Mehrfach haben die Aktivist:innen und ihre Unterstützer:innen öffentliche Auftritte der Kanzlerkandidat:innen genutzt, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. (Foto: Dennis Krischker)

Auch bei den Umweltverbänden steigt jetzt offenbar die Sorge, dass die sechs Aktivist:innen, die sich seit Montag im verschärften Klima-Hungerstreik befinden, bleibende Schäden für Leib und Leben davontragen. Zugleich äußern die Verbandsspitzen volles Verständnis für die von den jungen Leuten geäußerten Zukunftssorgen.

Ebenso wie die Aktivistengruppe betonte Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), dass die nächste Legislaturperiode darüber entscheide, ob sich die Klimakrise auf ein erträgliches Maß begrenzen lässt.

Auch reichten die bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise nicht aus, so Niebert in einer gestern verbreiteten Erklärung.

"Die Situation ist dramatisch und die Zeit für konsequentes Handeln – sie ist jetzt." Deshalb müsse die neue Regierung den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Arbeit stellen, forderte Niebert. Dafür lohne es sich zu kämpfen – und zu leben, betonte der DNR-Präsident.

Zwar teile er ausdrücklich die Sorgen der Hungerstreikenden um konsequenten Klimaschutz und verstehe ihre Hilflosigkeit angesichts der systematischen Zerstörung der Lebensgrundlagen. "Dennoch sehe ich es als falschen Weg an, Gesundheit und Leben aufs Spiel zu setzen. Für den Weg in die Klimaneutralität brauchen wir jede und jeden – gesund, lebendig und mit viel Kraft", erklärte Niebert.

Auch Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser appellierte in einem längeren Twitter-Statement an die Aktivist:innen, ihr Leben nicht weiter zu gefährden. Er ermutigte sie, sich zu erholen und zu stärken, um ihre Kraft und ihre Entschlossenheit für eine Klimawende einzusetzen.

"Wir teilen das Anliegen der Protestierenden um ihre Zukunft – aber wir appellieren an sie, aus Sorge um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen, diese Zukunft und ihr junges Leben nicht aufs Spiel zu setzen."

Nur Einzelgespräche ohne Öffentlichkeit nach der Wahl

Politik und Gesellschaft müssten die Proteste der Schüler:innen und Jugendlichen endlich ernst nehmen, forderte auch Kaiser. Das schließe ein, die Klimakrise endlich als Krise zu behandeln und viel weiter gehende Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz zu beschließen als bisher.

Mit Blick auf die Forderungen der Gruppe wies Kaiser auch darauf hin, dass ein Gespräch mit Politiker:innen "zumindest in einem Fall bereits erfolgt" sei. Ebenso gebe es bereits einen Klima-Bürgerrat, der gute Ergebnisse vorgelegt habe. Dieser war allerdings aus der Zivilgesellschaft organisiert worden. Überdies haben die Streikenden die Forderung schon fallengelassen.

Zuletzt hatten die Aktivist:innen den Kanzlerkandidat:innen von Grünen, SPD und CDU eine Frist gesetzt und mitgeteilt, dass sie die Drei am 23. September um 19 Uhr im Camp im Berliner Spreebogenpark zu einem öffentlichen Gespräch erwarten. Bisher bieten Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet nur nichtöffentliche Einzelgespräche nach dem Wahltag an – und machen die vorherige Beendigung des Hungerstreiks zur Bedingung.

Dieses Angebot hatte Scholz laut Medienberichten am Freitagabend wiederholt. Er habe sich mit Baerbock und Laschet verständigt und sie seien bereit, nach der Bundestagswahl einzeln mit den Hungerstreikenden zu sprechen, sagte Scholz bei einer Podiumsdiskussion der Jusos in Potsdam. Er forderte die Aktivisten erneut auf, den Hungerstreik zu beenden.

Zuvor hatten zwei der Aktivist:innen, Lina Eichler und Jacob Heinze, laut den Berichten mit Unterstützern Transparente vor der Bühne entrollt und die öffentliche Diskussion noch vor der Bundestagswahl eingefordert. Sie seien dann von Polizisten abgedrängt worden.

Nach Darstellung der Aktivistinnen selbst, die heute verbreitet wurde, hat es am gestrigen Abend eine ausführlichen direkten Austausch von Scholz insbesondere mit Jacob Heinze und Lina Eichler gegeben.

So habe Jacob Heinze sich auf Modellierungen der Klimawissenschaft bezogen und dargestellt, dass beim aktuellen (Emissions-)Kurs die Gesellschaften zusammenbrechen werden und zwar voraussichtlich in der Lebensspanne der heute Lebenden. Und dass die globale Ernährungssituation aufgrund der Klimaveränderungen bereits so instabil sei, dass in diesem Jahr 30 Prozent der Ernten ausgefallen seien.

Olaf Scholz habe darauf lediglich mit der Überzeugung geantwortet, ein "großer Innovationsschub" könne die Probleme lösen, sagte aber nicht, was und wie diese Innovationen konkret aussehen und welche Maßnahmen damit verbunden sein könnten. Auch habe er das Ergebnis der Analysen nicht gelten lassen, die dem SPD-Wahlprogramm attestierten, nicht mit dem 1,5-Grad-Limit konform zu sein.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wurde um 15.30 Uhr aktualisiert aufgrund der Mitteilung der Aktivist:innen.

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