Flughafen Wien
Der Ausbau des Wiener Flughafens ist seit Jahren umstritten. (Foto: Kurt Bauschardt/Flickr)

In Österreich ist es eine Seltenheit, dass sich die größten Infrastrukturunternehmen des Landes an einen Tisch setzen. Wenn dies aber doch passiert und "die Industrie" den möglichst raschen Beschluss eines Gesetzes fordert, dann bedeutet das in der Regel nicht nur Gutes für Zivilgesellschaft und Umwelt.

Im November forderte eine Allianz aus Asfinag (Straßenbau), Verbund AG (Stromnetz), Österreichischen Bundesbahnen und der Flughafen Wien AG bei einer dieser seltenen Gelegenheiten, das Standortentwicklungsgesetz schnell zu beschließen. Die Unternehmer versprechen sich von dem neuen Gesetz eine schnellere Genehmigung von Großprojekten, die Regierung will damit die Wirtschaft ankurbeln. Umweltverbände und JuristInnen hingegen warnen vor dem Abbau von Rechten für Umweltschutz- und Bürgerinitiativen.

Anlass der Diskussion ist der geplante Ausbau des größten Flughafens Österreichs: Die Flughafen Wien AG will mit einer dritten Landebahn den Personenverkehr fördern und Wien zur Drehscheibe für internationale Fernreisen machen.

Für Magdalena Heuwieser, Sprecherin der Klimagerechtigkeitsinitiative System Change not Climate Change, ist die geplante dritte Landebahn "das klimaschädlichste Projekt Österreichs", ist doch der Flugverkehr einer der am stärksten wachsenden CO2-Emittenten weltweit. Auch Bürgerinitiativen und AnwohnerInnen hegen Bedenken wegen steigenden Fluglärms und erhöhter Abgaswerte durch den Ausbau.

Zwar ist nach mittlerweile elf Jahren rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen Bürgerinitiativen und dem Flughafen der Ausbau noch immer nicht genehmigt. Seine Realisierung ist aufgrund des Einsatzes der ÖVP/FPÖ-Regierung dafür jedoch fast gesichert.

Verfahren beschleunigen – auf Kosten der Demokratie?

Diese will nun mit einer Gesetzesinitiative Vorhaben beschleunigen, die "in Bezug auf Investitionsvolumen und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt besondere Bedeutung aufweisen", wie es im Gesetzentwurf heißt.

Anwendung soll das Standortentwicklungsgesetz nur bei Großprojekten finden, bei denen die verschiedensten Verfahren zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zusammengeführt werden, da die geplanten Bauten möglicherweise großen Einfluss auf die Umwelt haben.

Die Genehmigungsverfahren von Projekten wie Autobahnen oder Speicherkraftwerken sollen damit in Zukunft rascher abgewickelt werden. Nach zwölf Monaten Laufzeit ohne Entscheidung soll das Verfahren in die zweite Instanz hochgestuft werden – selbst bei erheblichen Verzögerungen durch die Antragsteller selbst, die in Österreich Projektwerber genannt werden.

Damit entfallen Möglichkeiten des Einspruchs vonseiten Dritter, wie Gregor Schamschula vom Ökobüro, einer Allianz aus 17 österreichischen Umweltschutzorganisationen, erklärt.

Die Initiatorin des Gesetzes, die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) lässt die Befürchtungen der Umweltschützer nicht gelten. "Wir greifen damit weder in die Parteienstellung noch in den Instanzenzug ein. Wir verkürzen einzig und allein die Dauer der Verfahren", so Schramböck.

Sie will mit dem Gesetz Investitionen erleichtern und damit Arbeitsplätze schaffen. "Es kann nicht sein, dass Entscheidungen mutwillig in die Länge gezogen werden", lässt die Ministerin verlauten und spielt damit wohl auf Umweltorganisationen an.

Der Umweltjurist Gregor Schamschula widerspricht: "Die Projektwerber verzögern UVP-Verfahren selbst im Schnitt um sechs Monate, durch unvollständig eingereichte Unterlagen." Würden Verfahren schon nach zwölf Monaten in die zweite Instanz hochgestuft, so könnten Großprojektwerber das Verfahren selbst mutwillig verschleppen, um so die erste Instanz zu umgehen.

"Durch die Beschleunigungsmechanismen des Standortentwicklungsgesetzes wird demokratische Kontrolle potenziell ausgehebelt", warnt der Experte vom Ökobüro.

Klimaaktivistin Magdalena Heuwieser kritisiert generell die österreichische Klimapolitik: "Die schwarz-blaue Regierung arbeitet mit allen Mitteln daran, sinnvollen Umweltschutz auszuhebeln, und heizt damit die Klimakrise weiter an."

Ausweg Strategische Umweltprüfung

Schnellere Verfahren seien zwar im Interesse aller, so Schamschula vom Ökobüro. Die Entscheidungen müssten dann aber auch qualitativ gut sein. "Wenn gezielt Parteien ausgeschlossen werden um Entscheidungen zu beschleunigen, werden sie später wieder vom Höchstgericht gekippt." Die Folge wären zukünftig noch längere Verfahren und Frustration bei allen Beteiligten.

Nicht nur braucht es mehr Fachleute für effizientere Verfahren, auch ein Mehr an Demokratie in Entscheidungsprozessen kann die Genehmigungsverfahren abkürzen: Die sogenannte Strategische Umweltprüfung (SUP) wäre eine mögliche Alternative.

Bei der SUP werden in einem ergebnisoffenen Prozess - unter Einbeziehung aller Betroffenen - Möglichkeiten der Realisierung von Projekten diskutiert, noch bevor eine Genehmigung beantragt ist. "Im Genehmigungsverfahren selbst gibt es dann weit weniger Konflikte, weil die Leute schon davor eingebunden waren", erklärt Gregor Schamschula.

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