Pflanzliche Alternativen zu Milch und Milchprodukten liegen im Trend. Jeder Supermarkt und Discounter führt "Haferdrinks" oder "Sojadrinks", Biomärkte sowieso, hier gibt es zudem eine breite Palette der als klimafreundlich beworbenen Alternativen für Joghurt oder Käse.
Der Milchindustrie scheint diese Entwicklung gar nicht zu gefallen. Auch auf ihr Betreiben will die EU die Vorschriften zur Kennzeichnung der alternativen Produkte verschärfen. Hinweise wie "frei von Milch" oder "sahniger Geschmack" wären dann untersagt. Die Hersteller wehren sich.
Schon seit 2017 ist eine Bezeichnung wie "Hafermilch" EU-weit tabu. Auch für "Joghurt" oder "Käse" auf pflanzlicher Basis, etwa aus Lupine, Soja oder Hanf, mussten die Hersteller sich andere Bezeichnungen einfallen lassen.
Grund ist eine EU-Verordnung von 2013, die festlegt, dass die Namen von Milchprodukten nur für Produkte verwandt werden dürfen, die tatsächlich mit Milch hergestellt sind. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigte diese Regelung 2017.
Doch der Konflikt war damit nicht gelöst. Das EU-Parlament verschärfte die Vorschriften im vorigen Oktober im "Änderungsantrag 171" zu der EU-Verordnung noch einmal, wenn auch mit knapper Mehrheit. Danach soll Herstellern untersagt werden, auf den Verpackungen und in der Werbung überhaupt auf "echte" Milchprodukte zu verweisen, denen die neuen Produkte quasi nachgebaut sind.
Möglicherweise wären auch Öko-Vergleiche mit dem Original auf der Verpackung nicht mehr statthaft. Die Hersteller der Alternativdrinks zum Beispiel werben mit dem deutlich kleineren CO2-Fußabdruck gegenüber Kuhmilch. Diese verursacht nach Studien pro Liter 900 bis 1.300 Gramm CO2-Äquivalent, die Alternativen liegen bei einem Viertel bis einem Drittel davon.
Zum Verwechseln ähnlich?
Die Milchindustrie hält die Neuregelung für notwendig, um zu verhindern, dass die Kundschaft in die Irre geführt wird. Der Europäische Milchindustrieverband EDA argumentiert, die Alternativ-Hersteller wollten "die Grenzen zwischen Milchprodukten und sogenannten pflanzenbasierten Alternativen verwischen". Die Möglichkeit der Bürger sei eingeschränkt, "bei ihren täglichen Einkäufen die Produkte auszuwählen, die sie wirklich wollen".
Die Hersteller der Alternativprodukte und der Vegan-Verband Proveg versuchen nun, die Umsetzung von "171" mit Petitionen auf den letzten Drücker noch zu verhindern. EU-Kommission und EU-Mitgliedsstaaten müssen der Verschärfung nämlich erst noch zustimmen, bevor sie in Kraft treten kann.
Die Hersteller kritisieren, die neuen Regelungen machten den Umstieg auf vegane Produkte unnötig kompliziert – dabei sei es doch Teil der "Farm to Fork"-Strategie der EU, den Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln zu fördern.
Die Vegan-Lobby weist zudem das Argument, zurück, die Verbraucher müssten mit "171" vor Fehlkäufen am Supermarkt-Regal geschützt werden. Der schwedische Haferdrink-Hersteller Oatly verweist auf eine eigene Umfrage in Deutschland. Danach haben nur fünf Prozent der Befragten schon einmal versehentlich ein veganes Produkt gekauft, und nur 2,5 Prozent haben sich daran gestört.
Oatly führt dazu gerade eine Öffentlichkeitskampagne durch. In einem ironischen Online-Test "Are you stupid?" sollen Kundinnen und Kunden angeben, ob sie Produkte unterscheiden können oder nicht.
Wie stark der Markt der Milch-Alternativen boomt, zeigt unterdessen die Expansion des Berliner Start-ups Vly mit seinem Drink auf Erbsenbasis. Binnen eines Jahres habe man über eine Million Liter verkauft, so eine Mitteilung. Inzwischen gebe es das Produkt in 6.000 Supermärkten, demnächst auch in Aktionen bei Discountern.