Menschen und Banner
Besetzung zweier Verladekräne des Kohlekraftwerks Datteln 4 heute Vormittag. (Foto: Fabian Steffens/​Decoalonize Europe/​Flickr)

Gute Laune trotz Kälte und penetrantem Nieselregen: "Wir feiern die heutige Aktion als riesigen Erfolg", sagte Daniel Hofinger, Sprecher der Anti-Kohle-Gruppe Ende Gelände, am Nachmittag.

Etwa 150 Klimaaktivistinnen haben am Sonntag zwei Verladekräne des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet für etwa acht Stunden besetzt. Im Morgengrauen hatten sie sich Zugang zu dem Gelände des Energiekonzerns Uniper verschafft, am Nachmittag begann die Recklinghäuser Polizei mit der Räumung, die gegen 17 Uhr abgeschlossen war.

Uniper will Datteln 4 im Sommer in Betrieb nehmen, seit einigen Wochen laufen bereits Tests. Die Bundesregierung hat in ihr Kohleausstiegsgesetz, das neue Kohlekraftwerke eigentlich ausschließt, eine Sonderklausel für die Anlage geschrieben. Das lehnt die Klimabewegung ab.

Bundesregierung und Uniper werben sogar mit dem Klimaschutz für Datteln 4, denn es sollen dafür andere, ältere Kraftwerke vom Netz gehen – aber welche und wie viele genau, steht noch nicht endgültig fest. Die tatsächliche Klimabilanz des Projekts ist also noch nicht bekannt. Es könnten sogar steigende Emissionen drohen.

Obwohl die Kraftwerksbesetzung zuvor nicht angekündigt gewesen war, zeigte die Polizei massiv Präsenz. In einer Mitteilung hieß es, die Aktivistinnen hätten sich "gewaltsam den Zugang zum Betriebsgelände verschafft". Gemeint ist, dass ein Tor aufgebrochen wurde.

Die Einsatzkräfte vor Ort ergriffen allerdings zunächst keine Maßnahmen. Eine Polizeisprecherin erklärte am Vormittag, dass die Besetzenden zwar "widerrechtlich" auf dem Gelände seien, im Moment aber alles friedlich ablaufe.

Die Aktivistinnen dekorierten die Kräne mit Bannern wie "Exit coal, enter future", zu Deutsch "Raus aus der Kohle, rein in die Zukunft". Zwischendurch wurde getanzt und gesungen. "Die Lage ist ruhig", erklärte Hofinger von Ende Gelände noch am frühen Nachmittag.

Uniper hat Strafanträge gestellt

Die Anti-Kohle-Gruppe hatte die Aktion gemeinsam mit der Organisation Decoalonize Europe initiiert. Mit dabei waren aber auch andere Teile der Klimabewegung. "Kohleausstieg bedeutet: Kohlekraftwerke abschalten", sagte Tara Cicchetti von Fridays for Future. "Das haben wir heute selber in die Hand genommen."

Die Recklinghäuser Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen diskreditierte in einer offiziellen Mitteilung der Polizei das Prinzip des zivilen Ungehorsams generell. Die "Begehung von Straftaten" sei kein legitimer Protest. "Wenn jemand meint, über dem Gesetz zu stehen", so Zurhausen, "hat das nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun".

Die Abwägung, ob die Klimakrise nicht doch die Verletzung des Eigentumsrechts von Uniper zu friedlichen Protestzwecken rechtfertigen kann, obliegt letztendlich nicht Zurhausen – dafür möglicherweise einem Gericht. Der Energiekonzern hat gegen alle Personen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Ob und wie viel wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, könne man aber noch nicht einschätzen, hieß es bei Uniper auf Nachfrage.

Neben der Besetzung der Kräne gab es auch eine Mahnwache – als spontan angemeldete Versammlung vor den Toren des Kraftwerksgeländes. Dort sprach unter anderem die russische Klimaaktivistin Alexandra Koroljowa von der Umweltorganisation Ecodefense.

Sie erzählte von den Folgen des Steinkohleabbaus in ihrem Land, das auch Brennstoff für Datteln 4 liefern soll."Die Menschen leiden dort unter schweren gesundheitlichen Folgen der Tagebaue", sagte Koroljowa. Zu gering seien die Umweltstandards.

Die Umweltaktivistin berichtete auch, dass in den Abbaugebieten "Proteste gegen den Kohleabbau brutal unterdrückt werden". Trotzdem habe Deutschland 2019 doppelt so viel Kohle aus Russland importiert wie im Jahr davor, kritisierte sie.

Auf dem Nachhauseweg abgefangen

Zum Abschluss der Aktion kam es noch einmal zu einem Konflikt. Als die letzte Gruppe sich am Abend nach der polizeilichen Räumung vom Gelände entfernte, um zu ihren Autos zu gelangen, wurde sie von der Polizei gestoppt, die zuvor bereits alle Personalien aufgenommen hatte.

Die Begründung: Zwei Aktivistinnen hätten sich nicht an die mit einem Flatterband vorgegebene Wegführung gehalten. Sie wurden von Einsatzkräften eingekreist und mussten ihre Taschen durchsuchen lassen.

Teil der restlichen Gruppe war auch Ende-Gelände-Sprecherin Kathrin Henneberger. Die Klimaaktivistin findet das Vorgehen der Polizei unverständlich: "Das ist Repression, die unnötig ist und einschüchtern soll."

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