Ein Teller voller Salatgemüse.
Lokales Gemüse ist gesund für Mensch und Natur. So einen Satz aufsagen zu können, reicht aber nicht. (Bild: Mirka Vargof/​Pixabay)

Christian Heymann ist frustriert: "Alle wollen Klimaschutz – aber niemand will dafür bezahlen." Vor elf Jahren hat der Landwirt mit einem Startkapital von 2.000 Euro eine Solawi gegründet. "Solidarische Landwirtschaft" nennt sich das Konzept, bei dem sich Erzeuger:innen mit privaten Haushalten zusammenschließen.

Die Verbraucher:innen bezahlen einen festen Preis im Monat und bekommen dafür wöchentlich einen Anteil von der Ernte. Das gibt den Betrieben Planungssicherheit. So können sie nachhaltige, ökologische, saisonale und vielfältige Lebensmittel anbauen.

Dennoch weiß Christian Heymann nicht, wie die Zukunft seines Betriebs aussehen soll. Die Zukunft sei für die Landwirtschaft allgemein nicht rosig, erklärt er. Das treffe, wie überall, vor allem kleine Betriebe. Größere könnten sich häufig noch über Flächensubventionen retten.

Zurzeit verkauft die Solawi etwa 340 Gemüsekisten pro Monat. Vor drei Jahren waren es mal 440, aber wegen der Inflation durch den Ukrainekrieg sind etwa 100 Haushalte abgesprungen. Nur einen Teil davon hat sich die Solawi wieder erkämpft. Kürzlich hat sich Heymann für eine Preissteigerung entschieden, um die laufenden Kosten besser decken zu können – was erneut zum Absprung von 30 bis 40 Haushalten führte.

Gut für Klima und gesellschaftlichen Wandel

Dabei kommt solidarische Landwirtschaft nicht nur den Bäuer:innen zugute, sondern auch dem Klima, etwa durch kurze Transportwege und die saisonale und bodenschonende Anbauweise. Für das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft ist Solawi "ein Antrieb für den gesellschaftlichen Wandel und wird zu einer Schlüsselfigur im sozial-ökologischen Transformationsprozess".

Die planetaren Grenzen sollen eingehalten werden, damit das Leben auf der Erde zukunftsfähig und lebenswert bleibt. Solawis wollen damit selbst einen Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensweise leisten, möglichst unabhängig von der Agrarpolitik.

Einige Solawis stellen neben pflanzlichen Produkten auch Brot, Käse oder Eier her. Die Website des Netzwerks listet an die 500 bestehende Solawis auf, darunter auch Nichtmitglieder. Weitere 90 befinden sich demnach in Gründung.

Solawis lassen sich auch im großen Stil organisieren, wie das Kartoffelkombinat in der Nähe von München beweist. Es versorgt etwa 2.300 Haushalte mit Gemüse.

Neben der Bezahlung mit Geld finden in Solawis auch Ernteeinsätze statt, bei denen die privaten Haushalte in den Gewächshäusern und auf den Äckern mithelfen. Christian Heymann erzählt, dass diese zumeist gärtnerische Arbeit bei den Verbraucher:innen sehr geschätzt wird. Die Menschen kämen gerne, um für einen Tag in der Erde zu graben.

Bauer sucht Nachfolger:in

Der über den Anbauverband Biokreis zertifizierte Betrieb mit dem Namen SpeiseGut liegt in Berlin-Gatow und bewirtschaftet mit elf Mitarbeiter:innen zwölf Hektar Land. Hier werden etwa 30 bis 40 verschiedene Kulturen angebaut. Von Kohl über Gurken und Paprika bis zu Kartoffeln ist alles dabei. In der dieswöchigen Gemüsekiste befinden sich Radieschen, Postelein, Kartoffeln, Weiße Bete und Zwiebeln. Nächste Woche wird es den ersten Spinat geben.

Mit dem Klimawandel wird der Betrieb wahrscheinlich nach und nach mit anderen Kulturpflanzen im Anbau experimentieren und sich an die neuen Wetterbedingungen anpassen müssen. Schon jetzt wird Physalis angebaut, eine Beerenart, die Frost schlecht verträgt.

Zusätzlich wird selbst gejagtes Wild aus Berlin und Brandenburg verkauft. In einem Hofladen werden neben dem eigenen Gemüse und den selbst gepressten Ölen auch Produkte anderer Betriebe wie Eier, Käse und Honig angeboten.

Heymann selbst ist schon seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft tätig. Zurzeit steckt der Mittvierziger in einem Umorientierungsprozess und hat eine Ausbildung zum Wildnispädagogen begonnen. Den Betrieb will er gerne übergeben. Dafür muss er eine Nachfolger:in finden. Die langen Arbeitszeiten für ihn als Verantwortlichen können sehr abschreckend wirken. In der Saison können die Arbeitstage auch mal zwölf Stunden lang werden.

Instagram-Kundschaft bleibt nicht lange

Ihn stört es, dass so viele Menschen Klimaschutz fordern und bei Demos auf die Straße gehen, aber dann nicht bereit sind, für wirklichen Klimaschutz etwas mehr zu bezahlen und zum Beispiel Kleinbäuerinnen und -bauern wie ihn zu unterstützen.

Wünschen würde er sich einen Absatz von 450 bis 500 Kisten. Dann könnte sich die Solawi weiterentwickeln und zum Beispiel die Mitarbeiter:innen besser bezahlen. Die Fläche für die Menge an Gemüse, die dann angebaut werden müsste, sei vorhanden.

Denn die Bezahlung liegt in vielen Solawis, wie auch in seinem Betrieb, nur etwas über dem Mindestlohn. Hier muss sich etwas ändern, findet Heymann. Viele seiner Gemüsegärtner:innen machen die Arbeit zwar gerne, können sich den Beruf aber nur leisten, weil sie besser verdienende Partner:innen haben.

Der Kampf um Kund:innen geht also weiter. Dafür nutzt der Betrieb auch Social Media und hat unter anderem einen Instagram-Account. Doch die Leute, die darüber angeworben werden, bleiben oft nicht lange bei der Solawi und kündigen ihren Vertrag nach kurzer Zeit wieder.

 

Deswegen sieht Christian Heymann das Solawi-Konzept auch nicht als die Weltrettung. Für ihn ist es ein Vermarktungsmodell wie andere auch. Das Problem sei vor allem die Nachfrage: Das Konzept Solawi werde von zu wenigen Menschen gewollt. Würde Deutschland großflächig über dieses landwirtschaftliche Konzept versorgt werden, dann würde das auch bedeuten, dass sich die einzelnen Konsument:innen verändern müssen.

Denn sein Gemüse aus einer Solawi zu beziehen bedeutet nicht nur, nachhaltige, gesunde und klimafreundliche Lebensmittel zu bekommen, sondern auch, das Gemüse selbst von Erde zu befreien und im Winter viel Kohl und keine Tomaten zu essen. Die wachsen in Deutschland eben nur im Sommer.