Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner spricht zu Agrarwende-Demonstranten
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verteidigte auf der heutigen Demonstration in Berlin ihre Politik vor den protestierenden Bauern. (Foto: Screenshot/​BMEL/​Youtube)

Ein breites Bündnis aus Bauern, Umwelt- und Tierschützern hat heute in Berlin eine Wende in der Agrarpolitik gefordert. Die Demonstration "Wir haben es satt", zu der über 100 Organisationen aufgerufen hatten, fand in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal anlässlich der Agrarmesse "Grüne Woche" statt.

"Macht endlich eine Politik, die uns eine Zukunft gibt – Agrarwende anpacken, Klima schützen!" – unter diesem Motto zogen nach Angaben der Veranstalter 27.000 Menschen durch die Berliner Innenstadt, angeführt von 150 Traktoren.

Die Protestierenden riefen dazu auf, Bauernhöfe zu unterstützen, die Artenvielfalt zu sichern und der Klimakrise konsequent zu begegnen. An der "Wir haben es satt"-Demo im vergangenen Jahr hatten über 30.000 Menschen teilgenommen.

"Reden reicht nicht, die Zeit der Ankündigungen ist vorbei", sagte Bündnis-Sprecherin Saskia Richartz. Die Politik von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sei bislang eine "Nullnummer" für Bauernhöfe, Tiere und das Klima.

Die Bundesregierung trage die Verantwortung für das Höfesterben und "den Frust auf dem Land". Im Schnitt gebe ein Familienbetrieb pro Stunde auf. Seit 2005, als Angela Merkel (CDU) Kanzlerin wurde, hätten 130.000 Höfe schließen müssen

Das Agrarministerium und die Spitzen des Deutschen Bauernverbandes hätten jahrelang gegen die bäuerlichen Betriebe gearbeitet, so die Kritik des Bündnisses. Die Kosten für den jetzt anstehenden artgerechten Umbau der Ställe und den zusätzlichen Insekten- und Klimaschutz dürften nicht auf die Bauernhöfe abgewälzt werden.

Die Demonstrierenden kritisierten auch die Politik der EU. Die Agrarsubventionen müssten sich viel stärker an Tierwohl- und Klimaschutzkriterien orientieren, forderten sie. Vor allem, wenn Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, müsse sich die Bundesregierung für eine "zukunftsfähige Landwirtschaft und gutes Essen auf den Tellern" einsetzen.

Protest gegen Freihandelsabkommen EU–Südamerika

Kritisiert wurde ebenfalls das geplante Mercosur-Handelsabkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen Ländern. Das Abkommen sei "politisch falsch", sagte Antônio Andrioli, Agrarexperte und Mitbegründer der brasilianischen Bundesuniversität Fronteira Sul. Es erhöhe die Einkommensungleichheit und führe zu längeren Transportwegen und noch mehr Abholzung.

Die Länder in Lateinamerika würden auf Produzenten von Primärgütern reduziert und durch Industriegüter aus Europa überschwemmt, so Andrioli.

Die Bauern aus Europa hingegen fürchten, dass durch das Abkommen mehr billiges Rindfleisch auf den europäischen Markt kommen wird und einheimische Produzenten verdrängt werden.

Die demonstrierenden Bauern übergaben Klöckner eine Protestnote, die an die 70 Agrarminister aus aller Welt gerichtet war, die sich zeitgleich zur internationalen Agrarministerkonferenz Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) im Auswärtigen Amt trafen.

Das Papier wendet sich gegen das EU-Mercosur-Abkommen und fordert gerechten Handel statt "unfairer Freihandelsabkommen", mit denen nur "neue Märkte für Auto- und Chemie-Konzerne" erschlossen werden sollten. Stattdessen müssten Bauernrechte und der Schutz von bäuerlichen Betrieben auf der ganzen Welt durchgesetzt werden.

Klöckner verteidigte ihre Politik in einer kurzen Rede vor den Demonstranten. Sie wolle Ernährungssicherheit für alle, dazu brauche es einen fairen Welthandel und transparente Lieferketten.

Der internationale Handel, der für eine "sichere, vielfältige und nachhaltige Ernährung" sorgen soll, war auch Thema des diesjährigen GFFA-Treffens.

In der Abschlusserklärung sprachen sich die 70 Agrarminister für eine Förderung des Handels aus, "da er Wohlstandsgewinne erzeugt, indem er zu ressourcen- und kosteneffizienter Erzeugung anregt und Produktivität und Qualität verbessert".

Dass dies im Sinne der demonstrierenden Bauern ist, muss bezweifelt werden.

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