Viele in die Höhe gereckte Hände, am Rand sind selbstgemalte Demoschilder und ein Fridays-for-Future-Transparent zu sehen.
Beim zehnten globalen Klimastreik ist die Welt eine andere als beim ersten, aber sie ist nicht klimafreundlicher geworden. (Foto: Timon Görtz/​Shutterstock)

"People Not Profit". So heißt das Motto für den globalen Klimastreik, der am heutigen Freitag stattfindet. Es ist bereits der zehnte dieser großen Streiktage, inspiriert vom Vorbild der jungen schwedischen Aktivistin Greta Thunberg.

Die hatte 2018 mit ihrem "Skolstrejk för klimatet"-Plakat vor dem Parlament in Stockholm den Nerv der Zeit getroffen und die weltweite Fridays-for-Future-Bewegung initiiert. Es war die Zeit, in der niemand von Corona und Ukraine-Krieg etwas ahnte.

Ein trauriges Jubiläum. Denn, es ist zwar ein Erfolg, dass die "Fridays"-Jugendlichen trotz Lockdowns, Maskenpflicht und Abstandsregeln durchgehalten haben, die zwei Jahre lang das öffentliche Leben fast lahmlegten. Diesmal werden global wieder Millionen für das Menschheitsthema Klimaschutz auf die Straße gehen, mit einem Schwerpunkt in Deutschland. Allein hier sind über 250 Demos geplant.

Doch zu feiern gibt es, angesichts von Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine, nichts. Erfolge wie der, dass Fridays for Future es 2019 schaffte, die faktisch fast klimablinde Groko-Bundesregierung immerhin zur Verabschiedung eines milliardenschweren "Klimapakets" zu bringen, verblassen gegen diese von dem Despoten in Moskau ausgelöste historische Katastrophe.

Natürlich, die Demos stehen unter einem Doppelmotto: "für eine klimagerechte Zukunft und Frieden". Die beiden Themen sind aufs Engste miteinander verknüpft. Das ist inzwischen wohl dem Letzten aufgegangen. "Jeden Tag zahlt die EU rund 500 Millionen Euro an Putin für Kohle, Öl und Gas, wobei Deutschland einer der Hauptabnehmer russischer Energieimporte ist", schreiben die Fridays-Aufruferinnen.

Als Antwort auf den Krieg fordern die Aktivisten einen Importstopp für die fossilen Brandbeschleuniger, die per Pipeline und Schiff zu uns geschafft werden. Und sie haben dabei immerhin eine Mehrheit der Bundesbürger hinter sich, 55 Prozent sprechen sich dafür aus, Putin den Geldhahn sofort abzudrehen. Trotz möglicher Folgen für Wirtschaft und Wärmeversorgung.

Historisches Versagen der Merkel-Regierungen  

Auf Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU kommt es hier an, seine Verantwortung ist groß. Bisher lehnt die Bundesregierung einen Lieferstopp ab, aus Sorge vor ökonomischen Verwerfungen und steigender Arbeitslosigkeit. Zu einem gewissen Grad ist das nachvollziehbar. Trotzdem ist ein weiteres Signal an Putin nötig, etwa durch eine Kürzung der Abnahmemengen oder Überweisung des Geldes auf ein Sperrkonto. Und umso mehr kommt es auf eine stringente Energiepolitik an.

Das historische Versagen der Merkel-Regierungen in diesem Zusammenhang ist enorm. Die Ampel darf nicht ähnliche Fehler machen.

Es kann gar nicht oft genug betont werden: Die Koalitionen der vorgeblichen "Klimakanzlerin" haben, ob mit SPD oder FDP als Juniorpartner, den Ausbau der erneuerbaren Energien brachial abgebremst, der dank des unter Rot-Grün beschlossenen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gerade Fahrt aufgenommen hatte, und zudem die Wärme- und die Verkehrswende schleifen lassen.

Ja, sie haben mit ihren Ausbau-Deckeln den Zusammenbruch der deutschen Solarindustrie provoziert und unsere Abhängigkeit von russischen Energielieferungen weiter gesteigert – mit dem Beschluss zu Nord Stream 2 sogar noch nach Putins Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim von 2014.

Man muss sich das klarmachen: Hätten die CDU-Kanzlerin Merkel und ihre Wirtschaftsminister die Energiewende konsequent fortgeführt, die Selbstversorgung Deutschlands vor allem mit Ökostrom, aber auch mit "grüner" Wärme in energetisch sanierten Wohnungen wäre heute bedeutend höher.

Eine solche Politik auch auf EU-Ebene hätte möglicherweise Putins Hochrüstung unmöglich gemacht, schließlich sind Energieexporte die Haupt-Einnahmequellen Russlands. Wer weiß, vielleicht hätte der Despot in Moskau den Angriff auf die Ukraine nicht gewagt. Zumindest liefe seine mit den fossilen Profiten geschmierte Militärmaschine schlechter.

Wo bleibt der erneuerbare Quantensprung?

Die Ampel-Koalition steht nun vor ihrer Bewährungsprobe. Sie hat zwar das Ziel ausgegeben, die Abhängigkeit von russischer Energie schnell zu senken und zu diesem Zweck die Erneuerbaren noch stärker auszubauen als geplant. Die "Freiheitsenergien", wie Finanzminister Lindner sie nennt.

Doch hier nehmen die Fragezeichen zu. Der grüne Vizekanzler Habeck tourt durch die Welt, um Ersatz-Erdgas zu beschaffen, auch das klimaschädliche LNG, und er scheut sich dabei nicht, Deals mit dem wegen Menschenrechtsverletzungen höchst umstrittenen Katar zu machen.

Gleichzeitig legt er den Vorschlag für eine EEG-Novelle vor, die nach Ansicht vieler Experten zwar deutlich besser ist als die Groko-Verhinderungsplanung, die aber den jetzt nötigen Quantensprung für den Erneuerbaren-Ausbau immer noch nicht bringen wird. Hier muss gewaltig nachbessert werden.

Die Fridays-Aktivisten, und nicht nur sie, warnen: "Statt neue fossile Abhängigkeiten zu erschaffen, ist es jetzt die Aufgabe der Ampel-Koalition massiv in Wärmepumpen, Solaranlagen und Windräder zu investieren und soziale Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen." Und damit haben sie schlicht recht.

Der Beitrag wurde um 17 Uhr ergänzt (Teilnehmerzahl).

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