Ich habe kaum Besseres erwartet, aber ich bin erschüttert. Seit ein paar Tagen bin ich auf der Weltklimakonferenz in Madrid. Natürlich wird hier nicht über konkrete Maßnahmen gegen die Klimakrise entschieden, hier wird eben die internationale Zusammenarbeit geregelt.
Aber ich hätte nicht gedacht, wie träge und falsch das hier läuft. Schon allein das ganze Drumherum: Länder und Verbände feiern sich in eigenen Pavillons auf dem Gelände. Im deutschen Pavillon habe ich schon gehört, wie das peinliche Klimapaket der Bundesregierung in höchsten Tönen gelobt wurde. Oder ein anderes Detail: Wenn man hier auf der Konferenz essen will – Burger King ist da.
Für uns von Fridays for Future ist der Klimagipfel trotzdem bereichernd. Wo sonst treffen wir in so einer Form aufeinander?
Ich habe viele Aktivisten und Aktivistinnen aus aller Welt getroffen, die wie ich seit einem Jahr freitags streiken. Wir knüpfen Kontakte, lernen voneinander, planen Aktionen. Das inspiriert mich sehr. Und wir bauen ein einzigartiges Netzwerk auf.
Man sieht bei uns aber im Kleinen, was im Großen schiefläuft. Das hier ist unser erstes globales Treffen und natürlich sind wir aus dem globalen Norden total in der Überzahl. Für uns war es viel einfacher zu kommen – schon allein, weil der Gipfel durch die Verlegung von Chile nach Spanien viel näher an uns dran ist. Das gibt Konflikte.
Kein Raum für Stimmen aus dem Süden
Wir versuchen natürlich, damit irgendwie umzugehen. Wir sind hier nicht repräsentativ für die ganze Bewegung, nur ein winziger Teil der Hunderttausenden auf der ganzen Welt. Also können wir auch nicht im Namen der ganzen Bewegung Entscheidungen treffen, nur als Delegation auf dem Klimagipfel. Das nach außen zu kommunizieren ist schwer. Die Presse differenziert hier nicht.
Elena Balthesen
ist 17 Jahre alt und geht in die 12. Klasse einer Waldorfschule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise herauszukommen. Sie ist bei "Fridays for Future" in München aktiv.
Unsere interne Entscheidungsfindung kann ein Problem außerdem nur schwer lösen: Die Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Norden kriegen von außen einfach mehr Aufmerksamkeit. Das mag auch daran liegen, dass mit Greta Thunberg unser bekanntestes Gesicht aus dem Norden kommt.
Sie hat in einem riesigen Plenarsaal auf der Konferenz eine Rede gehalten. Auf derselben Veranstaltung hat später die Aktivistin Hilda Flavia aus Uganda das Wort ergriffen. Ihr wurde keine große Bühne gegeben, sie hat ihre Botschaft dann in einer fürs Publikum offenen Diskussionsrunde im Anschluss an die vielen Reden vermittelt.
Die Wortmeldungen in der Runde sollten nur kurz sein, aber sie hat sich die Redezeit einfach genommen und wurde nicht unterbrochen. Es war bewegend, wie sie über die Folgen der Klimakrise sprach, die sie persönlich zu Hause schon massiv treffen. Wie sie ihre Ungläubigkeit darüber ausgedrückt hat, dass hier geredet und geredet wird, als hätten wir alle Zeit der Welt.
Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, dass Geschichten wie die von Hilda erzählt werden. Ich saß zwischen Aktivistinnen und Aktivisten aus aller Welt und mir kamen die Tränen. Sie sprach uns allen aus der Seele.
Empörung herrscht übrigens nicht nur bei Fridays for Future. Uns gibt es erst seit einem Jahr, für uns ist es der erste Weltklimagipfel. Viele Nichtregierungsorganisationen und Aktive kommen Jahr für Jahr hierher. Sie beraten, warnen, protestieren – in der Hoffnung, dass die Entscheidungsträger ihnen endlich zuhören. Und alle sind frustriert. Haben genug von leeren Worten.
Das neue Jahrzehnt wird laut
In zwei Wochen beginnt ein neues Jahrzehnt. Und es wird ein lautes. Welche Aktionsformen wir künftig nutzen, liegt nicht allein in meiner Hand. Aber wir werden immer mehr und lauter, bis die nötige Wende kommt. So wie jetzt, wo Klimakonferenzen sich um Detailfragen streiten, statt die Krise in Angriff zu nehmen, geht es nicht weiter.
Wie gesagt, ziemlich genau ein Jahr gibt es Fridays for Future nun, wir in München streiken seit Freitag, dem 14. Dezember 2018. Es ist ein etwas bitterer Geburtstag, denn die Frage ist: Was können wir denn noch tun, damit Verantwortliche uns nicht mehr für unser jugendliches Engagement nur loben, sondern uns endlich ernst nehmen und danach handeln?
Live von der COP 25
Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.
Wir von Fridays for Future werden in Madrid anders behandelt als andere Gruppen, deren Aktionen hier kaum geduldet werden. Am Mittwoch haben wir mit einer unangemeldeten Aktion den Ablauf auf der Klimakonferenz gestört. Nach der Veranstaltung mit Greta Thunberg blockierten wir die Bühne des Plenarsaals. Wir hielten uns bei den Händen, sangen, forderten laut rufend Klimagerechtigkeit. Friedlich, aber laut.
Es war ein unglaubliches Gefühl. Die Security vor Ort war verwirrt. "Das war nicht der Plan, bitte geht weg", sagte ein Mann immer wieder. Na klar war das nicht deren Plan.
So hat es das UN-Klimasekretariat später aber nicht dargestellt. Es veröffentlichte eine Aufnahme unseres spontanen Protests in den Stories auf seinem offiziellen Instagram-Account und überschrieb sie mit dem Titel der ursprünglichen Veranstaltung: "Special Event on Climate Emergency". Danke auch.
Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.