Klimareporter°: Herr Resch, die Deutsche Umwelthilfe klagt mit vier anderen Organisationen gegen das reformierte Klimaschutzgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte von der Bundesregierung eine Stellungnahme bis Mitte Oktober angefordert. Die Frist ließ die Regierung jetzt verstreichen – haben Sie das erwartet?
Jürgen Resch: Wir haben erwartet, dass sich die Bundesregierung an die Fristsetzung des Gerichts hält – aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht und auch wegen der Dringlichkeit der Klärung der von uns aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Klimaschutzgesetz.
Gleichzeitig übte sich die Bundesregierung in den vergangenen Monaten zunehmend darin, ihre Verantwortung zu verschleppen, statt Klimaschutz entschlossen umzusetzen.
Dass sie nun sogar eine Frist beim höchsten deutschen Gericht verstreichen lässt und Fristverlängerung beantragt hat, zeigt: Die Regierung will Zeit gewinnen und fürchtet die juristische Auseinandersetzung.
Warum?
Sie weiß, dass das zusammengestrichene Klimaschutzgesetz nicht verfassungsgemäß ist. Diese Verzögerungstaktik ist ein klimapolitisches Armutszeugnis – und ein Signal für mangelnde Ernsthaftigkeit beim Schutz unserer Lebensgrundlagen.
Aus Sicht der Regierung erscheint die Verweigerung nahezu folgerichtig: Derzeit erstellt der Umweltminister ein neues Bundes-Klimaschutzprogramm, das über 2030 hinausreichen muss. Das soll zum Jahresende vorliegen. Erst dann wird doch klar sein, ob und wie Deutschland seine Klimaziele einhält?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Bei unserer Verfassungsbeschwerde geht es um die grundsätzliche Frage, ob mit dem entkernten Klimaschutzgesetz überhaupt noch die erforderliche Planungssicherheit und der nötige Veränderungsdruck bestehen, um auch künftige Generationen ausreichend vor der Klimakrise zu schützen.
Die entscheidende Frage lautet: Verstößt das Gesetz gegen die Grundrechte heutiger und zukünftiger Generationen? Das muss jetzt geprüft werden.
Jürgen Resch
ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er engagiert sich seit seiner Jugend in Baden-Württemberg für Naturschutz und Umweltrecht. Während seines verwaltungswissenschaftlichen Studiums war er für den Umweltverband BUND tätig, seit 1986 hauptamtlich für die DUH. Resch ist Mitbegründer der Stiftung Euronatur und des Global Nature Fund.
Wie fällt Ihre Prüfung aus?
Fakt ist: Mit der Aushöhlung des Klimaschutzgesetzes wurden verbindliche Sektorziele abgeschafft und Verantwortlichkeiten verwässert. Aktuell gibt es keinen klaren, gesetzlich verbindlichen Fahrplan, wie die Klimaziele in allen Sektoren erreicht werden sollen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm mit schlagkräftigen Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt vorlegen muss, ist extrem wichtig. Aber es ersetzt nicht ein verfassungskonformes Klimaschutzgesetz.
Bisher betont die Regierung gebetsmühlenartig, Deutschland halte seine Klimaziele ein – obwohl mit neuen Gaskraftwerken und dem Verzögern des Verbrennerverbots das Gegenteil geschieht. Erleben wir eine neue Doppelzüngigkeit beim Klimaschutz?
Schon die Behauptung, Deutschland hält seine Klimaziele ein, ist falsch. Stand jetzt werden die Klimaziele 2030 und 2040 verfehlt. Bleibt es bei den derzeitigen Maßnahmen, wird Deutschland bis 2040 fast 600 Millionen Tonnen CO2 mehr ausstoßen, als nach dem Klimaschutzgesetz erlaubt ist.
Gelingt es nicht, diese Lücke zu schließen, müsste es 2039 eine CO2-Vollbremsung geben, um die vom Klimaschutzgesetz erlaubte Gesamtmenge an Klimagasen nicht zu überschreiten. Das wäre unverantwortlich.
Was wir derzeit erleben, ist eine gefährliche Form des Klimaschutz-Theaters: öffentlich Klimaziele beschwören und gleichzeitig fossile Infrastruktur verlängern – mit neuen Gaskraftwerken, dem Verschieben des Verbrennerausstiegs und so weiter. Das entfernt uns zusätzlich vom Erreichen der Klimaziele.
Selbst bisher gelobte marktwirtschaftliche Klimainstrumente wie der CO2-Emissionshandel werden mittlerweile infrage gestellt. Energieintensive Zweige wie die Chemie verlangen, die Zuteilung kostenloser Zertifikate zu verlängern und auch nach 2040 neue Emissionsrechte auszugeben. Ist die Wirtschaft für Klimaschutz, solange er nur auf dem Papier steht?
Wer jetzt den Emissionshandel aushöhlen und kostenlose Zertifikate über Jahrzehnte verteilen will, verabschiedet sich von der eigenen Klimaverantwortung. Klimaschutz darf kein Lippenbekenntnis sein, bei dem Gewinne privatisiert und Klimaschäden sozialisiert werden.
Wirklich zukunftsfähige Unternehmen investieren in Klimaneutralität. Wer stattdessen an fossile Überlebensgarantien glaubt, gefährdet Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit.
Erst vor Kurzem hat der Bundesgerichtshof die Revision für unsere Klimaklagen gegen BMW und Mercedes-Benz zugelassen.
Ein Erfolg?
Ein großer Erfolg. Die Frage, ob große Emittenten eine rechtliche Pflicht haben, ihre Produktion und Produkte am verbleibenden CO2-Budget und den Klimaneutralitätszielen auszurichten, wird nun am höchsten deutschen Zivilgericht behandelt.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen bescheinigt Deutschland in seiner Stellungnahme zur Klimaklage, dass 2030 sogar das deutsche CO2-Budget für ein 1,75-Grad-Ziel ausgeschöpft ist. Fürs 1,5-Grad-Budget gilt das schon lange. Müssen wir beim Klimaschutz nicht endlich ehrlich sagen, Deutschland ist nicht auf Kurs?
Ja, und zwar dringend. Diese Realität zu verschweigen oder schönzureden, ist gefährlich. Nur wer ehrlich anerkennt, wie gravierend der Rückstand ist, kann wirksam nachsteuern.
Das Gutachten vom Umweltrat bestätigt eindrücklich, was auch wir in unserer Verfassungsbeschwerde kritisieren. Das entkernte Klimaschutzgesetz macht ein Erreichen der Klimaziele unwahrscheinlicher. Dass das deutsche CO2-Restbudget für eine 1,75-Grad-Grenze selbst bei Einhaltung des Klimaschutzgesetzes schon 2030 aufgebraucht sein wird, zeigt, dass das Gesetz dringend nachgeschärft werden muss.
Die Umwelthilfe fordert ein Klimanotfallprogramm. Was soll da drinstehen?
Ein wirksames Klimanotfallprogramm muss konkret, konsequent und verbindlich sein und messbare Emissionssenkungen bereits ab dem kommenden Jahr sichern. Zu den Maßnahmen gehören ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen sowie 30 innerorts. Das würde allein zwölf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
Außerdem müssen sofort alle fossilen Subventionen beendet werden. Es ist absurd, dass die Anschaffung eines Luxusdienstwagens mit Verbrennungsmotor, der einen CO2-Ausstoß deutlich über den europäischen Flottengrenzwerten hat, auch noch mit Steuergeldern bezuschusst wird.
Nachdem die Bundesregierung nun Fristverlängerung für ihre Stellungnahme beantragt hat: Wie geht es mit der Verfassungsklage weiter?
Mit ihrer Verzögerungstaktik kann die Regierung das Verfahren am Bundesverfassungsgericht nicht ewig aufhalten. Wir gehen davon aus, dass die fehlenden Stellungnahmen noch in diesem Jahr eingereicht werden.
Wir werden dann die Argumente sorgfältig prüfen und Behauptungen entkräften, die versuchen, die Entkernung des Klimaschutzgesetzes zu rechtfertigen.
Das Gutachten des Umweltrats hat unserer Verfassungsbeschwerde bereits starken Rückenwind verliehen. Auf die Arbeit des Gremiums hatte das Bundesverfassungsgericht bereits bei seinem Beschluss von 2021 maßgeblich abgestellt. Wir sind überzeugt: Wer Klimaschutz bewusst abschwächt und hinauszögert, verstößt gegen das Grundgesetz.
Wir werden nicht nachlassen, weder politisch noch juristisch, bis Klimaschutz in Deutschland wieder verlässlich, verbindlich und generationengerecht gesichert ist.

Ach ja und das dann nur für Verbrenner, für e Autos 150 km/h
Damit würde man die ganzen Außendienstler zum e Auto bringen
Ach und ganz wichtig die fossilen Kraftstoffkosten nicht mehr steuerlich abzugsfähig machen für Unternehmen
Was halten Sie von allgemein Tempo 30 in der Stadt. Senkt Unfallzahlen, senkt Emmissionen und den L"arm.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb eines Innenstadtrings auf 30 KM/h ist für mich in Ordnung.
Ablehnend bin ich gegen Beschränkungen auf den äußeren Stadtringen bzw. Zubringerstraßen, besonders die Mehrspurig ausgeführt sind.
Dort ist die derzeitig gültige Beschränkung von mehrheitlich 50 KM/h vollkommen in Ordnung.
Die Tempobegrenzungen sollen zum Einen für Sicherheit und zum Anderen für die Luftreinhaltung gesetzt werden.
Luftreinhaltung ließe sich leicht durch Fahrbeschränkungen von Verbrennern lösen lassen z.B. wie in seinerzeit in Mailand mit (Gerade/Ungerade-Kennzeichen) oder mit einer Schadstoff-City-Maut. In der Sicherheit sind überall dort verschärfte Maßnahmen geboten wo ALLE Verkehrsteilnehmer zusammentreffen. Das ist nicht die Ausfallstraße.
Für mich sind auch allgemeine Tempolimits auf Autobahnen i.O., denn ich "Tobe" mich ca. 4-5 mal im Jahr für mehrere Stunden auf abgeschlossener Rennstrecke richtig aus, danach gehts wieder zivil, defensiv in den Verkehr.
Leider ist in Deutschland die Attribution 'Öko' schwer in Verruf geraten. Ich vergleiche das immer mit den Lebenswelten von Indigenen Naturvölkern. Wir ermahnen uns, ihre Lebensform, also ihre Kultur zu respektieren. Ebenso sind wir in unserer Kultur der Fossilen Welt nur mit einem anderen Zungenschlag verfangen, was uns allerdings enorme Probleme bereitet ('der Benziner war doch so gut ...'), da diese im Gegensatz zu den Indigenen nicht auf Bescheidenheit beruht, sondern auf zerstörerischen Wohlstand.
Allein, Kultur von sehr großen Bevölkerungsgruppen gelebt, lässt sich nur schwer wandeln. Die Chinesen hatten Glück, mit dem Benziner nicht allzu lang vertraut zu sein ...
Und die Gefahr ist gross, dass sich das Wahlvolk aus Frust weiter nach rechts lehnt, wie anderswo in der EU auch. Die Einhaltung eingeganger Verträge interessiert wenig, die Unzufriedenheit ist eine praktische, am Konkreten festgemachte.