Mehrere hundert Aktivist:innen versuchten am heutigen Sonntag, die Zufahrtswege zum Dannenröder Wald zu blockieren. (Foto: Ende Gelände/​Flickr)

Die harten Auseinandersetzungen um den Weiterbau der Autobahn A 49 in Hessen halten an. Bis zu 400 Aktivist:innen von "Ende Gelände" blockierten am heutigen Sonntag die Zufahrtswege, um die in den letzten Tage fortgesetzte Räumung von Baumhäusern aufzuhalten.

Seit Anfang Oktober wird im Dannenröder Forst gerodet, um die letzten 30 Kilometer der bereits genehmigten Autobahn A 49 nach Kassel zu Ende zu bauen. Das Aktionsbündnis fordert wie auch eine Reihe anderer Umweltgruppen den sofortigen Stopp der Rodung und des Autobahnausbaus.

"Während die Grünen auf ihrem Parteitag 1,5 Grad ankündigen, sehen wir im Danni die Realität schwarz-grüner Klimazerstörung", erklärte dazu Ronja Weil von "Ende Gelände". Mitten in der Klimakrise werde ein Wald für eine neue Autobahn vernichtet.

Diesem Wahnsinn stelle man sich entgegen. Sollten die Grünen in Hessen die Rodung nicht stoppen, "werden wir das zu eurem politischen Desaster machen", erklärte das Aktionsbündnis heute via Twitter.

Bei den polizeilichen Räumungen war es in den letzten Tagen zu mehreren Zwischenfällen gekommen. Am Samstag wurde eine Aktivistin schwer verletzt, als sie aus vier bis sechs Metern Höhe von einer mit Seilen an Bäumen befestigten Holzpalette stürzte. Bereits am Freitag setzte die Polizei einen Elektroschocker ein.

Am 15. November war eine Aktivistin von einem hochbeinigen Gestell gestürzt und hatte sich ebenfalls schwer verletzt. Inzwischen stellte sich heraus, dass ein Polizist zuvor ein Seil durchtrennt hatte, das mit dem Gestell verbunden war. Die Verbindung soll für den Beamten nicht erkennbar gewesen sein.

Grüne einigen sich auf entschärfte 1,5-Grad-Vorgabe

Am gestrigen Samstag gelang es den Grünen auf ihrem virtuellen Parteitag, den sich abzeichnenden Streit um die Verankerung des Pariser 1,5-Grad-Klimaziels im neuen Grundsatzprogramm aufzulösen. Gegen Mittag twitterte Parteivorsitzende Annalena Baerbock, die Delegierten hätten sich auf einen Text geeinigt. Im Programm, das bis zum frühen Nachmittag noch nicht endgültig verabschiedet war, soll es nun heißen:

"Es ist Aufgabe der Menschheit, die Katastrophe so weit wie möglich zu verhindern. Zentrale Grundlage unserer Politik ist das Klimaabkommen von Paris sowie der Bericht des Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit, der verdeutlicht, dass jedes Zehntelgrad zählt, um das Überschreiten von relevanten Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern. Es ist daher notwendig auf den 1,5 Grad-Pfad zu kommen. Dafür ist unmittelbares und substanzielles Handeln in den nächsten Jahren entscheidend."

Mit der Einigung wurde eine Kampfabstimmung zum Klimaschutz vermieden. Ein entsprechender Antrag hatte verlangt, das 1,5-Grad-Ziel zur "Maßgabe" grüner Politik zu machen. Dafür hatte sich unter anderem die grüne Europaabgeordnete Jutta Paulus in der online ausgetragenen Debatte ausgesprochen.

Deutschland habe sich in Paris verpflichtet, die Erderwärmung bei deutlich unter zwei Grad und möglichst bei 1,5 Grad zu halten, sagte Paulus. Das sei noch vor dem Sonderbericht des Weltklimarats gewesen, der dann aufgezeigt habe, welche drastischen Folgen selbst 1,5 Grad Erderwärmung haben.

Deswegen sei es nötig, das 1,5-Grad-Limit ins Grundsatzprogramm zu schreiben, forderte Paulus. Man müsse das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.

"Den 1,5-Grad-Pfad in jedem Sektor in Politik umsetzen"

Mit der Frage, was das 1,5-Grad-Ziel für die Politik bedeutet, hatten sich zuletzt verschiedene Studien beschäftigt. Eine Datenanalyse kam zu dem Schluss, dass Deutschland dafür sogar schon um das Jahr 2026 klimaneutral sein müsste. Laut einer Studie des Wuppertal-Instituts soll dies zumindest bis 2035 auch realisierbar sein.

Baerbock hatte am Freitag in ihrer Grundsatzrede vor dem Parteitag betont, dass "weniger als 30 Jahre" Zeit blieben, um das Leben auf Klimaneutralität zu bauen. Kritisch seien dabei nicht die Jahre 2040 oder 2050, sondern die 2020er Jahre. Baerbock: "Jetzt beginnt das entscheidende Jahrzehnt. Wir müssen jetzt ins Machen kommen."

Deswegen, erklärte die Vorsitzende weiter, müssten jetzt die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut und der Kohleausstieg beschleunigt werden sowie saubere Autos auf die Straßen kommen.

"Das Versprechen von Paris, der 1,5-Grad-Pfad, ist nichts wert, wenn er nicht in jedem Sektor in konkrete Politik umgesetzt wird", sagte Baerbock. Die Politik von Union und SPD, die im Prinzip für Paris seien, im Konkreten aber dagegen arbeiteten, habe Deutschland wertvolle Jahre gekostet.

Baerbock suchte Befürchtungen vor einem nicht zu bewältigenden Umbau des Landes zu zerstreuen. Die anstehende Klimarevolution sei "in etwa so verrückt wie Bausparvertrag", sagte sie. "Das Wirtschaftssystem neu aufzustellen bedeutet keinen Klima-Umsturz, sondern ist purer Selbstschutz."

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