In Deutschland ernähren sich je nach Statistik bis zu acht Millionen Menschen vegetarisch. Etwas über eine Million sind Veganer, essen also ausschließlich pflanzliche Produkte. Dass jedoch alle Deutschen ohne Fleisch leben werden, ist unwahrscheinlich. Deshalb gibt es Wissenschaftler wie Mark Post.
Der Forscher arbeitet am Physiologischen Institut der Universität Maastricht und präsentierte der Öffentlichkeit im Jahr 2013 den ersten Burger aus Labor-Fleisch. Mark Post ist bekennender Fleischesser. Und gerade weil er nicht auf Fleisch verzichten will, hat er begonnen, über Alternativen nachzudenken.
"Mir wurde bewusst, dass die Fleischproduktion zukünftig ein großes Problem wird", sagt Post. "Das betrifft die Ernährungssicherheit, den Umweltschutz und das Tierwohl. Ich komme aus dem medizinischen Bereich und ich glaube, dass ich eine Lösung für diese Probleme habe."
Der Wissenschaftler ist mittlerweile auch Chef des Startups Mosa Meat. Das Unternehmen entnimmt erwachsenen Rindern Stammzellen und siedelt diese anschließend in einer Nährlösung an. Durch Zellteilung in der Petrischale entsteht künstliches Fleisch – sogenanntes In-vitro-Fleisch.
Die Gewebezüchtung kommt ursprünglich aus der Medizin, um künstliche Organe zu züchten. Für die Fleischzüchtung hat diese Methode funktioniert. Noch ist der Preis allerdings hoch. Der erste Burger aus dem Labor kostete rund 300.000 Euro.
Laborfleisch soll Regenwald-Kahlschlag stoppen
Mark Post ist jedoch optimistisch: "Bei dem jetzigen Stand der Technik können wir sehr bald auf ein Zehn-Euro-Preisniveau kommen. Natürlich muss es für McDonald's nochmal um das Zehnfache sinken. Wir können das schaffen, aber dafür brauchen wir noch einige technologische Fortschritte."
Dabei konkurriert Mosa Meat mit anderen Unternehmen der Branche – es ist ein Wettrennen darum, wer zuerst mit marktreifem und bezahlbarem Fleisch aus der Petrischale die Supermarktregale erobert. Neta Lavon, Vizechefin von Aleph Farms, erklärte kürzlich auf einer "New Food Conference" in Berlin, dass es nur noch zwei Jahre dauern werde, bis die ersten Labor-Burger es mit herkömmlichem Hack aufnehmen könnten.
Die größte Herausforderung ist dabei, die Zellproduktion kosteneffizient zu machen, meint Marc Post. Teuer sei vor allem das Material, mit dem die Zellen gefüttert werden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Waldrodungen für Tierfutter und Weideflächen würden sich drastisch verringern. Laut einer Studie der Universität Oxford könnten bis zu 96 Prozent der Treibhausgase heutiger Tierhaltung eingespart werden, wenn gar kein "richtiges Fleisch" mehr produziert wird.
Auch Veganer und Tierschützer sind begeistert. So glaubt die Tierrechtsorganisation Peta, dass künstliches Fleisch ein großer Fortschritt ist und das Leiden der Tiere endlich beendet. Nichtregierungsorganisationen wie Proveg laden die Burger-Forscher zu Konferenzen ein und warten ungeduldig, wann die Idee es endlich aus den Testlaboren schafft.
Rechtliche und kulturelle Hürden
Doch es könnte länger dauern, als sich das so mancher Tierschützer wünscht. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg versucht die Euphorie zu dämpfen. "Dass ein In-vitro-Burger innerhalb der nächsten Jahre hier bei uns im Supermarkt liegt, halten wir für vollkommen unrealistisch", so der Verbraucherschützer. "Es gibt viele rechtliche Hürden zu überwinden."
Zum Beispiel, wie das Produkt eingestuft werde. "Ist es Fleisch? Wie soll die Kennzeichnung aussehen? Ist so ein Lebensmittel überhaupt zugelassen?", listet Valet auf. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU würden die Mühlen langsam mahlen.
Für Forscher Mark Post sind das Nebensächlichkeiten. Künstliches Fleisch könnte ihm zufolge sogar helfen, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. Für eine Million Burger, so Post, bräuchte man nur noch eine Kuh. Diese müsste nur ab und zu mit einer Spritze angezapft werden. Für den harmlosen Eingriff müsste man das Tier nicht einmal betäuben.
"Von den heutigen anderthalb Milliarden Rindern auf der Welt werden wir nur noch einige hundert Tiere brauchen. Meine Vision ist, dass wir kleine landwirtschaftliche Betriebe haben werden. Kinder werden die Höfe besuchen und sagen: Das sind also die Stammzellspender für unser Fleisch. Denn diese wenigen Tiere werden die gesamte Gesellschaft mit Fleisch versorgen. Das ist keinesfalls Science-Fiction, sondern sehr realistisch", glaubt der Kunstfleisch-Pionier.
Auch Ernährungswissenschaftler Armin Valet sieht die Vorteile für Klima, Umwelt und Tiere. Das größte Problem bei der Einführung könnten jedoch die Konsumenten selbst werden. "Verbraucher haben Vorbehalte gegen solche künstlichen Verfahren. Bis Laborfleisch wirklich akzeptiert wird, kann es lange dauern."