ökostromanbieter Green Planet Energy hatten schon vor dem Ukraine-Krieg 61 Prozent angegeben, sie würden gern Balkonmodule nutzen. Da fast 60 Prozent der Deutschen in Wohnung oder Haus mit Zugang zu Terrasse oder Balkon leben, liegt das Potenzial locker bei 20 Millionen Geräten oder mehr.
Einschränkung: Während Besitzer:innen von Eigentumswohnungen oder Häusern, zumindest theoretisch, einfach mit dem Stromproduzieren loslegen können, müssen Mieter:innen ihre Vermieter um Erlaubnis fragen.
Ofenheusles Plattform hatte im vorigen Jahr über 400 Modelle unter die Lupe genommen und miteinander verglichen. Die Anlagen kosteten je nach Leistung zwischen 300 und 1.000 Euro.
Hinzu kommen 50 bis 100 Euro für die Befestigung am Balkongeländer oder eine Aufständerung, um einen besseren Winkel zur Sonne zu erreichen. Wer alles vom Elektriker und per Wieland-Steckdose anschließen lässt, muss noch mindestens 50 Euro dazurechnen.
Allerdings haben Corona und die gestörten Lieferketten auch hier ihre Spuren hinterlassen. Komplettanlagen sind laut Ofenheusle inzwischen zehn bis 15 Prozent teurer geworden, und es gibt Lieferschwierigkeiten, besonders bei den Wechselrichtern.
"Wenn einer der größeren Anbieter mal 1.000 Stück bekommt, sind die nach ein paar Stunden wieder ausverkauft", erzählt er. Der Experte schätzt allerdings, dass sich die Lage bis zum kommenden Frühjahr wieder normalisiert. Vielleicht gehe es auch schneller.