Nadelwald aus der Vogelperspektive
Den Wald geht es so schlecht wie schon lange nicht mehr. (Foto: Colin Behrens/​Pixabay)

Die extremen Hitze- und Trockenjahre 2018 bis 2020 hatten dem Wald bereits schwer zugesetzt. Insgesamt wurden rund 500.000 Hektar und damit fast fünf Prozent der Waldfläche Deutschlands zerstört, wie Satellitenauswertungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im vorigen Jahr ergaben.

Die heute vorgestellte Waldschadenserhebung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigt nun, dass die Forste sich seither nicht erholen konnten. Im Gegenteil: Dürre und hohe Temperaturen, die auch den Sommer 2022 kennzeichneten, haben die Bäume weiter stark gestresst. Alle Baumarten sind betroffen, besonders stark aber die Fichte, der bisherige "Brotbaum" der deutschen Forstwirtschaft.

Das vergangene Jahr war zwar in den ersten Monaten und im Herbst regenreich, doch das konnte das vorher aufgelaufene Wasserdefizit in den tieferen Schichten der Waldböden nicht kompensieren. Die Folgen sind laut dem Report an den Bäumen deutlich ablesbar.

Bei allen Baumarten ist danach ein Großteil der Baumkronen geschädigt. 44 Prozent der Kronen sind in der Warnstufe und 35 Prozent zeigen sogar deutliche Verlichtungen. Der Kronenzustand zeigt an, wie sehr die Bäume geschwächt sind. 

"Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). "Unser wertvolles Ökosystem leidet unter den Folgen der Klimakrise."

Fichte leidet am stärksten

Der Bericht zeigt, dass besonders die Fichte unter den Dürreperioden litt, und zwar sogar auf Standorten mit guter Wasserversorgung und in oberen Höhenlagen der Mittelgebirge. Letztere galten bislang für das Wachstum der Fichtenwälder als besonders geeignet.

Auch hier gab es jedoch großflächige Ausfälle, nicht nur auf den weniger geeigneten Flachland-Standorten, wo diese schnellwüchsige Baumart besonders nach dem Zweiten Weltkrieg als produktiver Holzlieferant gepflanzt worden war – Stichwort "Holzäcker".

Die Fichte ist bisher mit rund einem Viertel Anteil die häufigste Baumart hierzulande. Wegen der Dürren starben viele Bäume ab oder wurden großflächig gefällt, um Schädlingen wie dem Borkenkäfer die Grundlage zu entziehen.

Doch auch die anderen Baumarten sind laut dem Bericht schwer gezeichnet, und zwar Nadel- wie Laubbäume. So litt die Vitalität der Kiefer stark, die bisher als ein Hoffnungsträger im Klimawandel galt. Nur noch 13 Prozent der Kiefern sind gesund.

Bei den Laubbäumen hat die Buche hat mit einem Anteil von 45 Prozent deutlich geschädigter Kronen im direkten Vergleich sogar den größten Anteil in dieser Schadklasse. Der Vitalitätszustand der Buchen sei weiterhin kritisch, so die Bewertung.

Aber auch bei der Eiche gab es keine Besserung. Der Anteil deutlicher Kronenschäden liegt hier bei 40 Prozent.

Der schlechte Zustand des Waldes wird laut der Erhebung, die seit 1984 jährlich bundesweit durchgeführt wird, auch durch den festgestellten Anteil toter Bäume in den jeweiligen Stichproben deutlich. Diese lag mit 3,5 Prozent auf einem neuen Höchststand.

Vielfältige Ursachen

Die Gründe für das Baumsterben sind vielfältig. Sie reichen von Borkenkäfer- über Dürreschäden und Windwurf bis zum teilweisen oder vollständigen Blattverlust.

2022 sei zudem ein Jahr mit starker Fruchtbildung bei den Bäumen gewesen, heißt es im Bericht. Das habe die Kronenvitalität zusätzlich verschlechtert.

Waldschäden in den Ländern

Die Waldschäden haben sich 2022 in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich entwickelt. Besonders den Wäldern in Bayern geht es der Erhebung zufolge wieder besser. Dort sank der Anteil der mittelstark geschädigten bis abgestorbenen Bäume (Schadstufe zwei bis vier) deutlich von 40 auf 26 Prozent. Das ist der höchste Rückgang unter allen Bundesländern. Deutschlandweit gab es hier einen Anstieg um einen Prozentpunkt auf 35 Prozent.

 

Leichte Verbesserungen um jeweils zwei Prozentpunkte wurden in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz festgestellt. In vielen anderen Ländern hat sich der Waldzustand dagegen weiter verschlechtert, vor allem in Baden-Württemberg und den meisten östlichen Bundesländern, aber auch in Niedersachsen und Hessen.

Ebenfalls negativ auf die Hitzetoleranz der Bäume wirkten laut Özdemirs Bericht die weiterhin hohen Schadstoffbelastungen mit Stickstoffverbindungen aus der Luft sowie die teilweise sauren Waldböden.

Özdemir kündigte an, den Umbau der Forste zu klimastabileren Wäldern voranzutreiben. Nötig sei "Mischwald statt Monokulturen". Nur gesunde Wälder speicherten Kohlenstoff und wirkten als "natürliche Klimaanlagen".

Der Minister verwies auf das "Wald-Klima-Paket" im Umfang von insgesamt 900 Millionen Euro, mit dem Waldbesitzende beim Umbau unterstützt würden. Damit könnten die Betriebe Klimaschutz und Biodiversität verbessern, zudem sichere das den "wertvollen, nachwachsenden Rohstoff Holz".

Die neue Erhebung unterstreicht erneut, dass der Wald in einer höchst kritischen Phase ist. Umweltschützer sprechen von einem "Waldsterben 2.0".

Das erste Waldsterben datiert aus den 1980er Jahren, als große Schadstofffrachten vor allem aus Kohlekraftwerken und Automotoren den "sauren Regen" erzeugten. Dieser Krise wurde begegnet, in dem die Politik Filter und Katalysatoren vorschrieb, wodurch die Schadstoffmengen relativ schnell sanken.

Die neue Krise in den Wäldern erfordert neben einer Begrenzung der globalen Erwärmung einen forstlichen Umbau, der Temperaturspitzen in den Wäldern verhindert. Umstritten unter den Fachleuten ist, ob eine durchgängige Gestaltung von Mischwäldern mit heimischen Baumarten zielführend ist oder ob man vor allem auf fremdländische, wärmetolerantere Arten umsteigen sollte.

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