Ein Monteur ist mit der Installation einiger Solarmodule auf einem Hausdach beschäftigt.
Kleine Solarstromanlagen zur Eigenversorgung werden mit dem EEG 2021 große Probleme bekommen. (Foto: Travelfoto/​Shutterstock)

Eins muss man Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier lassen – Spannung kann er aufbauen. Monatelang wartete die Energieszene auf den Referentenentwurf zur EEG-Novelle – an diesem Montag war er dann auf einmal in der Welt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, aber eine besondere "Monday Motivation" zum Wochenstart war für mich nicht mehr nötig. Die 140 Seiten Paragrafen-Hopping sind sicher keine leichte Kost. Machen wir uns darauf gefasst, dass eine vertiefende Analyse in den nächsten Tagen noch manchen Pferdefuß zutage fördert.

Ein schneller Blick zeigt jedoch schon jetzt, dass das Bundeswirtschaftsministerium trotz punktuell erkennbarem Verbesserungswillen letztlich vor der eigenen Courage – oder vor der Courage der Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen vor Ort? – zurückgeschreckt ist.

Anders ist es nicht zu erklären, dass der Eigenverbrauch von Solarstrom in zwei Bereichen massiv eingeschränkt werden soll.

Zunächst bei den Betreibern von bald ausgeförderten Photovoltaikanlagen. Für die findet sich zwar nun eine unkomplizierte Anschlussregelung, die den Betreibern eine Netzeinspeisung ihres Stroms mit Vergütung des Marktwertes ermöglicht – was ausdrücklich Lob verdient.

Aber: Die Anschlussregelung sieht nur die Volleinspeisung vor. Im EEG-Entwurf findet sich sogar "eine besondere Pönalenregelung für ausgeförderte Anlagen, deren Betreiber in der Einspeisevergütung entgegen der speziellen Pflicht ... nicht den gesamten Strom zur Verfügung stellen."

Schwungvoller können Sie einem Energiewende-Pionier, der mit Stromspeicher, Elektroauto oder Wärmepumpe seinen Solarstromverbrauch optimieren wollte, kaum in den Karren fahren.

Der Geist der Kupferplatte

In die gleiche Richtung geht die geplante Ausweitung der Ausschreibungen auf mittelgroße Photovoltaik-Dachanlagen. Mit der schrittweisen Absenkung der Ausschreibungsgrenze bis auf 100 Kilowatt wird ein großes Anwendungsfeld für den solaren Eigenverbrauch – vom Gewerbedach auf dem Supermarkt bis zum mittelständischen Unternehmen – abgeschafft.

Porträtaufnahme von Tim Meyer.
Foto: Naturstrom

Tim Meyer

hat Elektro­technik studiert und am Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme promoviert. Nach Tätigkeiten in der Fraunhofer-Gesellschaft, der Industrie und als Gründer im Solarstrom­markt kam er 2015 zu Naturstrom. Heute ist er Vorstand bei dem Öko-Energie­versorger und Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.

Denn im Ausschreibungsregime ist generell nur die Volleinspeisung vorgesehen und auch im EEG-Entwurf wird dieser Grundsatz nicht geändert.

So entfesselt man keine Energiewende! Dem Wirtschaftsministerium fehlt schlicht der Mut, die Menschen und Unternehmen vor Ort einfach mal machen zu lassen.

Gerade aus den kreativen Lösungen, die die Leute für ihre ganz eigenen Herausforderungen in ihren Immobilien, Quartieren oder Betrieben finden, erwächst doch erst ein wirklich dynamischer Photovoltaik-Ausbau.

Die genannten Regelungen stehen aber nicht nur für den Kontrollwahn einer zentral gesteuerten Energiewende. Sie atmen auch den "Geist der Kupferplatte", also der Vorstellung, man müsse dezentrale Energieerzeugung vollständig im Stromnetz bilanzieren und zentral im Großhandel optimieren.

Das Klima wartet nicht auf Paragrafendebatten

Bei lokalen Energiesystemen, die beispielsweise die Strom- und Wärmeversorgung aus Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung kombinieren, ergänzt um Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge und eine smarte Gebäuderegelung, macht das für mich überhaupt keinen Sinn. Die großen Vorteile liegen hier doch gerade in der Optimierung und Sektorenkopplung vor Ort!

Und falls nun wieder das unsinnige Gegenargument gebracht wird, dass Eigenverbrauch unsolidarisch sei und "schließlich nicht der Letzte das Netz bezahlen kann": Natürlich brauchen wir neben einem passenden Rahmen für den Eigenverbrauch auch eine Reform des Entgelt- und Abgabensystems im Strommarkt, um die Netze finanzierbar zu halten und die Eigenverbrauchsanreize systemdienlich zu setzen.

Bleibt zu hoffen, dass in der regierungsinternen Ressortabstimmung oder spätestens im parlamentarischen Verfahren noch nachgebessert wird – und bestehende Verbesserungen erhalten bleiben.

Denn auch das gehört zu diesem Referentenentwurf: Er enthält neben ganz klaren Versäumnissen und Zumutungen auch gute Ansätze, beispielsweise beim Mieterstrom. Auch die "Südquote" für den Ausbau der Windenergie und die Übertragung nicht bezuschlagter Ausschreibungsmengen auf kommende Auktionsrunden sind sinnvoll.

Im Grundsatz gilt jedoch: Die Klimakrise wartet nicht, bis wir den letzten Paragrafen ausdiskutiert haben. Ich wünsche mir mehr Mut vom Wirtschaftsministerium. Viel mehr Mut! Mut zu noch höheren Ausbauzielen, weniger Regulierung und mehr Zutrauen in die Akteure einer dezentralen und bürgernahen Energiewende.

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