Aktivisten blockieren am 15. November 2017 das Kohlekraftwerke Weisweiler
Aktivisten blockieren am 15. November 2017 das Kohlekraftwerk Weisweiler östlich von Aachen. (Foto: Zucker im Tank)

Vor ein paar Wochen bekam Cornelia – ihren Nachnamen will sie nicht nennen – einen Brief zugestellt, der es in sich hatte. Die 21-jährige Physikstudentin las, dass der Essener Energiekonzern RWE sie und fünf weitere Personen auf insgesamt 2,07 Millionen Euro Schadenersatz verklagt hat. "Das war schon eine lebensverändernde Sache", erzählt sie.

Was war geschehen? Cornelia hatte vor zwei Jahren eine Entscheidung getroffen. Immer mehr Berichte über den Klimawandel und die Folgen für Mensch und Umwelt hatte sie gelesen und kam zu dem Schluss, etwas tun zu müssen. Zusammen mit anderen Klimaaktivisten plante sie, während der UN-Klimakonferenz in Bonn das Kohlekraftwerk Weisweiler nahe Aachen zu besetzen.

In den frühen Morgenstunden des 15. November 2017 betraten die Aktivisten das Kraftwerksgelände und brachten die Förderbänder und Bagger zum Stillstand. 

"Wir wollen den Klimawandel dort stoppen, wo er erzeugt wird", sagt Cornelia. Das Kraftwerk Weisweiler mache allein etwa zwei Prozent des deutschlandweiten CO2-Ausstoßes aus. Begleitet wurde die Gruppe von dem Fotojournalisten Jannis Große, der die Aktion nach Angaben der Aktivisten lediglich dokumentieren wollte – und jetzt zu den angeklagten Sechs gehört.

"Wir lassen uns nicht einschüchtern"

RWE strengte einen strafrechtlichen Prozess wegen Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Störung öffentlicher Betriebe und legte auch mit einer zivilrechtlichen Klage nach – mit der Forderung nach 2,07 Millionen Euro Schadenersatz.

"Durch die Besetzung ist RWE ein großer Schaden entstanden, weil die Brennstoffzufuhr sämtlicher Kohleblöcke des Kraftwerks Weisweiler und damit deren Leistung über den Tagesverlauf erheblich beeinträchtigt wurde", erklärt RWE-Sprecher Guido Steffen gegenüber Klimareporter°.

RWE habe deshalb seinen vertraglichen Stromlieferverpflichtungen nicht vollständig nachkommen können. "In der Folge musste sich RWE die Fehlmengen am Markt beschaffen und hierfür erhebliche Kosten aufwenden."

Zwar ist sich Cornelia aller Konsequenzen bewusst gewesen, wie sie sagt, dennoch sei die hohe Schadenersatzforderung doch "etwas Neues für die Bewegung". Die Gruppe werde sich aber von RWE "nicht einschüchtern lassen".

Auseinandersetzung geht weiter

Die Beklagten haben Widerspruch eingelegt. Außerdem planen sie für den kommenden Montag am Kraftwerk Weisweiler eine Kundgebung. "Wir haben beschlossen, damit jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen", sagt Cornelia.

Sie wolle die Bühne nutzen, die RWE ihr nun "biete". Denn auch mit dem Ende der Arbeit der Kohlekommission sei die Sache noch nicht erledigt. "Das Ergebnis der Kohlekommission ist für uns extrem unbefriedigend", sagt Cornelia. "Innerhalb von 20 Jahren die Kohlekraftwerke abzuschalten reicht nicht, um den Klimawandel zu kontrollieren."

Ein Prozesstermin sowohl für die zivil- als auch die strafrechtliche Klage steht noch aus.

Die Frage, ob es verhältnismäßig sei, Studenten auf eine Millionensumme zu verklagen, beantwortet RWE-Sprecher Steffen so: "Wer Student ist, ist rechtsmündig und haftet für Schaden, den er verursacht." Als der Konzern vor gut zwei Jahren wegen der von ihm verursachten Klimaschäden verklagt wurde, hatte RWE freilich anders argumentiert.

20. Februar, 11 Uhr: In einer früheren Version des Textes hieß es, sechs Aktivisten seien angeklagt. Einer der sechs Beklagten ist jedoch ein Fotojournalist, der die fragliche Aktion nach Angaben der Aktivisten lediglich dokumentiert hat. Der Text wurde entsprechend geändert.

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