Auch klimapolitisch kann Sprache doppeldeutig sein. "Die nächste Bundesregierung wird eine Klimakatastrophen-Regierung", schreibt Fridays for Future in einem heute veröffentlichten Forderungskatalog zur Bundestagswahl.

Mit "Katastrophe" meinen die Aktivist:innen vordergründig den Zustand des Klimas, nicht nur weil 2024 das heißeste Jahr bisher gewesen ist. Auch vier sogenannte Jahrhundertfluten sowie die 45.000 Hitzetoten in Europa zeigten, wie "die ökologische Realität schneller eskaliert, als wir hinterherkommen", sagte Carla Reemtsma am Donnerstag bei der Präsentation der Forderungen.

Und besonders schlecht – um nicht zu sagen: katastrophal schlecht – kommen für die Klimaaktivist:innen die im Februar zu Wahl stehenden Parteien hinterher. Beim Klima lebten die Parteien in einer gänzlich anderen Realität, kritisierte die Fridays-for-Future-Sprecherin. Drei der Wahlprogramme von diesen Parteien nahm sich Reemtsma dabei konkret vor.

Die SPD versuche, ihre Variante von sozialdemokratischem Klimaschutz zu präsentieren, sagte sie. Zugleich vergesse die Partei, dass Klimaschutz vor allem bedeute, Emissionen zu reduzieren. Das funktioniere nur mit einem Ausstieg aus den Fossilen. "Das Ende von Kohle, Öl und Gas findet keinerlei Erwähnung im SPD-Wahlprogramm", kritisierte die Sprecherin scharf.

Habecks Positionen stellen Glaubwürdigkeit der Grünen infrage

Das Klimaprogramm der Union sei einer Volkspartei unwürdig, fasste Reemtsma kurz und bündig zusammen. CDU und CSU wollten zurück zu noch mehr Klimazerstörung und verweigerten sich jedweder Klima-Verantwortung mit ihren Absagen an das Verbrenner-Aus, das Gebäudeenergiegesetz sowie den Kohleausstieg bis 2030.

Forderungen von Fridays for Future

  • Emissionen ab jetzt konsequent reduzieren, Klimaneutralität 2035
  • klarer Plan für geordneten Gasausstieg bis 2035
  • Bezahlbarkeit sichern durch Recht auf klimafreundliche Wärme und Mobilität
  • Superreichensteuer zur Finanzierung der Transformation
  • Fonds zum Schutz von Menschen vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise
  • jährlich 300.000 Menschen in Zukunftsindustrien ausbilden

Ins Gericht ging die Aktivistin auch mit den Grünen. Diese suchten den Eindruck zu erwecken, ein "Wohlfühl-Klimaschutz" oder ein "Weiter so" seien ohne große, substanzielle Veränderungen möglich. Auch drohe die Klimafrage vermeintlich notwendigen Wahlkampf- oder Koalitionsüberlegungen zum Opfer zu fallen, sagte Reemtsma.

Für sie wäre die Klimapolitik der Grünen auch glaubwürdiger, würde sie nicht durch den eigenen Kanzlerkandidaten infrage gestellt. Reemtsma bezog sich dabei auf diverse Erklärungen von Robert Habeck vor dem Jahreswechsel, der avisierte Kohleausstieg für 2030 sei wohl nicht zu schaffen. Kohlekraftwerke könnten erst vom Netz genommen werden, wenn es genügend Alternativen gebe.

In dem Punkt gebe es speziell gegenüber der Erdgaslobby einen "Kuschelkurs", kritisierte Reemtsma. Die Klimaaktivist:innen nehmen den zuletzt erstarkenden Einfluss der Gaslobby als besonders katastrophal wahr. Nicht zufällig ist der Ausstieg aus der Nutzung von fossilem Gas eine ihrer sechs Forderungen zur Bundestagswahl.

Teilweise sei Erdgas gefährlicher fürs Klima als Kohle, hieß es am Donnerstag. Hier mache sich bislang auch keine Partei ehrlich. Neuverträge mit der Gasbranche machten Deutschland überdies abhängig von anderen Staaten und von Autokraten.

Mehr Gegenwind für die Klimabewegung

Die Klimabewegung muss dabei selbst mit größerem politischem Druck zurechtkommen. Sie habe den Eindruck, so Reemtsma bei dem Termin, je mehr die Klimakrise eskaliere, desto mehr eskaliere auch der Gegenwind gegen diejenigen, die etwas gegen die Klimakrise unternehmen, sowie gegen die Maßnahmen, die das Schlimmste verhindern sollten.

Erläuterten die Forderungen (v.l.n.r.): Luisa Neubauer, Frieda Egeling, Pit Terjung und Carla Reemtsma von Fridays for Future. (Bild: Jörg Staude)

Auch Luisa Neubauer sieht einen Wandel in der gesellschaftlichen Stimmung. In der bundesdeutschen Demokratie, die sich als grün und ökologisch verstanden habe, sei inzwischen sichtbar geworden: Wenn nicht Aktivist:innen die Klimafrage in den Wahlkampf trügen, die Politik damit konfrontierten oder auf Parteitagen kritische Reden hielten, dann finde Ökologie gar nicht mehr statt, beschrieb die bekannte Klimaaktivistin am Donnerstag die Lage.

Im Moment erlebe der Klimaschutz eine Art Stunde der Wahrheit, so Neubauer weiter. Denn jetzt trete hervor, wie selbstgerecht, ja teilweise verlogen in den letzten sechs Jahren Klimapolitik gemacht worden sei, weil es gerade gepasst habe – in der Sekunde aber, wo man sich jetzt fürs Klima hätte starkmachen müssen, werde das Thema zurückgezogen, analysierte sie.

Nun sehe man, für wen der Klimaschutz damals nur ein Thema gewesen sei, um mitreden können, und wem er wirklich wichtig sei.

Neubauer sieht eine Art neue Trennung zwischen denen, die meinten, man könne mit fossiler Zerstörung weitermachen wie bisher und ab und zu ein wenig "öko" draufschreiben, und anderen, die sagten, uns fliege alles um die Ohren, wenn wir die Emissionen nicht herunterbekommen und eine echte, bezahlbare wie gerechte Transformation einleiten.

 

Mit den geplanten Aktionen zur Bundestagswahl bleibt Fridays for Future bei seiner klassischen Kampagnenarbeit und stellte am Donnerstag auch eine entsprechende Plakatkampagne vor. Beim Klimaschutz sei ein klarer, demokratischer Massenprotest noch immer "das schärfste Schwert", hieß es dazu.

Geplant sei, in vielen Orten auf die Straße zu gehen und auch Spitzenpolitiker:innen auf Podien damit zu konfrontieren, ob sie sich für konsequenten Klimaschutz einsetzten. Am 14. Februar soll es einen bundesweiten Klimastreik geben.