Weizenernte mit dem Mähdrescher auf einem riesigen Feld.
Laut Bundesumweltministerium gehen etwa vier Prozent des Energieverbrauchs im Straßenverkehr auf Agrokraftstoffe zurück, die aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Weizen oder Mais gewonnen werden. (Foto: Anrita Krause/​Pixabay)

Die "Tank oder Teller"-Debatte wird verschärft geführt – wegen des Ukraine-Krieges, der die Getreidepreise in die Höhe getrieben hat, und der Zunahme des Hungers weltweit. Wissenschaftler:innen halten die Nutzung von Agrarflächen, um darauf Biosprit herzustellen, für einen Irrweg.

Mit einer ungewöhnlichen Aktion demonstriert die Umweltorganisation Greenpeace am heutigen Samstag für Weizen als Lebensmittel – und "gegen die Verschwendung als Biosprit und Tierfutter". Die Aktion findet parallel in 21 Städten statt, darunter Köln, Stuttgart und Leipzig. Der Clou: Greenpeace verteilt dort Brot an Passant:innen, das mit Mehl aus sogenanntem Futterweizen gebacken wurde.

Hintergrund des Protests: Nur rund 30 Prozent des hierzulande geernteten Weizens werden nach der üblichen Klassifikation als "backfähig" eingestuft, etwa die Hälfte wandert hingegen als "Futterweizen" in die Viehhaltung oder wird zur Biospritherstellung eingesetzt.

Greenpeace verweist auf Einschätzungen aus der Fachwelt, wonach sich in Wahrheit rund 80 Prozent dieses Getreides zum Backen eigneten. "Wertvolle Lebensmittel dürfen nicht länger für Biosprit und Futtermittel verschwendet werden", sagte Greenpeace-Agrarexperte Matthias Lambrecht. Laut der Organisation wird in der EU täglich Biosprit aus 10.000 Tonnen Weizen verbraucht. Das sei genug, um daraus 15 Millionen Brote zu backen.

Angesichts der weltweiten Hungerkrise sei es "unverantwortlich, Weizen weiter in Verbrennungsmotoren zu verheizen", mahnte Lambrecht. Die Bundesregierung müsse die Beimischung von Biosprit aus Nahrungsmitteln zu Benzin und Diesel beenden. Ein Ausstieg von Deutschland aus dem Biosprit "wäre ein Zeichen für andere Länder".

Im Bundeskabinett haben sich Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) für ein Herunterfahren der Agrospritherstellung ausgesprochen, Verkehrsminister Volkmar Wissing (FDP) ist dagegen.

Ein von Lemke vorgelegter Gesetzentwurf dazu gehe in die richtige Richtung, meint Greenpeace. Er dürfe nicht länger von Wissing blockiert werden. Lambrecht: "Statt mithilfe von Biosprit seine Klimaziele zu erreichen, sollte Wissing endlich wirklich wirksame Maßnahmen gegen die Erderhitzung ergreifen." 

Protest auch gegen Massentierhaltung

Bei den "Brot-Demos" können die Passant:innen mit ihrer Unterschrift auf einem großen Mehlsack die Aktion unterstützen. Die Säcke sollen dann an das Özdemir-Ministerium geschickt werden.

Der Forderung, Lebensmittel nicht mehr für Tank oder Trog zu verschwenden, hatten sich in einer von Greenpeace und der katholischen Hilfsorganisation Misereor gestarteten Petition mehr als 58.000 Menschen angeschlossen. Eine weitere Forderung dabei war es, den tierschutzgerechten Umbau der Viehhaltung endlich entschieden voranzutreiben. Die Unterschriften wurden an Özdemir und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) übergeben.

Die Bundesrepublik kann Greenpeace zufolge nur klimaneutral werden, wenn die Zahl der Tiere in der Landwirtschaft und damit die Emissionen aus der Viehhaltung in etwa halbiert werden. "Damit ließe sich auch die Verschwendung von Lebensmitteln als Tierfutter beenden", meint Lambrecht.

Tatsächlich bedeutet die "Veredelung" von Pflanzen in Fleisch große Verluste an Kalorien. So werden im Durchschnitt für die Herstellung einer tierischen Kalorie sieben pflanzliche Kalorien benötigt. Eine Kalorie im Rindfleisch benötigt, je nach Produktions- und Berechnungsform, sechs bis 21 Kalorien aus Getreide. Günstiger scheidet Geflügelfleisch ab, hierfür werden für eine Kalorie vier pflanzliche benötigt.

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